Rede · 23.01.2002 Bekämpfung von Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit

Wenn man noch einmal Revue passieren lässt, wie viel und intensiv das Thema Rechts­extremismus uns im Herbst 2000 beschäftigt hat, dann fällt es schwer zu verstehen, wie wenig dieses Problem heute in unserem Alltag füllt. Es scheint, als würden die Trümmer des 11. September völlig den Blick auf dieses ehemalige innenpolitische Thema Nummer eins verstellen.

Aber auch wenn wir es leicht vergessen mögen: Der gegenwärtige größte Feind der Demokratie lebt unter uns. Der Rechtsextremismus hat für die Politik der inneren Sicherheit mindestens genau so viel - wenn nicht sogar mehr - Bedeutung wie die Bedrohung durch Islamisten. Rechtsradikale schlagen in Deutschland immer noch öfter zu als islamistische Terroristen. Deshalb ist es begrüßenswert, dass dieses Thema wieder auf unsere Tagesordnung gesetzt worden ist, und dafür schulden wir den Antrag­stellern Dank.

Auch der SSW sieht selbstverständlich immer noch in der Bekämpfung des Rechts­extre­mismus eine wichtige Aufgabe, wie es der Bericht formuliert. Und auch wir begrüßen die Maßnahmen, die die Landes­regierung zur Bewältigung der Probleme eingeleitet hat.

Allerdings sind wir auch der Überzeugung, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen. Im Vergleich mit der Problemati­sierung des Themas, die wir vor nur andert­halb Jahren erlebt haben, ist das Ergebnis bis heute ernüchternd.

Auch der vorliegende Antrag wird dem Problemkomplex Rechtsextremismus und Frem­den­­feindlichkeit nicht gerecht. Es wäre fatal, wenn die Bekämpfung von Rechts­extre­mismus und Ausländerfeindlichkeit maßgeblich auf die Frage einer Erziehung von Kindern und Jugend­lichen zur Gewaltfreiheit reduziert würde. Die nachwachsenden Generationen sind ohne Zweifel ein zentraler Bereich, wenn es um die Festigung von Demokratie und Toleranz geht. Die Ver­engung des Blicks auf Schule und Jugendhilfe trägt nicht aber auch nur annähernd der Komplexität der Phänomene Rechts­extremismus und Ausländerfeindlichkeit Rechnung.

Vor allem wird dabei ausgeblendet, dass das rechtsradikale Gift schon längst in die Mitte unserer Gesellschaft gesickert ist. Deshalb reicht es nicht aus, die Kinder für eine bessere Welt zu erziehen. Wir müssen auch gemeinsam auf politischer und gesellschaftlicher Ebene mit der Agitation der rechten Brandstifter ins Gericht gehen.

Gerade in dieser Beziehung haben wir Hoffnungen in das von der Ministerpräsidentin gegründete „Gesellschaftliche Bündnis gegen Rechtsextremismus“ gesetzt, die bisher aber enttäuscht worden sind. Wurde bei der Konstituierung dieser Runde noch live im Fernsehen berichtet, so ist mir bis heute kein einziges konkretes Ergebnis dieser Aktion aufgefallen. – Mit anderen Worten: es reicht einfach nicht aus, gute Ideen gegen Rechts zu sammeln und sie wie Briefmarken in ein Album zu kleben. Es muss dann auch gemeinsames Handeln folgen. Wir brauchen keinen Veranstaltungs­kalender auf hohem Niveau, sondern konzertiertes Handeln gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Wir brauchen Maßnahmen, die breite Teile der Bevölkerung mit einschließen. Das mögen manche der am Bündnis teilnehmenden Organisationen und Gruppen innerhalb ihres Bereichs auch realisiert haben. Das große gesellschaftliche Bündnis ist aber bisher nur theoretisch gelungen.


Das ist umso bedauerlicher, weil eine gewisse überparteiliche Einigkeit in zentralen Fragen auch ein Aspekt der Rechtsextremismus-Vorbeugung ist. Wir müssen bewei­sen, dass wir in der Lage sind gemeinsam zu handeln, wenn es drauf ankommt. Ansonsten füttern wir nur die Rechten mit ihren einfachen Lösungen an. Es reicht eben doch nicht aus, dass sich eine Mehrheit des Bundestages zu einem NPD-Verbotsantrag durchringt.


Wir haben im Herbst 2000 wieder die Gemeinschaft der Demokraten beschworen. Ich würde mir wünschen, dass diese auch im politischen Tagesgeschäft nicht nur für das Wort am Sonntag aufgehoben wird. Zur Vorbeugung von Extremismus und Fremdenfeindlichkeit gehört zum Beispiel auch, dass man nicht das dringend notwen­dige Zuwanderungsgesetz mutwillig an die Wand fährt, weil die Bundes­tags­wahl bevorsteht.

Was passiert, wenn politische Parteien die Konfrontation mit rechtem und fremdenfeindlichem Gedankengut scheuen und andererseits auch noch der Versuchung erliegen, das rechte Spektrum durch markige Aussagen im Ausländer­bereich belegen zu wollen – das wurde uns in Schleswig-Holstein mit der Landtagswahl 1992 eindrucksvoll vor Augen geführt. Solche Erfahrungen steigern nicht die Glaubwürdigkeit der Politik.

Ich möchte also davor warnen zu glauben, man könne durch law and order oder „Populismus light“ einen Blumentopf oder gar eine Wahl gewinnen. Die jüngste Folketing-Wahl in Dänemark hat eindrucksvoll demonstriert, dass eine solche Strate­gie zum Scheitern verurteilt ist. Das Anbiedern der großen Volksparteien an ausländerfeindliches Gedankengut, das Reden von unumgänglichen Verschär­fungen des Ausländerrechts haben zwar dazu beigetragen, dass die Bevölkerung das Thema ganz oben auf der Prioritätenliste ansiedelte. Das Ergebnis war aber, dass sie lieber gleich das rechtspopulistische Original wählte – und das obwohl Dänemark schon eine blühende Landschaft ohne Millionen von Arbeitslosen ist. Wenn ich jetzt sehe, was der Bundesinnenminister unternimmt um Herrn Schill überflüssig zu machen, dann kann ich nur sagen: Auch um eigene Fehler zu vermeiden, ist es erlaubt, einen Blick über den berühmten Tellerrand zu wagen.

Ich hoffe sehr, dass der Kanzlerkandidat der Union es ernst gemeint hat, als er erklärte, das Thema Einwanderung werde kein zentrales Wahlkampfthema. Aber unter allen Umstän­den werden in den kommenden Monaten die Konfrontation und die Abgrenzung mehr im Vordergrund stehen als die Gemeinschaft der Demokraten. Das sind keine beson­ders guten Bedin­gungen für unser Anliegen eines breiten Bündnisses. Ich hoffe aber, dass die Landes­regierung die Zeit nutzt, um Vorbereitungen zu treffen - damit wir zumindest nach der Bundestagswahl endlich wieder gemeinsam die Kraft finden, uns mit dem extremen und fremdenfeindlichen Gedankengut in unserer Gesellschaft offensiv und offen auseinander zu setzen.

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