Tale · 27.01.2021 Wenn das Tragen einer Maske vorgeschrieben wird, muss sie gratis sein

„Die Politik muss beide Entwicklungen in Einklang bringen: die steigenden Inzidenzzahlen und gleichzeitig die abnehmende Kraft der Menschen. Und leider gelingt ihr genau das nicht. Sie fordert und verlangt mehr und geht dabei nicht gerade behutsam vor.“

Christian Dirschauer zu TOP 36A - Sofortprogramm für eine kostenlose Maskenabgabe in Schleswig-Holstein (Drs. 19/2728)

Vertrauen in die Politik ist eine kostbare Ressource. Und dieses Vertrauen wird gerade auf eine harte Probe gestellt. Im Rahmen des Seuchenschutzes greift der Staat in der Corona-Pandemie tief in die täglichen Routinen seiner Bürgerinnen und Bürger ein. Die Kontaktbeschränkungen schränken das Privatleben in einer nie da gewesenen Form ein. Bislang aber hat die Mehrheit die Vorgaben mit großer Sorgfalt umgesetzt. In den Bussen, beim Einkaufen oder an der Tankstelle werden Abstands- und Hygieneregeln weitgehend eingehalten.
Doch jetzt passiert zweierlei. Die Zahlen der Menschen, die sich mit Corona anstecken, gehen einfach nicht runter. Im Gegenteil, in einigen Regionen Schleswig-Holsteins wachsen die Inzidenzwerte; neue Hotspots in Altenheimen und Krankenhäusern kommen hinzu. Das bedeutet, dass die Maßnahmen weiter verschärft werden müssen. Zum anderen mehren sich die Anzeichen, dass die emotionalen Reserven aufgebraucht sind. Nach Monaten der sozialen Isolierung gehen Viele regelrecht auf dem Zahnfleisch. 
Die Kinder vermissen das Toben mit Gleichalterigen und wir Erwachsenen das entspannte Gespräch in vertrauter Runde. Man wird ungeduldiger und fühlt sich ausgelaugt. Der Mensch ist eben ein soziales Wesen, das auf das Miteinander ebenso angewiesen ist, wie ein Baum auf das Wasser. Die Politik muss beide Entwicklungen in Einklang bringen: die steigenden Inzidenzzahlen und gleichzeitig die abnehmende Kraft der Menschen. 
Ich war schon vor Corona davon überzeugt, dass bei Gesetzen und Verordnungen auch immer die nötigen Mittel dazu gehören. Nennt sich Konnexitätsprinzip. Oder, anders ausgedrückt: wer die Zeche bestellt, muss sie auch bezahlen. Wenn in Corona-Zeiten eine Anordnung erfolgt, gilt das gleiche!
Wenn also das Tragen einer FFP2-Maske – oder einer medizinischen Maske – vorgeschrieben wird, dann müssen gleichzeitig die Voraussetzungen geschaffen werden, dass auch alle Menschen diese Masken erhalten. Diese Verkopplung von Anordnung und Zurverfügungstellung der Masken dient dazu, dass die Menschen weiterhin Vertrauen zur Kompetenz staatlicher Maßnahmen haben. Das ist elementar.
Als SSW wollen wir, dass sich Alle, auch HartzIV-Empfänger, Wohnungslose oder Bezieher kleiner Einkommen, mehrere Masken kaufen können. Eine einzige Maske reicht nicht! Denn da sind wir uns doch wohl einig: eine OP-Maske oder eine FFP2-Maske gewährt nur ausreichenden Schutz, wenn sie nicht immer wieder aus der Hosentasche gefingert wird, sondern nach dem Tragen desinfiziert oder entsorgt werden kann. Eine kostenlose Verteilung der Masken wäre meines Erachtens der einzig richtige Weg.
Flensburg macht es vor: Wer mit einen Bus der AktivBus zur Arbeit oder zum Einkaufen fahren will und sich keine Maske leisten kann, soll ab sofort eine blaue OP-Maske beim Busfahrer bekommen. In Österreich werden die Masken in den Supermärkten kostenlos verteilt. Menschen, die älter als 60 sind sowie weitere Berechtigte, haben ihren Bezugsschein für entsprechende Masken mit der Post bekommen. 
Bestehende Maskenbestände müssen jetzt unverzüglich verteilt werden. Der Bund muss diese Kosten tragen. Danach muss geklärt werden, wer konkret die Verteilung übernimmt, z.B. an Menschen, die ihre Wohnung nicht verlassen oder verlassen können. Beispielsweise das THW, die Bundeswehr oder das Deutsche Rote Kreuz haben entsprechende Strukturen und könnten eine reibungslose Verteilung garantieren. 
Zum Schluss möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass auch korrekt getragene FFP2-Masken die bisherigen Regeln nicht außer Kraft setzen. Weiterhin sollte man regelmäßig Hände waschen bzw. desinfizieren und auch die Abstände müssen weiterhin eingehalten werden. Unsere Diskussion um die Masken muss diesen Aspekt immer mitdenken. Ansonsten werden wir die Inzidenzwerte nur schwer in den Griff bekommen.
 

Weitere Artikel

Pressemeddelelse · 27.03.2024 Cannabis-Prävention hinkt dem Gesetz hinterher

Sind die Präventionsangebote in Schleswig-Holstein gut genug aufgestellt, um auf die Cannabis-Legalisierung zu reagieren? Das wollten wir von der Landesregierung im Rahmen einer Kleinen Anfrage erfahren. Die Antworten sind alarmierend. Dazu erklärt der gesundheitspolitische Sprecher der SSW-Landtagsfraktion, Christian Dirschauer:

Weiterlesen

Pressemeddelelse · Kiel · 28.03.2024 Einigung im kommunalen Bus-Tarifkonflikt: Verkehrswende braucht gute Arbeitsbedingungen

Zur Einigung von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern im Tarifkonflikt bei den schleswig-holsteinischen Busunternehmen erklärt Ratsherr Marcel Schmidt, Vorsitzender der SSW-Ratsfraktion Kiel:

Weiterlesen

Pressemeddelelse · Kiel · 27.03.2024 SSW fordert vollständige Aufklärung in Sachen Anschar

Zum Rücktritt des Ratsherrn Dirk Scheelje im Zusammenhang mit den Vorgängen rund um den Anscharcampus erklärt Ratsherr Marcel Schmidt, Vorsitzender der SSW-Ratsfraktion Kiel:

Weiterlesen