Rede · 25.01.2023 Straßenbaubeiträge können Existenzen zerstören

„Die finanzielle Lage der Bürgerinnen und Bürger hängt in Schleswig-Holstein davon ab, wo sie wohnen. Es wäre angemessen gewesen, hier wirklich noch einmal Betroffene zu Wort kommen zu lassen.“

Lars Harms zu TOP 2 - Gesetzentwurf zur Abschaffung von Straßenbaubeiträgen (Drs. 20/21 (neu))

Ich möchte dieser Debatte wirklich noch einmal mein Bedauern voranstellen, dass sich die regierungstragenden Fraktionen dagegen entschieden haben, eine mündliche Anhörung zuzulassen. Ich halte das für einen großen Fehler. Denn es wäre angemessen gewesen, hier wirklich noch einmal Betroffene zu Wort kommen zu lassen. Auch damit die Abgeordneten, die neu in diesem Parlament sitzen, wirklich verstehen, dass es hier nicht nur um gleiche Regeln geht oder ein Empfinden von Gerechtigkeit und das Auflösen von Ungleichbehandlung, sondern wirklich um sehr eindrückliche Fälle. Diese Menschen hätten es verdient, Ihnen zu schildern, was Straßenbaubeiträge für ihr Leben bedeuten. 
Es geht im Kern darum, welche Auswirkungen politische Beschlüsse in der Wirklichkeit haben. 

In der vergangenen Wahlperiode hat das Land es den Kommunen ermöglicht, auf Ausbaubeiträge zu verzichten und die Pflicht zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen abgeschafft. Gleichzeitig hat das Land den Kommunen Finanzmittel zugestanden, damit sie diese Beiträge nicht mehr erheben müssen. 
Und trotzdem werden weiter Straßenbaubeiträge erhoben. Zusätzlich gibt es rechtliche Bedenken, ich verweise da nur einmal auf die Stellungnahme der Stadt Husum, in der mehrere kritische Anmerkungen mitgeteilt werden. 
Wir sehen doch, was passiert: Da, wo Straßenausbaubeiträge anfallen, kommt es – verständlicherweise – immer wieder zu großem Streit. 

Diese vermeintlichen Einzelfälle stehen aber nicht nur für sich allein. Denn sie summieren sich und werden zu Aufzählungen von Schicksalen, die so doch ein typisches Bild bei der Anwendung des Straßenbaurechts zeichnen. 
Alleine aus der Presseberichtserstattung haben Sie mitbekommen können, dass ein Landwirt aus Lütjenburg im Kreis Plön qua Gerichtsurteil rund 187.000 Euro für den Ausbau einer Straße, die an sein Grundstück grenzt, zahlen muss. Einhundert-siebenundachtzig-TAUSEND Euro. 

Die Bürgerinteressengemeinschaft gegen Straßenausbaubeiträge hatte in der schriftlichen Anhörung weitere Fälle gelistet, die man sich wirklich einmal zu Gemüte führen muss.
Ich möchte ein Schicksal einmal wörtlich zitieren: „Zu dem allgemeinen Kummer kommen nun seit dem Krieg in der Ukraine die Inflation und nun noch die Angst vor dem Winter mit den hohen, extrem gestiegenen Strom- und Gaskosten. Ich weiß nicht, wie ich mit diesen hohen Kosten die über die nächsten Monate kommen (…) soll.“ 

Oder die Stellungnahme der Interessengemeinschaft bei den Tannen. 
Die IG „Bei den Tannen“ setzt sich seit 2017 FÜR die Sanierung, bzw. Instandsetzung der Straße „Bei den Tannen“ im Ortsteil Willinghusen der Gemeinde Barsbüttel ein. Einige von Ihnen werden die Situation vor Ort kennen: Durch den Brückenneubau über die A24 wurde die Kreisstraße 109 gesperrt und die eben genannte Verbindung entwickelte sich zu einer beliebten Abkürzung für den Fahrzeugverkehr. Die Belastung der Straße wuchs drastisch von ca. 100 Fahrzeugen auf 1700 Fahrzeuge pro Tag und der Zustand der Straße verschlechterte sich dementsprechend. 
Angestoßen durch die Initiative „Bei den Tannen“ beschloss die Gemeindevertretung, dass die Straße saniert werden soll. Allerdings, da es sich um eine Sanierung der Straße auf Wunsch der Anlieger handele, mit einer Beteiligung von 70% an den tatsächlichen Sanierungskosten seitens der Anwohnerinnen und Anwohner. Die Kostenschätzung für die Sanierung der Straße sieht zwischen 8.000,- und 30.000,- Euro für die einzelnen Eigentümer vor. 
Meine Damen und Herren, das ist doch wirklich ein Treppenwitz! 

Ich hätte gerne gesehen, ob Ihre Entscheidung die gleiche geblieben wäre, hätten vor Ihnen Betroffene dieser Situationen gesessen und geschildert, was diese Ungerechtigkeiten für sie bedeuten.
Mit dem Beschluss dieser Koalition bleibt eines unumstritten: die finanzielle Lage der Bürgerinnen und Bürger hängt in Schleswig-Holstein davon ab, wo sie wohnen. Die einen müssen zigtausend Euro berappen und werden so teilweise in prekäre Lagen gebracht, die anderen bleiben davon verschont. 

Wir brüsten uns regelmäßig damit, dass in Schleswig-Holstein die glücklichsten Menschen wohnen. Ich glaube, die glücklichsten Menschen leben da, wo keine Straßenausbaubeiträge erhoben werden. Wo keine finanzielle Härte aufgrund von kommunalen Verkehrsentscheidungen drohen. Wo eine Landesregierung ihre Bürgerinnen und Bürger auffängt und eine gesetzliche Grundlage schafft, damit niemand sich in dieser Situation solch existenzielle Sorgen machen muss. 

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