Tale · 23.09.2004 Wettbewerbsregeln für den Strommarkt

Mitte diesen Jahres hatten verschiedene Stromanbieter noch angekündigt, ihre Strompreise erhöhen zu wollen. Erhöhungen von 10 bis 15 Prozent standen in Rede und deren Hauptbegründung war immer wieder, dass die Netzkosten angeblich zu hoch seien und dass deshalb der Preis angepasst werden müsse.

Nachprüfen konnte man das als Kunde oder regionaler Versorger so ohne weiteres nicht. Die Leitungsnetze sind quasi ein Monopol der jeweiligen Netzbetreiber. Stromproduzenten ohne eigenes Netz, wie zum Beispiel die vielen Stadtwerke im Land, sind auf dem liberalisierten Markt den Netzbetreibern mehr oder weniger ausgeliefert. Der Bundesverband neuer Energieanbieter meint, dass mehr als 5 Milliarden Euro zu viel an Netznutzungsgebühren an die Netzbetreiber gezahlt werden mussten. Bei einer Gesamtsumme von rund 18 Milliarden Euro Netznutzungsgebühren bedeutet dies, dass rund 28 Prozent der gezahlten Netznutzungsentgelte zu Unrecht erhoben würden. Das Bundeskartellamt geht davon aus, dass die Strompreise um 8,7 Prozent zu hoch sind, weil die Netznutzungsentgelte zu hoch sind.

Während es in unseren Nachbarländern Kontrollinstanzen gibt, warten wir bei uns immer noch auf eine Regulierungsbehörde. Nun soll diese zwar eingerichtet werden, aber es hat sich nun ein Streit darüber entzündet, wie die Behörde in die Preisbildung eingreifen können soll. Unsere bisherigen Bundeswirtschaftsminister, sowohl der rot-grünen wie auch der schwarz-gelben Koalition, haben immer wieder versucht, eine Einrichtung einer Regulierungsbehörde zu verhindern. Glücklicherweise hat die EU die Einrichtung einer solchen Aufsichtsbehörde für den Strom- und Gaswettbewerb ultimativ gefordert. Ohne den Druck aus Brüssel, würden wir als Kunden und unsere Strom- und Gasversorger immer noch einigen wenigen Monopolisten ausgeliefert sein.

Wer also weiß, dass sich unsere Regierungen immer wieder gegen die Einrichtung einer Regulierungsbehörde gewandt haben, der weiß, warum nun ein Streit entbrannt ist, ob die Regulierungsbehörde vor oder nach der Preisfestsetzung tätig werden soll. Letztendlich will die Bundesregierung immer noch nicht ein schlagkräftiges Instrument für die Herstellung von echtem Wettbewerb auf dem Strom- und Gasmarkt schaffen. Wenn schon eine Regulierungsbehörde sein muss, dann soll sie doch lieber ein möglichst zahmes Instrument bleiben.

Wir haben eine Vielzahl von Stromanbietern im Land, von denen viele kein eigenes Netz haben, aber trotzdem ihren Strom und demnächst ihr Gas am Markt anbieten wollen. Ich denke dabei vor allem an die Stadtwerke im Land, die oft nicht nur kreatives Marketing betreiben, sondern auch sauberen Strom aus innovativer Produktion herstellen. Diese Unternehmen haben es derzeit schwer am Markt und sind darauf angewiesen, dass die Berechnung von Netznutzungsentgelten nach nachvollziehbaren Kriterien vor sich geht und die die Gewähr haben müssen, dass dauerhaft faire Preise an die Netzbetreiber gezahlt werden müssen. Diese Gewissheit hat man aber nur dann, wenn die Stromtarife vorab genehmigt werden müssen.

Wenn eine Regulierungsbehörde erst dann eingreifen kann, wenn die Tarife schon festgezurrt sind, wird es schwer noch regulierend eingreifen zu können. Deshalb wird im Antrag folgerichtig gefordert, dass die Tarife vorab genehmigt werden müssen, bevor sie Gültigkeit erlangen. So würden die Netzbetreiber gezwungen werden, rechtzeitig und umfassend über die Grundlagen für die Preisgestaltung zu informieren und sie würden von Anfang an echte realistische Tarife erheben.

Im zweiten Punkt des Ursprungsantrages wird allerdings schon vorauseilender Gehorsam geübt, in dem man davon ausgeht, dass Bundeswirtschaftsminister Clement sich durchsetzt und die Vorabgenehmigungspflicht einkassiert wird. Das muss unbedingt verhindert werden und deshalb haben wir unseren Änderungsantrag gestellt. Sein Ziel hat Minister Clement Ende Juli deutlich gemacht. Nur Netzbetreiber, deren Preise deutlich nach oben vom Durchschnittspreis abweichen, sollen überprüft werden. Dabei spricht er davon, dass er keine übermäßige Bürokratie schaffen will. Im Klartext heißt das, dass er am liebsten kaum eine Kontrolle will und man nur im Ausnahmefall überprüfen soll. Und da dies ja erst nach der Preisfestsetzung geschehen soll, werden Preiskorrekturen zugunsten der Kunden und der regionalen Versorger dann schön lange auf sich warten lassen. Auf diese Form der Liberalisierung können wir gut verzichten.

Deshalb ist es wichtig, dass wir heute deutlich machen, dass wir eine Vorabgenehmigung der Tarife durch die Regulierungsbehörde wollen, denn die Landesregierung kann schließlich im Bundesrat auf die Neuregelung des Energiewirtschaftsgesetzes im Sinne der Kunden und regionalen Versorger Einfluss nehmen. Das sollte sie in jedem Fall tun und das ist Ziel unseres Änderungsantrages.

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