Rede · 14.07.2023 Menschen sind keine reine Ressource - Soziale Aspekte mitdenken

„Wenn wir heute über Weiterbildung sprechen, dann müssen Menschen, die zu uns geflohen sind, auch Teil dieser Debatte sein. Ich habe nie ganz verstanden, warum Deutschland in Südamerika und Asien Fachkräfte anwerben möchte, wenn wir es noch nicht einmal schaffen, den Menschen hier vor Ort eine berufliche Perspektive zu bieten und sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren.“

Sybilla Nitsch zu TOP 21+51 - Weiterbildungsstrategie umfassend anlegen sowie Europäisches Jahr der Kompetenzen (Drs. 20/1152 + Drs. 20/1135)

Weiterbildung ist ein Thema, das immer mehr an Bedeutung gewinnt. Das ist kein Wunder in Zeiten eines Fachkräftemangels, der sich auch die nächsten Jahre noch verschärfen wird. Es besteht Handlungsbedarf. 
Auch deshalb hat die EU-Kommission beschlossen, 2023 zum „Jahr der Kompetenzen“ zu machen. Denn Demografie, Digitalisierung, die klimapolitische Transformation, Ausbildungslücken und die Dynamik des heutigen Arbeitsmarktes sind eine Herausforderung für viele Länder. 
Ein Lösungsansatz kann die Weiterbildung sein. 
Es gibt Perspektiven und verschiedene Ansätze. Zum einen die konkrete Weiterbildung von Menschen, die bereits erwerbstätig sind.
Lebenslanges Lernen bedeutet sich der Dynamik des Arbeitsmarktes anzupassen und neue Aufgaben meistern zu können. Fachkräfte können ihr Wissen erweitern und in unserer Region und bei den Unternehmen bleiben. 
Es geht auch darum Menschen zu erreichen, die nicht erwerbstätig sind, und das noch nicht genutzte Potential zu erkennen. 
Nicht nur, um unseren Wohlstand zu sichern, sondern auch, um Menschen Perspektiven aufzuzeigen.
Denn auch wenn das Wirtschaftsministerium federführend für die Weiterbildungsstrategie zuständig ist, sehe ich die Menschen, um die es hier geht nicht als Ressource oder Größe. Es ist wichtig, Weiterbildung wirtschaftlich, aber auch sozial zu denken. 
Der vorliegende Antrag zeigt, dass wir es hier mit einem übergreifenden Thema zu tun haben, bei dem die reine Wirtschaftlichkeit eben nicht allein im Vordergrund stehen kann. 
Genau das zeigen auch die Schwerpunkte der EU in Bezug auf das Jahr der Kompetenzen.
Das muss berücksichtigt werden, so dass die Bedürfnisse der Zielgruppen ermittelt werden und Strategien der Weiterbildung auf diese angepasst werden müssen. Eine alleinerziehende Mutter hat natürlich andere Bedürfnisse als ein Rentner oder ein Mann, der aus seinem Heimatland geflüchtet ist. 
Das Ziel ist jedoch das gleiche:
Wir müssend dafür sorgen, dass mehr Menschen in Ausbildungsberufe kommen und Weiterbildungsangebote wahrnehmen können!
Da spielen Jugendberufsagenturen auch eine relevante Rolle, weshalb ich die Fach- und Vernetzungstag der Jugendberufsagenturen im September sehr gut und richtig finde. 
Genauso muss die duale Ausbildung weiter ausgebaut werden. Nach wie vor gibt es zu wenige Möglichkeiten für Schüler und Schülerinnen in die Praxis reinzuschnuppern. Der Vorschlag des SSW eine landesweite Online-Praktikumsbörse zu schaffen, setzt auch hier an. So können Menschen Praxiserfahrung in Ausbildungsberufen sammeln und einen Einblick in den Beruf bekommen. 
Wenn wir heute über Weiterbildung sprechen, dann müssen Menschen, die zu uns geflohen sind, auch Teil dieser Debatte sein. Ich habe nie ganz verstanden, warum Deutschland in Südamerika und Asien Fachkräfte anwerben möchte, wenn wir es noch nicht einmal schaffen, den Menschen hier vor Ort eine berufliche Perspektive zu bieten und sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Wenn Menschen zu uns kommen, dann müssen ihre Qualifikationen und Fähigkeiten registriert werden. 
Wir müssen Angebote schaffen, um ihnen den Übergang in einen „fremden“ Arbeitsmarkt so gut wie möglich zu erleichtern. Und dazu gehören natürlich auch Sprachkurse und Möglichkeiten der Weiterbildung. Wir hindern heute Menschen, die schon hier sind, daran zu arbeiten, aber werben im Ausland um Fachkräfte – wir müssen doch erst einmal das Potenzial der Menschen hier vor Ort nutzen! Aber wenn Menschen aus dem Ausland kommen, um hier zu arbeiten, dann müssen wir auch eine ganzheitliche Betreuung schaffen. 
Damit komme ich wieder darauf zurück, dass Menschen eben nicht nur Arbeitskraft und Ressource sind. Wir müssen ihnen auch kulturelle Exkursionen bieten und daran arbeiten, dass sie Teil der Lokalgesellschaft werden. In Dänemark wird das schon so gemacht mit dem Ziel einer vollumfänglichen Integration in den Arbeitsmarkt, aber genauso auch in die Gesellschaft. 
Dass die Koalition in diesem Bereich viel in Richtung „eventuell“, „mal schauen“ und „wir prüfen“ geht ist schade. Wir müssen Schleswig-Holstein, seinen derzeitigen Bürger und Bürgerinnen und Menschen, die neu zu uns kommen, die Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung geben. Mit dem Bewusstsein, dass Menschen keine reine Ressource sind, sondern auch soziale Bedürfnisse haben, die genauso erfüllt werden müssen. 

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