Rede · 13.11.2003 Zukunft der Energiewirtschaft

Vorweg kann ich sagen, dass wir die Forderungen des rot-günen Antrages natürlich unterstützen können, auch wenn ein wichtiger Halbsatz fehlt. Nach den Worten „Die Landesregierung wird aufgefordert,“ müsste eigentlich der Halbsatz „entgegen den Intentionen von Teilen der Bundesregierung“ eingeschoben werden. Was auf Bundesebene ständig wieder diskutiert wird, ist mehr als eine Rolle rückwärts. Es ist ein Zurück in die energiepolitische Steinzeit.
Mit unserem seinerzeitigen Antrag zum Erneuerbare-Energien-Gesetz haben wir uns schon frühzeitig dafür eingesetzt, dass die Förderung von erneuerbaren Energien erhalten bleibt und dass die betroffenen Wirtschaftszweige auch Planungssicherheit erhalten. Gerade wir in Schleswig-Holstein profitieren von der Entwicklung der erneuerbaren Energien. Wenn wir an die Produktion von Strom und Wärme aus Biogasanlagen und aus Windenergieanlagen denken, wissen wir, dass wir eine Führungsposition am Markt haben. Diese Führung wollen wir erhalten und ausbauen. Deshalb ist es notwendig, dass wir den betroffenen Wirtschaftszweigen langfristige Perspektiven bieten. Und deshalb war es auch seinerzeit notwendig, dass wir uns rechtzeitig als Landtag in die Diskussion um das EEG eingebracht haben und wir so unseren Einfluss geltend gemacht haben. Die wichtigsten Forderungen seinerzeit waren: die Konzentration der Förderung auf kleine dezentrale Biogasanlagen und der Erhalt der Windenergieförderung.

Umweltminister Trittin ist diesen Anregungen aus Schleswig-Holstein auch weitestgehend gefolgt, was zeigt, dass bis dahin eine zukunftsorientierte und nachhaltige Politik verfolgt werden sollte. Aber immer wieder spielt Bundeswirtschaftsminister Clement seine eigenen Spielchen. Am liebsten würde er die Förderung der erneuerbaren Energien zugunsten der umweltschädlichen Kohlesubventionen streichen. Das können wir so nicht akzeptieren. Minister Clement will die alte umweltschädliche Kohlesubvention aufrecht erhalten und zukunftsweisende Techniken abblocken. Das ist Politik, die gegen das Land Schleswig-Holstein und insbesondere gegen den Landesteil Schleswig gerichtet ist. Clement will dauerhafte Subventionen für sein Stammland und seine Wählerklientel und dabei andere, die zukunftsorientiert arbeiten, verhungern lassen. Gut, dass es anscheinend nicht so weit gekommen ist.

Gemäß der bisher vorliegenden EEG-Novelle sollen die Einspeisevergütungen für erneuerbare Energien langfristig sinken. Im Rahmen des auf Bundesebene nun zwischen den Ministern Trittin und Clement ausgehandelten Kompromisses wird nun die Laufzeit für die Einspeisevergütungen für erneuerbare Energien verkürzt werden. Dieser Kompromiss ist sicherlich noch erträglich für unsere heimische Wirtschaft und damit zu begrüßen, aber ich habe das Gefühl, wir müssen immer wieder wachsam sein, obwohl sich das EEG inzwischen wegen seiner Vorzüge schon zum europaweiten Exportschlager entwickelt hat. Die Vorteile dieses Gesetzes und der damit verbundenen neuen Energiepolitik sind frappierend.

Im Gegensatz zur Atomsubvention und zur Kohlesubvention, sind die Förderungen für die erneuerbaren Energien nicht als Dauersubventionen, die noch künftige Generationen belasten, angelegt. Die Förderungen dienen der Markteinführung der erneuerbaren Energien. So machen wir auch unsere Unternehmen fit für den globalen Wettbewerb. Unsere Windenergieunternehmen exportieren ihre Anlagen nach Südamerika und nach Asien sowie in das europäische Ausland. Eine Delegation des Wirtschaftsausschusses konnte sich gerade in Schottland davon überzeugen, dass man auch dort auf die erneuerbaren Energien setzt. Hier ergeben sich Märkte, die wir nicht schon, ohne dass wir überhaupt angetreten sind, aufgeben dürfen, nur weil manch einer Wählerstimmen in Nordrhein-Westfalen sichern will. Wer so handelt, handelt gegen die Interessen unserer Wirtschaft und vergibt Chancen für die Zukunft unseres Landes. Im Übrigen bin ich auch davon überzeugt, dass dies der Wähler in Schleswig-Holstein genauso sieht.

Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir den rot-grünen Antrag durchaus auch als kritischen Beitrag zur derzeitigen Bundespolitik sehen. Wir wollen die Einsparung von Energie und Strom. Wir wollen die Weiterentwicklung erneuerbarer Energien. Wir wollen den Einsatz von regionalen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen. Wir wollen die Stärkung des Windkraftstandortes Schleswig-Holstein. Und wir wollen, dass die schleswig-holsteinische Wirtschaft von der Entwicklung auf dem Energiesektor massiv profitiert.

Dass in den nächsten 20 bis 30 Jahren viele Kernkraftwerke geschlossen werden und somit gerade auch erneuerbare Energien neben anderen klassischen Energieträgern zum Einsatz kommen werden, wird erheblich dazu beitragen, dass Arbeitsplätze in der Region geschaffen werden. Und diese Arbeitsplätze sollen vor allem in Schleswig-Holstein geschaffen werden. Deswegen macht eine nachhaltige Energiestrategie der Landesregierung Sinn.

Gleichzeitig darf man natürlich nicht die Schwierigkeiten, die mit den erneuerbaren Energien zusammenhängen, aus den Augen verlieren. Die wachsende Kritik an Windkraftanlagen verdeutlicht, dass die Landesplanung sehr sensibel vorgehen muss. Deshalb muss die Landesregierung erkennen, dass die bestehenden Gebiete im Moment vollkommen ausreichen. Zurzeit wird weniger als die Hälfte der Energieleistung ausgeschöpft, die nach dem Stand der Technik auf den Windeignungsflächen möglich wäre. Es könnten noch etwa 500 Windkraftanlagen gebaut werden. Auch das „Repowering“, also das Aufrüsten von bestehenden Windrädern, und das Aufstellen von Offshore-Testanlagen lassen sich auf diesen Flächen durchführen. Ich sehe deshalb keine Veranlassung, neue Gebiete außerhalb der Eignungsräume auszuweisen oder besondere Genehmigungen für Testanlagen außerhalb dieser Räume zu erteilen. Schleswig-Holstein ist Spitzenreiter in Sachen Windenergie - und das soll so bleiben. Aber wir müssen zuerst die zur Verfügung stehenden räumlichen Kapazitäten voll ausschöpfen, bevor wir daran denken können, die Windkraftgebiete auszuweiten. Nur so sichern wir uns auch die Akzeptanz der Bevölkerung. Insofern können wir uns dem Punkt 1 des CDU-Antrages anschließen.

Was den Punkt 2 angeht, haben wir natürlich eine andere Haltung. Wir wollen die Anlagenzahl nicht reduzieren, sondern weiterhin in den Windeignungsflächen Windenergieanlagenbau zulassen. Die Eignungsräume sind nach objektiven Kriterien ermittelt worden und man hat seinerzeit festgelegt, dass man bereit wäre, in diesen Räumen Anlagen zuzulassen. Dies geschah auch seinerzeit schon vor dem Hintergrund der maximalen Ausnutzung der Flächen. Damals dachte man noch an leistungsschwächere Anlagen. Aber dass wir nun mit weniger Anlagen mehr Leistung erwirtschaften können, bedeutet ja nicht, dass wir in der Energiegewinnung stehen bleiben müssen, sondern dass wir mehr Möglichkeiten zur Weiterentwicklung haben. Wenn wir mehr Energie aus erneuerbaren Energiequellen bei gleichbleibendem Flächenverbrauch erwirtschaften können, so können wir mehr als zufrieden sein. Auf keinen Fall darf dies Anlass zu Rückschritten sein. Wir sollten uns neue Ziele setzen, wieviel Energie wir nun aus erneuerbaren Energien gewinnen können, anstatt eine Weiterentwicklung dieses Sektors zu blockieren.

Die Punkte 3 und 4 des Antrages der CDU beschäftigen sich mit der Höhe der Anlagen und mit Abstandsregelungen. Bisher sieht die Raumordnungsplanung eine Höhe von maximal 100 Metern vor. Der technische Fortschritt ist aber schon weiter. Jetzt dogmatisch an der 100-Meter-Grenze festzuhalten, ist aber nicht zielführend. Was jetzt notwendig ist, ist eine genaue Planung, in welchen Eignungsräumen höhere Anlagen möglich sein sollen. Dies muss sich wieder, wie bisher, an objektiven Kriterien orientieren. In dieser Frage ist man auch schon weiter, als es der Antrag suggeriert. Der diesbezügliche Erlassentwurf der Landesregierung sieht konkrete Bedingungen für höhere Anlagen vor und daher empfiehlt es sich, die Bestimmungen in diesem Erlass genau zu diskutieren. Gleiches gilt für die Abstandsregelungen zur Wohnbebauung. Auch hier gibt es Regelungsvorschläge im Erlassentwurf, die nicht immer auf die Freude der Windanlagenbauer treffen. Ich glaube, wenn man sich darauf einigen kann, dass man sich an derzeitige rechtliche Regelungen zum Immissionsschutz - zum Beispiel der TA Lärm - orientiert, wird man zu vernünftigen Lösungen kommen. Diese Lösungen werden automatisch dazu führen, dass weniger dieser großen Anlagen gebaut und die vielen kleinen Anlagen verschwinden werden. Gleichzeitig werden vernünftige Abstandsregelungen gelten. Die Regelungen, die gelten werden, werden aber umfangreicher sein, als man es in einigen Sätzen in einem Antrag formulieren könnte.

Wichtig ist, dass zukünftige Investoren nicht einer ausufernden Bürokratie ausgeliefert werden. Wenn sich die baurechtliche Genehmigung von Windkraftanlagen an immissionschutzrechtlichen Maßstäben zu orientieren hat, so kann dies im Baugenehmigungsverfahren geregelt werden. Ob dazu immer grundsätzlich ein aufwändiges Gutachten notwendig sein soll, wage ich zu bezweifeln. Wenn es schnell gehen soll, dann muss es auch ein schnelles Baugenehmigungsverfahren geben, wenn man alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Wäre dies nicht der Fall, wären Windkraftanlagenbauer und Investoren einer ausufernden Bürokratie ausgeliefert, die schon allein aufgrund der Tatsache, dass sie so schwerfällig ist, Entwicklungen im Keim ersticken würde. Dies wird von der CDU mit Recht in vielen Bereichen kritisiert und muss deshalb aber auch im Bereich der Windenergie gelten. Weniger Bürokratie und Regelungswut ist daher mehr.

Für uns als SSW ist es wichtig, dass wir den Schwerpunkt erneuerbare Energien in der schleswig-holsteinischen Landespolitik weiterentwickeln und vor allem die Chancen wahrnehmen, die sich uns bieten. Wir sind Vorreiter und Marktführer in diesem Bereich, der unserem Land sogar Chancen auf dem internationalen Markt bietet. Diese Möglichkeiten gilt es zu nutzen, denn die Entwicklung in diesem Wirtschaftszweig zeigt, dass hier auch enorme Potentiale für den Arbeitsmarkt stecken. Und diese Potentiale dürfen wir nicht an andere Regionen abtreten. Diese Arbeitsplätze müssen hier erhalten und weitere neu geschaffen werden.

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