Rede · 30.11.2006 Aktuelle Änderungen bei den Unterkunftskosten von Arbeitslosengeld-II BezieherInnen

Auch wenn es lobenswert ist, dass die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis90/Die Grünen mit diesen Antrag eine weitere Problematik der Umsetzung der Hartz IV-Gesetze vor Ort  – konkret geht es um die Unterkunftskosten der Arbeitslosengeld II- Bezieher – aufgreifen, kann ich es  mir  nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass die Grünen durch ihre Regierungsverantwortung im Bund entscheidend an der damaligen fatalen Sozialgesetzgebung mitgewirkt haben. Aber wenn sich die Grünen jetzt kritisch mit Hartz IV auseinander setzen, dann begrüßt der SSW dies.

Denn gerade die Regelungen für die Finanzierung der Unterkunftskosten haben bereits für viel böses Blut gesorgt. Zum einen gab es den langen Streit zwischen den Kommunen und dem Bund, wie viel denn nun die Bundesregierung von den Unterkunftskosten – die ja formal von den Kommunen getragen werden sollen – bezahlen will. Der Bundesfinanzminister und die kommunalen Spitzenverbände haben sich nun auf die vom Bund ursprünglich versprochenen 4,3 Mrd. € geeinigt. Die Landesregierung hatte sich für diese Summe eingesetzt. Das begrüßen wir und hoffen, dass jetzt dieser Finanzierungsstreit für die nächsten Jahre vom Tisch ist. Die Kommunen brauchen in dieser Frage Planungssicherheit und die Politik kann sich nicht jedes Jahr diese unwürdigen Gelddiskussionen in der Öffentlichkeit leisten.

Zum anderen – und das ist für die Betroffenen viel gravierender – hat es sehr viele Fälle von Uneinigkeit zwischen ALG-II-Beziehern und der ARGE bzw. den Kommunen über die Angemessenheit der Wohnung gegeben. Man kann sich vorstellen, dass es für Menschen, die arbeitslos sind, nicht gerade einfach ist, wenn sie zu wissen bekommen, dass ihre Wohnung – in der sie vielleicht schon Jahrelang wohnen – aus Sicht der Kommune zu groß oder zu teuer ist und, dass sie daher ausziehen oder eben auf das Arbeitslosengeld II verzichten müssen. Aus Sicht der Kommune ist so ein Verhalten sicherlich verständlich, weil man Geld sparen will. Aber für die Betroffenen kann eine solche Entscheidung von geradezu existentieller Bedeutung sein, weil eine kleinere Wohnung für viele Menschen ein Zeichen für den sozialen Abstieg ist.

Von daher darf es keinen verwundern, dass es in dieser Frage viele Gerichtsverfahren gegeben hat. Nun hat das Bundessozialgericht am 7. November anhand eines konkreten Falls sich mit der Prüfung von Angemessenheit der Unterkunftskosten beschäftigt. Aus meiner Sicht haben die Richter dabei ein „salomonisches“ Urteil gefällt. So dürfen die ARGE´n nicht Anhand der bundesweit einheitlichen Wohngeldtabellen die vollständigen Unterhaltskosten für ALG-II-Bezieher ablehnen. Maßgeblich müssen stattdessen die konkreten Verhältnisse vor Ort sein.

Das hört sich logisch an, weil man natürlich nicht die gleichen Mietverhältnisse und Mietpreise in Hamburg hat, wie zum Beispiel in Flensburg oder Husum. Der angemessene Wohnstandard für Hilfebedürftige muss sich also in erster Linie am Wohnungsstandard am konkreten Wohnort orientieren. Für die Angemessenheit der Größe einer Wohnung ist laut BSG auf die landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Wohnungsbaus zurück zu greifen. Salomonisch ist dieses Urteil, weil es dann am Ende weiterhin sehr entscheidend darauf ankommen wird, wie dann die zuständigen Behörden die Mietverhältnisse vor Ort einschätzen und dies im Verhältnis zur Anerkennung der Unterkunftskosten setzen. Hier wird es also weiterhin einen eigenen Entscheidungsspielraum für die Kommunen geben.

Angesichts der Bedeutung, die dieses für die Betroffenen hat, müssen wir an die Kommunen appellieren, die gesetzlichen Regelungen und die Vorgaben, die sich aus dem Urteil des BSG ergeben, im Sinne der ALG-II-Bezieher großzügig auszulegen. Denn eines darf man nicht vergessen: Diese Menschen sind keine Bittsteller, sondern sie haben zum Teil schon seit Jahren in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt und haben also einen Anspruch auf eine vernünftige Unterstützung seitens des Staates.

In übrigen erscheint mir die aktuelle Debatte über eine längere Beziehung des Arbeitslosengeldes I - wie es ja Ministerpräsident Rüttgers vorgeschlagen hat - ziemlich verlogen. Schließlich hat die CDU ja ebenfalls für die Hartz-IV-Gesetze gestimmt und jeder weiß, dass die Bundesregierung unter Führung von Bundeskanzlerin Merkel die Beschlüsse des CDU-Parteitages in dieser Frage – so richtig sie aus SSW Sicht sind – nicht umsetzen wird. Das ist aus meiner Sicht eine Verhöhnung der Betroffenen, die sich jetzt womöglich Hoffnung darauf machen das ALG-I länger als ein Jahr zu beziehen.

Leider hat auch ein anderes Urteil des Bundessozialgesetzes nicht dazu beigetragen, die Situation von ALG-II-Beziehern zu verbessern. Denn das BSG hat die bisherigen Regelsätze des ALG II als ausreichend für das Existenzminimum anerkannt. Dies erscheint aus Sicht des SSW als sehr zweifelhaft. Denn mit dem unveränderten Regelsatz von 345,-€ ist mir jedenfalls unverständlich, wie man Rücklagen für Einmalausgaben bilden soll oder wie man die Mehrwertssteuererhöhung und die steigenden Lebenshaltungskosten im nächsten Jahr auffangen soll? Insgesamt bleibt also das Fazit des SSW, dass die HARTZ-IV-Gesetzgebung weiterhin sehr unsozial und unausgegoren umgesetzt wird. Deshalb wird es sicherlich nicht das letzte Mal sein, dass wir hier im Landtag uns mit den Folgen von HARTZ-IV beschäftigen werden. Und besser wäre es gewesen, diesen Unsinn überhaupt nicht einzuführen.

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