Tale · 20.07.2017 Schleswig-Holsteins Straßenbau gehört nicht in den Bundeswahlkampf

Flemming Meyer TOP 16 - Keine Übertragung der Verwaltung der Bundesstraßen an den Bund

Im Koalitionsvertrag ist nachzulesen, dass die Regierungsfraktionen sich versprochen haben, zu prüfen, ob die Bundesstraßen in Schleswig-Holstein nicht zukünftig vom Bund verwaltet werden könnten. Damit könnte das Land Geld sparen; konkret sind das Verwaltungskosten,  die Schleswig-Holstein nach den Regelungen der Auftragsverwaltung gemäß Art. 104a GG zu tragen hat. Die komplizierte Formulierung des Prüfauftrages im Koalitionsvertrag lässt schon ahnen, dass es so einfach dann doch nicht werden wird, wenn man erst einmal nur prüfen möchte, ob das Ganze überhaupt sinnvoll ist. Eine Übertragungsabsicht sieht nach meinem Dafürhalten anders aus. Das zeigt mir deutlich: Wir sind mitten drin im Bundestagswahlkampf.

Eines der Dinge, die man nur zwischen den Zeilen lesen kann, ist eine Kritik am Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr. Mit deren Auftragsverwaltung scheinen die Koalitionäre nicht zufrieden zu sein: dort verwaltet man die Bundesstraßen wohl nicht gut genug. Nun soll es der Bund von Berlin aus richten.

Verkehrsminister Dobrindt hält sich ja für den besten Straßenbauer – wenn er denn so könnte, wie er wollte. Im Wochentakt schießt der Minister Presseerklärungen heraus, wonach die vertrackte Situation mit einem einzigen Geniestreich zu beheben wäre. Tatsächlich haben wir bereits seit Jahren zu wenig Geld in die Erhaltung und den Ausbau der Bundesstraßen gesteckt. Die Pendler in Schleswig-Holstein können ein Lied davon singen, wie sich nach jedem Winter der Zustand ihrer Strecke verschlechtert. Wir haben die Reserven der guten Jahre inzwischen aufgebraucht. Jetzt stehen kräftige Investitionen an.  

Und über die Investitionen in den Bundesstraßen soll wirklich der Bundestag in Berlin beschließen? Wollen wir also das Wissen hier vor Ort einfach nicht nutzen? Der ADAC sieht in seinem Gutachten das Problem der Synergieverluste durchaus kritisch. Eine neue Verwaltung muss sich erst mühsam das Wissen neu aneignen. Natürlich ist es durchaus sinnvoll, gut frequentierte Bundesstraßen und Bundesautobahnen stärker planerisch miteinander zu verzahnen, indem man die Zuständigkeiten bündelt. Aber wie sieht es dann mit der Vernetzung der nächsten Ebene, den Landesstraßen, aus? Diese drohen den Anschluss an die Verkehrsplanung zu verlieren; dabei sind sie zur Erschließung des Flächenlandes Schleswig-Holstein ein wichtiger Bestandteil des täglichen Personen- und Güterverkehrs. Dass sie abgehängt werden, wenn der Bund die Bundesstraßen plant und verwaltet, erscheint mir durchaus eine reale Gefahr zu sein. 

Darüber hinaus enden auch Bundestraßen nicht an Landesgrenzen. Was passiert, wenn Schleswig-Holstein die Verwaltung der B5 an den Bund überträgt, Niedersachen diesen Weg aber nicht geht oder Mecklenburg-Vorpommern? Wird man also in Zukunft wieder am Rütteln des Autos merken, wenn man eine Landesgrenze innerhalb Deutschlands kreuzt? Das wäre ein echter Rückschritt. Die ADAC-Gutachter sehen es als nicht als sinnvoll an, wenn jedes Land für sich Schwerpunkte beim Ausbau und Investitionen vornimmt. Damit könnte das ganze System aus dem Ruder geraten. Das tut es nicht sofort, aber mit Sicherheit in den nächsten Jahren. 

Vorher allerdings müssen die Strukturen erst einmal neu aufwachsen. Bei der Reform der Wasserstraßenbehörden kann man derzeit sehen, wie viel Zeit so etwas in Anspruch nehmen kann. Zeit, in denen die Behörden vor allem mit Restrukturierung und sich selbst zu tun haben, so dass Projekte liegen bleiben. Das kann angesichts vieler Probleme unserer Bundesstraßen wirklich nicht in unserem Interesse liegen. Sogar der Koalitionsvertrag spricht von einem Sanierungsstau im Landesstraßennetz. 

Eine Bemerkung zum Schluss, wie ernst man den Koalitionsvertrag an dieser Stelle überhaupt nehmen kann. Der Sanierungsstau im Landesstraßennetz soll angeblich innerhalb von zehn Jahren abgebaut werden. Man muss kein Prophet sein, dass so eine Willensbekundung das Papier nicht wert ist, auf dem sie gedruckt ist. In den nächsten Jahren müssen mindestens 23 Brücken von Landesstraßen saniert werden oder sogar neu gebaut werden. Allein der Bau der Brücke in Lindaunis wird ein enormer Kraftakt werden. Dazu kommen die  Ausbaupläne der B 5 längs der Westküste. Hier sind ja inzwischen so viele Fristen verstrichen, dass sich niemand mehr traut, überhaupt eine Jahreszahl zu nennen. Und das sind nur einige Beispiele. Die Sanierung der B 76 hat gezeigt, dass auch bei guten Baustellenmanagement nicht immer Behinderungen auszuschließen sin. Wenn wirklich in den nächsten zehn Jahren alle Projekte umgesetzt werden sollen, erwartet uns das reine Chaos. 

Ich hätte an dieser Stelle ein wenig mehr Ehrlichkeit erwartet.

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