Rede · 30.06.2011 Demokratieinitiativen nicht verdächtigen, sondern fördern
Das Programm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ ist ein typischer Fall der Projektförderung durch die Bundesregierung: es ist unterfinanziert, überreguliert und inhaltlich restriktiv. Zu diesen schwerwiegenden Nachteilen ist kürzlich ein weiterer hinzugekommen. Und zwar die Anforderung der sogenannten Demokratieerklärung, die die Initiativen auch für Dritte „erklären“ müssen. Vertreter und Vertreterinnen kleiner und großer Initiativen protestieren bereits gegen diese Art der Vereinnahmung, weil sie fürchten, dass sie für die demokratische Gesinnung aller Projektpartner zu Rechenschaft herangezogen werden bzw. dass sie für ihre Partner gerade stehen sollen.
Das Bundesland Sachsen hat bisher als einziges Bundesland diese Klausel so übernommen und knüpft die Vergabe von landeseigenen Fördermitteln an diese Erklärung.
In anderen Bundesländern wird diese Klausel durchweg abgelehnt. Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat diese Bestätigungserklärung bereits abgelehnt; die neue rot-grüne Landesregierung in Mainz hat in ihrem Koalitionsvertrag im Kapitel „Wehrhafte Demokratie“ festgelegt, dass es in Rheinlandpfalz keine so genannte Extremismusklausel geben wird. In Sachsen-Anhalt lehnt Innenminister Hövelmann die Klausel als „Unding“ ab. Berlin legte Widerspruch gegen die Klausel ein und hat nun eine Bundesratsinitiative gestartet, um die Erklärung so umzuarbeiten, dass die Träger nicht mehr für Dritte haftbar gemacht werden können.
Die Bundesregierung hat im Gegenzug auf einer eigens eingerichteten Seite im Internet die kurze, aus ca. zehn Zeilen bestehende Erklärung veröffentlicht und dazu eine lange und ausführliche Erläuterung für diese zehn Zeilen auf vier Seiten veröffentlicht. Bereits dieses Missverhältnis zeigt, für wie problematisch die Bundesregierung ihre eigene Erklärung hält.
Trotz Erläuterung, Pressemitteilungen und Reden: die Mehrheit der Initiativen und Bundesländer lehnt diese Erklärung weiterhin ab. Der schleswig-holsteinische Landtag sollte sich dieser breiten Bewegung anschließen und mehrheitlich gegen die vorliegende Demokratieerklärung votieren. Es sind schließlich auch lokale Aktionspläne aus Schleswig-Holstein bei dem Programm am Start – zum Beispiel Lauenburg und Lütau.
Noch ein Wort zum Inhalt der Erklärung: Selbstredend haben sich Zuwendungsträger an demokratische Spielregeln zu halten. Tun sie es nicht, erhalten sie keine Fördermittel. Das ist allerdings auch ohne Demokratieerklärung bereits gängige Förderpraxis. Das Problem der Erklärung liegt darin, dass die Zuwendungen an Kontrolltätigkeiten geknüpft werden, und zwar die Kontrolle der demokratischen Gesinnung durch den Träger der Initiative. Dabei wird das harmlose Argument angeführt, dass jeder Träger, der für mehr Demokratie eintritt, sich doch geradezu in die Karten schauen lassen müsste. In Sachsen bildet das allerdings einen willkommenen Vorwand, um gleich die gesamte Öffentlichkeitsarbeit der Träger unter Kuratel der Landesregierung zu stellen. So harmlos ist das also gar nicht gemeint.
Bei dem Bundesprojekt geht es um ein Programm, welches die Stärkung von Kompetenz für Einzelne unterstützt. Die Träger sind aufgefordert, ihre Programme zu gestalten und diese zu begleiten und diese Kompetenzen im Rahmen ihres Projektes zu vermitteln. Dem Wesen nach sind jedoch bei freier Trägerschaft lediglich die Ziele vorzugeben. Wie diese umgesetzt werden, hängt vom Träger, seinem Klientel und nicht zuletzt der Region ab.
Sollte das Bundesfamilienministerium lieber eine andere Bildungsarbeit gegen „Rechts“ durchsetzen wollen, wäre es besser, sie würde selbst ein eigenes, bundeseigenes Netz zur Bildungs- und Präventionsarbeit einrichten. Dann kann sie selbst bestimmen, wer, wann, wie und überhaupt beraten wird. Ob damit allerdings die gleiche Tiefe in der Arbeit erreicht wird, wie das derzeit bei den regionalen Initiativen der Fall ist, der gleiche Einfallsreichtum und die gleiche persönliche Verbindlichkeit – und das für eine 250.000 Euro pro Bundesland, ist zweifelhaft.