Rede · 14.12.2017 Alle Kinder haben ein Recht auf gute Bildung

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 2 + 21 - Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes und Mehrbedarfskosten durch Umstellung auf G9 übernehmen

Nicht nur in Gesprächen vor Ort sondern vor allem auch in der Anhörung zum vorliegenden Schulgesetz ist für mich eins sehr deutlich geworden: Viele Lehrkräfte, Schulträger aber auch Eltern sind inhaltlich vielleicht gar nicht mal besonders kritisch. Und doch sind sie unheimlich enttäuscht. Das liegt schlicht und einfach daran, dass sie bei dieser Grundsatzentscheidung weder gefragt noch in irgendeiner Form beteiligt wurden. Man hat den Eindruck, dass unsere Schulstrukturen von oben verordnet und im Hau-Ruck-Verfahren verändert werden sollen. Das mag bei der mehrheitsfähigen Rückkehr zu G9 vielleicht noch irgendwie funktionieren. Aber das Vertrauen in die Entscheidungsfindung hier im Landtag wird durch so ein Verhalten sicher nicht gefördert.

Sind wir doch mal ehrlich: Natürlich bieten Anhörungen immer eine Menge Spielraum für Interpretation. Aber in der Anhörung zu dieser Schulgesetzänderung sind durchaus offene Punkte aufgetaucht, über die Jamaika hinweggeht. Es wurde ganz klar bestätigt, dass fast alle die nötige Dreiviertelmehrheit für den Verbleib bei G8 für zu hoch und für nicht praktikabel halten. Hier hätten CDU, Grüne und FDP doch ohne Probleme ein wohlwollendes Signal senden können. Aber wie wir wissen, ist nichts passiert. Vielen, die zumindest einen Anlauf für den Verbleib bei G8 nehmen wollten, wurde damit endgültig der Mut genommen. Verbunden mit dem Ministervorbehalt und den viel zu kurzen Fristen entsteht der Eindruck, dass eine wirklich demokratische Entscheidung und eine echte Wahlfreiheit einfach nicht gewollt sind. Für mich ist das die bildungspolitische Brechstange. 

Ich will bei all dem nicht unterschlagen, dass sich CDU, Grüne und FDP mittlerweile zumindest Gedanken über die finanziellen Konsequenzen ihrer einsamen Entscheidung machen. Denn die Rückkehr zu G9 wird nachweislich Mehrbedarfe auslösen. Nicht nur bei den Lehrkräften, wo ja zumindest etwas nachgesteuert wird. Sondern auch bei den Räumlichkeiten und bei Fragen der Ausstattung. Hier gab es bisher kaum verlässliche Antworten und schon gar keine konkreten Angaben. Egal mit wem ich bei mir im Wahlkreis rede - kaum jemand weiß, wo die Reise hingeht. Wir haben deshalb einen Antrag gestellt, der für die Schulträger wenigstens zu einem Mindestmaß an Planungssicherheit führen soll. 

Eigentlich halte ich es für selbstverständlich, dass man sich mit denjenigen zusammensetzt, die von einer so weitreichenden Strukturentscheidung direkt betroffen sind. Aber wie auch immer: Ich will klar sagen, dass mich die Beweglichkeit bei dieser Finanzierungsfrage freut. Denn wenn es schon keine Wahlfreiheit gibt, darf man die Kommunen nicht auch noch mit den Kosten im Regen stehen lassen. Wir hoffen sehr, dass man hier wirklich zeitnah zu tragfähigen Lösungen kommt. Und mit Blick auf die noch etwas zögerlichen Zusagen der Koalition kann ich nur sagen, dass wir hier vor allem im Sinne der betroffenen Schülerinnen und Schüler sehr genau hinschauen werden.

Unabhängig davon, wann und wie man diese wichtige Einzelfrage klärt, befürchte ich, dass ein flächendeckendes Abitur nach 9 Jahren grundsätzlich zu finanziellen Engpässen in anderen Bereichen führt. Keine 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler im Land besuchen ein Gymnasium. Mit der Zwangsumwandlung zu G9 werden im Gymnasialbereich aber im hohen Maße Ressourcen gebunden. Ressourcen, die an anderen Schulen und für andere Aufgaben fehlen. Für den SSW ist und bleibt es aber wichtig, dass alle Schularten und damit alle Kinder gute Rahmenbedingungen bekommen. Wir hoffen, dass zumindest zukünftig alle Bereiche von der guten Einnahmesituation des Landes profitieren werden. 

Allen ist bekannt, dass wir auch ohne diese strukturelle Änderung mehr als genug Herausforderungen zu bewältigen haben. Der Rechnungshof hat zum Beispiel gerade erst bestätigt, was beim Thema Inklusion noch fehlt. Und wenn wir ehrlich sind, dann ist es ja längst nicht mit den 1.500 in Rede stehenden Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen getan. Auch unsere Schulen mit besonderen Herausforderungen brauchen stärkere Unterstützung. Und mit den Stichworten Ganztag, Lehrerbesoldung oder Lehrkräftemangel sind noch nicht mal alle weiteren Baustellen angesprochen. Wenn alle Kinder zu ihrem Recht auf gute Bildung kommen sollen, gibt es noch reichlich zu tun.

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