Tale · 09.05.2007 Verfassungsschutzbericht 2006

Der Verfassungsschutzbericht 2006 zeigt einmal mehr, dass die größte Gefahr für die Demokratie immer noch von den rechtsradikalen Kräften in unserem Land ausgeht. Denn während sich sowohl der Linksextremismus als auch der Islamismus auf viele Organisationen und versprengte Gruppierungen verteilen, die damit mehr oder weniger sektiererisch daherkommen, gilt für den Rechtsextremismus, dass es  einer Partei - nämlich der NPD – gelungen ist, sich eine zentrale Position zu erarbeiten.

Und dass die NPD kaum auf dem Boden des Grundgesetzes steht, geht in beeindruckender Weise aus dem Bericht der Landesregierung hervor: Die NDP versucht mit den Mittel unseres demokratischen Staates ein anderes System herbeizuführen. Die Wahlerfolge in Sachsen und jüngst in Mecklenburg-Vorpommern haben den Mitgliedern der NDP ein großes Selbstbewusstsein und ein Gefühl des Aufwinds verschafft. Und sie hat es geschafft, die verschiedenen rechten Strömungen und Gruppierungen einzufangen, um sich durch ein strategisches Bündnis mit der DVU auch die Voraussetzungen für künftige Wahlerfolge zu ermöglichen.
Auch wenn die Mitgliederzahl der NDP in Schleswig-Holstein immer noch auf niedrigem Niveau liegen, so sind sie doch in den letzten Jahren etwas angestiegen, und der Innenminister hat Recht, wenn er sagt, dass die Neonazis und ihre Verbündeten immer „frecher“ auftreten. Das hängt natürlich damit zusammen, dass die „rechtsextremistischen Positionen keinesfalls mehr ein Nischendasein im Umfeld subkultureller Jugendlichen oder unverbesserlicher Alt-Nazis führen“, wie im Bericht zu lesen ist.     

Vielmehr wird ganz allmählich klar  - was auch durch viele Studien belegt wird, dass das rechtsradikale Gift längst in die Mitte der Gesellschaft gesickert ist. Fremdenfeindlichkeit und plumpes rechtes Gedankengut sind an Stammtischen und Kaffeetafeln alltäglicher Gesprächsstoff. Man macht es sich also zu einfach, den Rechtsextremismus im Lande nur als Spinnereien einiger weniger zu verniedlichen. Die demokratischen Parteien müssen aufwachen und sich der Herausforderung stellen. Denn obwohl diese Probleme seit über einem Jahrzehnt erkannt sind, hat die Politik neben Überwachung, Solidaritätsbekundungen und Jugendprojekten wenig dagegen auf die Beine stellen können.

Daher bleibt der SSW bei seiner Position: Die demokratischen Kräfte müssen viel stärker als bisher die Argumente der Rechtsradikalen offen aufgreifen und sich damit seriös auseinander. Sie müssen öffentlichkeitswirksam die Mythen über schmarotzende Ausländer mit Fakten widerlegt. Und sie müssen mehr Verständnis für die Sorgen entwickeln, die viele Bürgerinnen und Bürgern mit sozialen Themen wie Arbeitslosigkeit und Hartz IV verbinden. Bisher hat sich der Kampf gegen Rechts darauf konzentriert, Demokraten zu bestärken und rechtsradikale Jugendliche für die Demokratie wieder zu gewinnen. Die Politik muss aber endlich Energie darauf verwenden, sich ernsthaft und sachlich mit den vielen Erwachsenen auseinanderzusetzen, die für das Gedankengut der rechten Rattenfänger offen sind. Nur mit verfassungsrechtlichen Mitteln ist das Problem nicht in den Griff zu bekommen. 

Denn die NPD versteht geschickt zu vermeiden, offen mit rechtsextremistischen Positionen zu werben. Sie versucht stattdessen oft, allgemeine soziale Themen oder sogar regionale Probleme aufzugreifen. Dies wurde jüngst deutlich bei der sehr emotionalen Diskussion über die Kreisreform in Ditmarschen, wo die NPD zu den Gegnern gehört. Hier kommt den Verantwortlichen die Aufgabe zu, nicht in die Falle der NPD zu gehen, damit der gesamte Protest gegen die Kreisreform nicht als „rechtsradikal“ verunglimpft werden kann, wie dies leider von einigen Politikern gemacht wurde. Wir wissen alle, dass dies nicht der Fall ist.

Leider scheint aber gerade Ditmarschen dennoch eine der regionalen Hochburgen der Rechtsextremisten in Schleswig-Holstein zu sein. Gerade erst am Wochenende wurde von der Polizei eine Razzia gegen eine neonazistische Versammlung in einer ehemaligen Gaststätte in Neufeld durchgeführt. Auch im Großraum Lübeck und in Neumünster mit dem ominösen Club 88 gibt es regionale Schwerpunkte des Rechtsextremismus.

Von Aktivitäten im Landesteil Schleswig ist im Bericht der Landesregierung außer in Rendsburg nicht die Rede. Dabei wurde jüngst in einem Artikel in Flensborg Avis auf neonazistische Aktivitäten einer sogenannten „Kameradschaft NF“ hingewiesen, die in Husum und anderswo linksalternative Jugendliche bedroht haben soll. Dennoch ist ein Trend hin zur NPD hier im Norden nicht abzusehen.

Dafür gab es bei unserem Nachbarn in Sønderjylland einige Zwischenfälle mit internationalen Neonazitreffen in den traditionsreichen dänischen Versammlungshäusern. Mehrere Male hatten Neonazis unter falschem Vorwand diese Häuser für Konzerte oder Versammlungen gemietet. Allerdings versucht man jetzt in Sønderjylland diese Treffen, an der auch Neonazis aus Deutschland teilnahmen, für die Zukunft zu verhindern.  

International vernetzt ist auch der Linksextremismus, insbesondere wenn es um das Thema Globalisierung geht. So scheint der kommende G-8-Gipfel in Heiligendamm - den man politisch sehr wohl kritisieren kann - gerade auch in der linken Szene zu einem Anstieg der Gewaltbereitschaft zu führen. Dies haben mehrere kleine Anschläge in Hamburg und auch in Schleswig-Holstein gezeigt. - Hier müssen wir von politischer Seite an alle Beteiligten appellieren, dass sich die Proteste gegen den Gipfel selbstverständlich nur friedlich und demokratisch äußern dürfen. Alles andere ist unakzeptabel und schadet nur dem Anliegen der Demonstranten. Insgesamt geht aber von diesen kleinteiligen Gruppierungen keine wirkliche Gefahr für die demokratischen Institutionen aus.  

Angesichts der Ereignisse der letzten Jahre und auch vor dem Hintergrund, dass der einer der so genannten Kofferbomber in Kiel lebte, widmet die Landesregierung den extremistischen Bestrebungen von Ausländern und auch dem Islamismus einen großen Teil des Berichtes. Dabei wird aber deutlich, dass auch die verschärften Gesetze der letzten Jahre von Bund und Ländern keinen wirklich Fortschritt bei der Bekämpfung dieser extremistischen Ausländer gebracht haben.

So war der in Kiel wohnhafte Youssef Mohammad im Vorfeld des Kofferbombenanschlages den Verfassungsschutzbehörden nicht bekannt. Gleiches galt ja auch für viele der Attentäter des 11. Septembers. Mit einfachen Verfassungsschutzmethoden kommen wir also nicht weiter. Aber unabhängig von allen Überlegungen, die in Richtung eines verstärkten Einsatzes von Informanten gehen könnten,  brauchen wir auch einen viel besseren Dialog zwischen den moslemischen Gruppierungen und den staatlichen Organen. Die Islamismuskonferenz von Bundesinnenminister Schäuble ist nur der Anfang, damit wir endlich eine fruchtbare Diskussion über gemeinsame Werte und über die freiheitliche Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland führen können.  Diese Wertedebatte ist am Ende viel wichtiger für den Erhalt unserer Demokratie als so manche Gesetzesverschärfung aufgrund von aktuellen Bedrohungen.

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