Tale · 13.11.2008 Umsetzung eines beitragsfreien Kindertagestättenjahres

Nur wirklich Ewiggestrige leugnen die Vorteile, die eine professionelle Kindergartenpädagogik hat. Wenige Familien können nämlich ihren Sprösslingen die Erlebnisvielfalt und Erlebnistiefe bieten, wie ein durchschnittlicher Kindergarten.
Der Besuch eines Kindergartens ist nach der Meinung vieler Experten der beste Start ins Leben.
Also müssten konsequenterweise die Kindertagesstätten optimal gefördert werden. Das ist aber bekanntermaßen nicht der Fall.

Aufgrund des traditionellen Musters der Familienpolitik in Deutschland, reduziert sich die Familienpolitik oft in monetäre Transfers. So wird das Kindergeld wieder in einem kleinen Schritt erhöht und wir werden wahrscheinlich sogar die oft geschmähte Herdprämie erleben.
Bereits jetzt profitieren von Transferleistungen aber nicht diejenigen, die auf Unterstützung wirklich angewiesen sind. Ich möchte hier auch gerade das Ehegattensplitting anführen, das insbesondere deutsche Gutverdiener mit zusätzlichem Einkommen versorgt.

Doch es ist zu befürchten, dass dieser Kurs beibehalten wird. Hohe Transfersummen sind für konservative Politiker nämlich immer wieder ein beliebter Anlass, auf Pressekonferenzen die Erfolge einer vorgeblich gelungenen Familienpolitik zu loben. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Die unsozialen Transferleistungen graben Schulen, der Jugendhilfe und nicht zuletzt den Kindergärten das Wasser ab. Schließlich kann man jeden Euro nur einmal ausgeben – das gilt auch und besonders für staatliche Leistungen.
Die Folge: Kinder, die darauf angewiesen sind, unterstützt und gefördert zu werden, erhalten nicht die ausreichenden Maßnahmen.

Wir müssen dieses System ändern.

Der SSW fordert eine stabile und solide Finanzierung von Kindergärten, gebundenen Ganztagessschulen und Jugendfreizeitangeboten. Wir sehen sowohl die Projektfinanzierung mit Antragsmarathon und alljährlicher Hängepartie als auch geschätzte Zahlen, deren berechtigter Gebrauch erst noch nachgewiesen werden muss. Unter letzteres fallen die 120 Euro, die scheinbar unabhängig vom tatsächlichen Finanzbedarf und faktisch gezahlten Elternbeiträgen vor einigen Wochen aus heiterem Himmel in den Verhandlungen der Großen Koalition auftauchten. Obwohl keine flächendeckenden Zahlen vorliegen, scheint die geschätzte Pauschale in Höhe von 120 Euro unverrückbar. Das ist womöglich sehr waghalsig.

Dazu kommt die Fixierung auf eine Pauschale, die der Einfachheit halber über Durchschnittswerte, teilweise aus dem gesamten Bundesgebiet, hochgerechnet wurde.
Aufgrund der angestrebten gesetzlich festgelegten Beitragsfreiheit wird es zwangsläufig bei den Trägern der Kindertagesstätten Gewinner und Verlierer geben. Die, die mit dem Durchschnittsbetrag auskommen können, sind die Gewinner und die, deren Elternbeiträge über diesem Satz liegen, wissen noch nicht wie sie ihr Geld erhalten.

Letztlich haben aber alle Träger das Nachsehen. Sie müssen schließlich nach Abschluss der Verhandlungen in Kiel noch mit ihren Kommunen feilschen. Gerade die sind aber klamm und können sich keine zusätzlichen Mittel aus den Rippen schneiden. Den letzten beißen die Hunde.

Es ist zu befürchten, dass sich die Verlierer unter den Trägern, unter ihnen wahrscheinlich auch der Dänische Schulverein, Gedanken machen müssen, wie sie mit den Verlusten umgehen. Denkbar sind mehrere Varianten: entweder wird zur Kompensation der Elternbeitrag für die ersten Kindergartenjahre erhöht, oder es werden Standards gesenkt, also beispielsweise Gruppengrößen erhöht. Eine andere Variante wäre auch denkbar, und zwar, dass den Eltern alle Leistungen, die 120 Euro übersteigen, als Sonderleistung in Rechnung gestellt werden: das beträfe dann jede Extrastunde über die 5 Stunden Kernzeit genauso wie weitergehende Angebote der Kita.

Das wären trübe Aussichten.

Wir sollten daher unbedingt innerhalb der kürzest möglichen Zeit die tatsächlichen Folgen des neuen Finanzierungsmodells evaluieren. Wenn die Bildungsministerin derzeit nicht über flächendeckende Zahlen verfügt, sollte das nach Verabschiedung der neuen Regelung unverzüglich geschehen. Die Chancen, noch einmal nachzusteuern, wären dann am besten.

Vielleicht sehe ich aber auch zu schwarz. Ich würde mich zu gerne durch belastbares Zahlenmaterial eines Besseren belehren lassen.

Eines ist sicher: die chronische Unterfinanzierung der Kindertagestätten, die sich bereits unter anderem in fehlender Akademisierung, unterdurchschnittlichen Gehältern der Erzieher und viel zu niedrigem Anteil von Männern in diesem Job niederschlägt, wird mit 120 Euro Pauschalbetrag nicht behoben werden.

Auch im vorliegenden Bericht fällt kein Wort über die Sicherung inhaltlicher und personeller Standards. Das finde ich bedauerlich, weil damit die gute Arbeit, die unter großem persönlichem Einsatz derzeit geleistet wird, vollständig ausgeblendet wird.

Es ist zu hoffen, dass zumindest das zentrale Anliegen, nämlich die Inanspruchnahme der Kindergärten deutlich zu verbessern, umgesetzt werden kann. Schließlich stand am Anfang der Debatte das Ziel, allen Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen, unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten ihrer Eltern.

Ich bin davon überzeugt, dass die geplante Beitragsfreiheit vor allem für Familien mit mittlerem Einkommen die Hürde senkt und sie ihre Kinder einen Kindergartenbesuch ermöglichen können.

Dass die Träger die Pauschalierung nicht mit einer Standardabsenkung quittieren müssen, gehört dann allerdings zu unseren Aufgaben.

Letztendlich haben wir aber immer noch nicht eine Familienpolitik, die diesen Namen wirklich verdient. Anstatt sind mit Geldleistungen quasi freizukaufen, sollte der Staat seine Betreuungsangebote in Schule und Kindergarten ausbauen. Hier wäre das Geld wirklich besser angelegt.

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