Rede · 19.06.2008 Bericht zur Entwicklung rechtsextremistisch motivierter Straftaten in 2008 und zur Finanzierung von rechtsextremistischen Vereinen, Stiftungen und Organisationen


Nazis, Schläger und rechte Hassparolen sind leider eine nicht ausrottbare Erscheinung. Doch die NPD findet keineswegs den großen Widerhall in der Bevölkerung, wie sie der Öffentlichkeit gegenüber weismachen möchte. Seit der Kommunalwahl ist die NPD im Herzogtum Lauenburg mit Kay Oelke und in Kiel durch Hermann Guttsche vertreten. Beide haben bereits kurz nach der Wahl mit wüsten Beschimpfungen der so genannten Block- und Altparteien versucht, auf sich aufmerksam zu machen. Doch den Demokraten rate ich zur Gelassenheit. Wir sollten diesen Schreihälsen keinen Raum geben.

Wenn immer noch einige Fernsehteams glauben, sie müssten über jede Nazifahne berichten, finde ich das sehr bedauerlich. Eine Ansammlung von sieben Nazis, wie jüngst vor dem Kieler Rathaus, kann wohl kaum als ernstzunehmende Demonstration durchgehen. Sie ist eine Provokation, mit der man unaufgeregt umgehen sollte. Die rechten Trupps inszenieren sich gerne als Volksmasse; ihnen gelingt aber nicht, in Schleswig-Holstein flächendeckend in Erscheinung zu treten, weil ihnen die Mitglieder und Unterstützer fehlen. Trotzdem gibt es keinen Grund zur Entwarnung oder Verniedlichung.

In vielen Kreisen gehen die rechtsextremistisch motivierten Delikte zurück, so im Herzogtum Lauenburg, in Plön, Pinneberg und Rendsburg-Eckernförde. Andererseits verdoppelte sich die Zahl in Flensburg. Ich bin davon überzeugt, dass sich das uneinheitliche Lagebild, das der Innenminister uns zeigt, mit unterschiedlichen lokalen Strukturen zusammenhängen: es gibt im Land einige braune Zirkel, die trotz begrenzter Ressourcen kraftvoll in Erscheinung zu treten wissen. In anderen Landstrichen gibt es lebendige Projekte, die jedem rechtsradikalen Gedankengut den Boden entziehen.
Der SSW möchte den Innenminister ausdrücklich dafür loben, dass er das Parlament nicht mit Patentrezepten abspeist, sondern offen zugibt, dass er die Gründe für das uneinheitliche Lagebild nicht kennt.

Menschenverachtendes Gedankengut, die Verherrlichung des Krieges und die Leugnung des Völkermordes sind keine Bagatellvergehen. Die Polizei in unserem Land verfolgt diese Delikte und ist damit Teil einer starken demokratischen Bewegung. Null Toleranz gegenüber Hakenkreuzen und SS-Runen ist die richtige Strategie. Volksverhetzung und das Verwenden verfassungswidriger Symbole machen denn auch das Gros der Delikte aus.
Schlimmer als diese Symbole sind allerdings die Parolen, die drohen, in die Köpfe zu sickern. Die NPD versucht immer wieder, die demokratischen Organe zu diskreditieren und die Politiker als korrupt zu diffamieren. Das Gerede vom Parlament als „Quasselbude“ war einer der Argumenten der NSDAP, die ihr vor 75 Jahren die Wähler zutrieb. Darum warne ich alle demokratischen Politiker eindringlich davor, in die gleiche Kerbe zu schlagen. Wahlverlierer, die gleich mit der Demokratie hadern, weil die Bürger gegen sie stimmten, geben nach meinem Dafürhalten ein Signal das sich instrumentalisieren lässt. Aber auch Wahlkämpfer, die ihre Gegner pauschal als faul und käuflich verunglimpfen, nähren eine politikfeindliche Haltung, die in die Ablehnung der Demokratie münden kann.

Die Geschichte führt uns die schlimmen Konsequenzen dieses Verhaltens vor Augen: die Weimarer Republik ging nicht an Mangel von Demokratie zugrunde, sondern weil ihr die Demokraten fehlten. In Verwaltung und Reichswehr galt die demokratische Verfassung als schwach. Die Führungskräfte wollten eine Befehle- und Gehorsamskette statt offener Diskussionen – und bereiteten damit den Boden für die NSDAP.

Darum ist eine Demokratie, die immer wieder neu erlebt und erstritten wird, der beste Garant dafür, dass der Rechtsextremismus eine Randerscheinung bleibt. Lebendige Demokratie lebt von Beteiligungsrechten. Dass die Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, dass sie auf kommunaler Ebene kaum etwas bewegen können, belegt die niedrige Wahlbeteiligung.
Demokratie ist mit anderen Worten keine Sache von Showveranstaltungen oder Feiertagen, sondern die Gestaltung der Gesellschaft durch alle. Je attraktiver die Beteiligungsmöglichkeiten, desto weniger Chancen haben rechtsextreme Gruppierungen.

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