Rede · 21.09.2023 Wir wollen eine flexible sozial- und generationengerechte Finanzpolitik

„Wenn mit riesigen kreditfinanzierten Sondervermögen Schulden massiv aufgebaut werden, werden radikale Kürzungs- und Sparmaßnahmen im Kernhaushalt unausweichlich – und zwar vornehmlich bei der Kulturförderung, bei der Sportförderung und im Sozialbereich. Dies lehnen wir entschieden ab und werben stattdessen für eine verantwortungsvolle, vorausschauende und sozial- und generationengerechte Finanzpolitik.“

Lars Harms zu TOP 24 - Die Schuldenbremse: Ein Garant für solide Landesfinanzen; Solide Finanz- und Haushaltspolitik mit der Schuldenbremse (Drs. 20/1358; 20/1417)

Die Schuldenbremse ist und bleibt eine richtige und wichtige verfassungsrechtliche Regelung, die für ein Haushaltsverständnis von Generationengerechtigkeit steht. Keine Frage: Auch der SSW steht nach wie vor zur Schuldenbremse. Dabei entbehrt es nicht der Ironie, dass sie ja gleich in ihrem ersten geplanten Geltungsjahr ausgesetzt werden musste. Dennoch müssen wir natürlich stets die gesamten Landesfinanzen im Blick behalten und eine verantwortungsvolle, vorausschauende und sozial- und generationengerechte Finanzpolitik betreiben.

Was in den Anträgen nun auffällt, ist, dass sie in ihren Formulierungen nicht sauber zwischen den verschiedenen „Schuldenbremsen“ differenzieren. Die Schuldenbremse, wie sie im Grundgesetz verankert ist, unterscheidet sich in ihrer Form nämlich leicht von der Schuldenbremse, wie wir sie in unserer Landesverfassung formuliert haben: So gilt zwar für beide Schuldenbremsen die Anforderung, dass die Kernhaushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Auf Bundesebene gibt es jedoch einen gewissen Spielraum: Die strukturelle Neuverschuldung des Bundes darf seit 2016 bis zu 0,35 Prozent des nominellen Bruttoinlandsproduktes (BIP) betragen. Auch gemäß der inzwischen wohl allseits bekannten „Ausnahmeregelungen für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen“, gilt diese maximale Verschuldungsquote – in Kombination mit einem konkreten Tilgungsplan. Auf Länderebene gilt hingegen eine deutlich strengere Schuldenbremsenregelung: Seit 2020 dürfen die Länder keine konjunkturunabhängigen Schulden mehr machen. Ein Abweichen von den strengen Vorgaben ist nur im Falle von besagten außergewöhnlichen Entwicklungen und Notsituationen erlaubt. Als Besonderheit gilt hier bei uns in Schleswig-Holstein ja zudem noch das Erfordernis einer 2/3-Mehrheit, um trotz der Schuldenbremse Notkredite aufnehmen zu können. Eine Regelung, für die sich der SSW damals eingesetzt hat und die ihre Sinnhaftigkeit in den letzten Jahren ja zur Genüge bewiesen hat. Denn das führt in solchen Situationen regelmäßig zu Mehrheiten, die über die jeweils regierende Koalition hinausgegangen ist. Notkredite sind somit unabhängig von Wahlperioden breit getragen worden. Das gibt Sicherheit und ist ein Wert an sich.

Angesichts der Diskussionen rund um die Corona- und Ukraine-Notkredite haben wir vom SSW ja immer betont, dass wir sowohl für die schnelle Hilfe in der Not als auch für die möglichst rasche Rückkehr zur Haushaltskonsolidierung stehen. Entsprechend bekennen wir uns wie gesagt ausdrücklich zur Schuldenbremse als solche, stehen konkreten Vorschlägen für eine Reformierung aber grundsätzlich auch offen gegenüber. Damit sind nun nicht ausufernde „Sondervermögen“ und Vorratskredite für ideologische Wahlprogramme gemeint – hier würden ja alleine die Zinsen innerhalb der nächsten Jahre jeglichen potenziellen Investitionsmehrwert wieder auffressen. Nein, wir sollten nun vielmehr konkret analysieren, ob die Schuldenbremse in der aktuellen Fassung noch sinnvoll ist oder ob wir nicht gegebenenfalls nachjustieren sollten, sprich: „Abschwächung“ nein, aber beispielsweise eine Reformierung unserer sehr strengen Landes-Schuldenbremse im abgesteckten Rahmen zwischen der Landes- und der Bundes-Schuldenbremse. Auch weitere Ideen gibt es ja inzwischen reichlich – so finden wir beispielsweise die Erweiterung um eine „Investitionsregel“ zumindest überlegenswert. Eine solche könnte helfen, den Sanierungsstau bei essentiellen Aufgaben, z.B. im Krankenhausbereich, effektiv und kontinuierlich abzubauen.
Der Alternativantrag von Schwarz-Grün notiert hingegen lediglich, dass eine gesetzliche Regelung eingehalten werden sollte, weil sie nun mal derzeit so niedergeschrieben steht – ach was! Wobei Sie dies in der Praxis ja gerade noch nicht einmal tun! Der Antrag ist also als Symbolantrag zu werten.

Tatsache ist, dass uns in den nächsten Jahrzehnten noch so einige finanzielle Herausforderungen bevorstehen, für die wir nun rechtzeitig Lösungen finden müssen. In wenigen Jahren wird sich schon allein die Zinsentwicklung massiv auf unseren Landes-Kernhaushalt auswirken und unseren Gestaltungsspielraum einzuengen beginnen. Wenn dann mit riesigen kreditfinanzierten Sondervermögen Schulden, wie in der Vergangenheit, massiv aufgebaut werden, werden radikale Kürzungs- und Sparmaßnahmen im Kernhaushalt unausweichlich – und zwar vornehmlich bei den sogenannten „freiwilligen Leistungen“, sprich bei der Kulturförderung, bei der Sportförderung und im Sozialbereich. Dies lehnen wir entschieden ab und werben stattdessen für eine verantwortungsvolle, vorausschauende und sozial- und generationengerechte Finanzpolitik, die flexibel genug ist, sich aktuellen Entwicklungen anzupassen. Und dazu kann gegebenenfalls auch eine maß- und sinnvolle Reformierung der Schuldenbremse(n) beitragen. Keinesfalls aber dürfen wir in die Schuldenpolitik vergangener Jahrzehnte zurück. Das sind wir den kommenden Generationen schuldig!

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