Tale · 26.05.2004 Schwerpunkte in der Sucht- und Drogenpolitik

Als wir vor fünf Monaten den Bericht der Landesregierung zur „Weiterentwicklung der Drogen­politik“ diskutierten, haben wir bemängelt, dass darin eine wirkliche „konzeptionelle Weiterent­wick­lung“ der Drogenpolitik in Schles­wig-Holstein fehlt. Insofern gibt es hier heute eine Nach­hilfe­stunde. In der Drogenpolitik gibt es in vieler­lei Hinsicht Ent­wick­lungs­bedarf. Der vorliegen­de Antrag zeigt auf, wo einige der dringlichsten Handlungsfelder liegen. Dabei ist es klar, dass wir die Prioritäten unterschiedlich setzen.

Für den SSW ist es ein besonderes Anliegen, dass die Hilfen für Kinder und Jugendliche verbessert werden. Obwohl wir wissen, dass die Probleme häufig in diesem Alter entstehen, sind die Hilfen für drogenabhängige Minderjährige alles andere als gut ausgebaut. Immer wieder hören wir aus der Praxis, dass diese Altersgruppe in der heutigen Drogenhilfe durch das Netz fällt. Die Erfahrungen zeigen, dass Sucht-„Karrieren“ schon im Kindes- und Jugendalter ihren Anfang nehmen. Deshalb müssen wir an die Betroffenen herankommen, bevor sie als Heranwachsende und Erwachsene mit schier unüberwindlichen medizinischen und sozialen Problemen in den Einrichtungen der Drogenhilfe ankommen.

Bisher gibt es aber keine Instanz, die wirklich dafür zuständig ist. Zu selten gibt es jemanden, der sich um diese Altersgruppe kümmert oder in Zusammen­arbeit mit anderen Institutionen frühzeitig Hilfe leistet und Schlimmeres verhindert. Wir meinen, dass der richtige Ansatzpunkt hierfür die kinder- und jugendärztlichen Dienste der Kreise und kreisfreien Städte sind. Durch ihre schul­ärztlichen Aufgaben kommen sie früh mit den Kindern in Kontakt und sind ein natürlicher Ansprechpartner für die Lehrkräfte. Sie können früh­zeitig intervenieren, wenn sie auf Probleme aufmerksam werden und dann in Zusammenarbeit mit den örtlichen Drogenhilfe- und Jugendhilfe­einrichtungen entsprechende Hilfe veranlassen.

Aber an dieser Vermittlung zwischen Gesundheitsdiensten, Drogenhilfe und Jugendhilfe hapert es noch erheblich. Das wurde ja auch im Bericht der Landesregierung deutlich. Er weist auch zu Recht darauf hin, dass diese Vernetzung regional stattfinden muss – dort, wo die praktische Arbeit gemacht wird und wo auch die politische Kompetenz für die Jugend­hilfe liegt. Trotzdem: Es ist nicht genug, wenn das Land sich mit Verweis auf die lokale Zustän­digkeit aus der Verantwortung zurück­zieht. Sie muss konzeptionelle Unterstützung für eine bessere Ver­netzung vor Ort bieten. Und sie muss deutliche Anreize für die Verzahnung der Hilfen für drogengefähr­dete und -abhängige Kinder und Jugendliche setzen, wie sie auch in den Anhö­run­gen des Sozialausschusses mehrfach gefordert wurden.

Viele der Punkte des Antrags berühren Probleme, die die Landesregierung nicht allein lösen kann. Es geht darum, die Kreise, den Bund, Krankenkassen, Rehabilitationsträger und Träger der freien Wohlfahrtspflege davon zu überzeugen, eine größere inhaltliche oder finanzielle Verantwortung zu übernehmen. Wir wissen alle, dass dies nicht einfach ist. Trotzdem hat die Landesregierung lange Zeit eine Vorreiterrolle gespielt. Der ideolo­gie­­freie, sachliche Umgang mit diesem stark polarisierenden Thema war nicht zuletzt ein Mar­ken­zeichen und der Ver­dienst von Heide Moser.

Wir erwarten, dass die Landes­regierung wieder den Mut aufbringt, die Drogenpolitik auf dieser Spur weiter zu entwic­keln. Dies gilt nicht nur für den strafrecht­lichen Bereich, in dem nach wie vor keine Konsequenz aus der Erkenntnis gezogen wird, dass die Kriminalisierung des Drogenkon­sums weder im Sinne der Suchtvorbeugung noch im Sinne der Überwindung von Abhängigkeit beson­ders effektiv ist. Dass die Landesregierung mehr Mut zeigen muss, gilt ebenso für eine Reihe von Lücken in Verbindung mit der Beratung und der Therapie von Sucht. Dass sie die Probleme vielfach richtig erkannt hat, zeigt ja der Bericht. Daraus folgt aber auch die Verantwor­tung und die Verpflichtung, sich mit Ausdauer dafür ein­zusetzen, dass die Probleme beseitigt werden. Das schulden wir den betroffenen Menschen.

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