Rede · 12.05.2023 Die Lockerung der Grenzkontrollen ist ein Etappensieg

„Wenn wir es endlich hinbekommen, eine faire und verpflichtende Verteilung von Verantwortung und Zuständigkeit zwischen den EU-Staaten bei der Aufnahme von Schutzsuchenden zu vereinbaren und die eigentlichen Werte der EU an den EU-Außengrenzen nicht länger mit Füßen getreten werden, dann müssen wir gar nicht mehr über Binnengrenzkontrollen diskutieren!“

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 26 - Überarbeitung der Schengen-Regelungen: EU-Binnengrenzkontrollen weitestgehend einschränken (Drs. 20/942)

Am 14. Juni 1985 wurde das erste Schengener Abkommen unterschrieben. Damals nur von Deutschland, Frankreich, Belgien, der Niederlande und Luxemburg. 
Zu den damals beschlossenen Maßnahmen zählten unter anderem die Abschaffung systematischer Grenzkontrollen und, gerade für uns als dänische Minderheit sehr wichtig, die Erleichterung des Grenzverkehrs für die im Grenzland lebenden Menschen. 
Dieses Abkommen liegt 38 Jahre zurück. Heute, im Jahr 2023, diskutieren wir wieder darüber zu dem damals beschlossenen Zustand zurückzukehren. Das macht mich traurig. 

Dass Dänemark seit 2016 permanent die Grenze kontrolliert, belastet besonders. Jahrelang hat der SSW sich für die Abschaffung der Grenzkontrollen eingesetzt. Wir haben als Brückenbauer zwischen Betroffenen nördlich und südlich der Grenze und der Politik agiert. 
Deshalb freue ich mich darüber, dass die dänische Regierung eine Lockerung der Grenzkontrollen angekündigt hat. Das ist ein Etappensieg auf dem Weg zur alten Normalität im Grenzland. 
Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass nicht nur Dänemark Grenzkontrollen durchführt. 
Gerade letzten Monat hat die Bundesinnenministerin die Verlängerung der Grenzkontrollen zu Österreich beantragt. Mit der Begründung der illegalen Migration. 
Auch Frankreich hat Grenzübergänge zu Spanien geschlossen. Auch hier ist die Begründung die illegale Migration stoppen zu wollen. 

An allen Standorten beschweren sich die Bewohner und Bewohnerinnen über die Kontrollen. Es erschwert ihr leben. Berufspendler und Pendlerinnen stehen im Stau oder müssen Umwege fahren. Und auch die symbolische Bedeutung einer Grenzkontrolle ist nicht zu unterschätzen. 
Eine Studie im Auftrag des EU-Parlaments hat ergeben, dass eine zweijährige Aussetzung der Grenzkontrollen im Schengenraum 51 Milliarden Euro Verlust für die europäische Wirtschaft bedeuten könnte. Dauerhafte Kontrollen würden das BIP der EU um 0,14 Prozent senken. 

Grenzkontrollen haben also nicht nur einen symbolischen und sozialen Charakter, sie schaden der nationalen und der europäischen Wirtschaft! 
Aber was sagt uns diese Entwicklung? Die im Antrag genannten Punkte sind richtig, das eigentliche Problem wird aber nicht genannt. Die Problematik an den EU-Außengrenzen. 
Die Staaten der Europäischen Union versuchen mit Binnengrenzkontrollen das Symptom zu bekämpfen. Das Symptom einer fehlenden Lösung für die Problematik an den EU-Außengrenzen. 
Das liegt auch daran, dass die Migration in die EU immer noch als „Krise“ und vorübergehende Situation aufgefasst wird. Von dem Gedanken müssen wir uns jedoch verabschieden. Besonders mit Blick auf den Klimawandel und dessen Auswirkungen auf manche Regionen dieser Welt, werden langfristig noch mehr Menschen Schutz in der EU suchen. 
Binnengrenzkontrollen und Alleingänge mancher Staaten sind hier fehl am Platz. Wir brauchen endlich eine gemeinsame solidarische, humane und effektive Lösung, um die Migration in die EU zu organisieren! 

In diesem Zusammenhang verweise ich gerne auf unseren Antrag im Januar zum Thema EU-Außengrenzen und einer gemeinsamen europäischen Asyl- und Migrationspolitik. 
Wenn wir es endlich hinbekommen, eine faire und verpflichtende Verteilung von Verantwortung und Zuständigkeit zwischen den EU-Staaten bei der Aufnahme von Schutzsuchenden zu vereinbaren und die eigentlichen Werte der EU an den EU-Außengrenzen nicht länger mit Füßen getreten werden, dann müssen wir gar nicht mehr über Binnengrenzkontrollen diskutieren! 
Das wird in diesem Antrag leider nicht erwähnt. Trotzdem sind die genannten Punkte zumindest aktuell richtig und wichtig, um EU-Binnengrenzkontrollen zu verhindern. 
Sie sind aber nur eine Symptombekämpfung. Das eigentliche Ziel muss sein, dem Leiden an den EU-Außengrenzen ein Ende zu setzen! 

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