Rede · 27.01.2021 Die EU muss umweltfreundlicher, digitaler, sozialer und robuster werden
„Die Bewältigung der Corona-Pandemie mit all ihren Folgen wird auch weiterhin im Fokus stehen. Doch klar ist auch: Statt uns dem Tempo von anderen oder dem Eintreten weiterer Katastrophen auszusetzen, müssen wir jetzt die Chance ergreifen, den Wiederaufbau und den Wandel aktiv zu gestalten.“
Jette Waldinger-Thiering zu TOP 15 - Bundesländer in die Mittelvergabe im Rahmen des Aufbauinstruments Next Generation EU einbeziehen und Wende im European Green Deal (Drs. 19/2561; 19/2627; 19/2608; 19/2651)
Im Dezember letzten Jahres erzielten das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten eine historische Einigung: Endlich wurden der nächste mehrjährige Finanzrahmen 2021 – 2027 sowie der befristete Wiederaufbaufonds „Next Generation EU“ beschlossen. Gesamtvolumen: rund 1,8 Billionen Euro. Es mussten wahrlich dicke Bretter gebohrt werden, doch nun steht das größte Konjunkturpaket inklusive Rechtsstaatsmechanismus, das jemals aus dem EU-Haushalt finanziert wurde. Und es ist bitter nötig.
Wir stehen alle miteinander an einem wegweisenden Punkt:
Unsere Erde im Großen wie auch unsere Europäische Union im Kleineren sind verletzlich und stehen seit Jahren vor massiven Herausforderungen; vom Klimawandel über Migration bis hin zu sozialen Fragen. Seit einem guten Jahr wütet nun auch noch die Corona-Pandemie und hat eine Wirtschaftskrise ausgelöst, wie wir sie in unserer Generation noch nicht erlebt haben. Sogar die Errungenschaften unserer Gemeinschaft, die uns allen als selbstverständlich erscheinen, kommen an ihre Grenzen oder erleiden sogar Schäden – vom Binnenmarkt bis hin zu unseren Grundfreiheiten. Sicherlich ist das Pandemie-Management auf EU-Ebene noch immer verbesserungswürdig, dennoch können wir wohl festhalten, wie wichtig und wertvoll enge Zusammenarbeit und europäische Solidarität sind und immer sein werden, gerade in Krisenzeiten.
Tatsache ist: Das Coronavirus und seine massiven Auswirkungen betreffen uns alle. Das Gleiche gilt für viele weitere grenzüberschreitende Problemstellungen, um nicht zu sagen „Jahrhundertaufgaben“. Diese kann kein Staat alleine bewältigen.
Hier kommt nun die EU ins Spiel: Wir müssen jetzt nicht nur die akuten Schäden angehen und soziale Härten abfedern, was gewaltig genug wäre, sondern auch die Wirtschaft und den Binnenmarkt wiederaufbauen, den Menschen konkrete Perspektiven geben und eben auch in „die Zukunft“ investieren, sprich: Statt uns dem Tempo von anderen oder dem Eintreten weiterer Katastrophen auszusetzen, müssen wir jetzt die Chance ergreifen, den Wiederaufbau und den Wandel aktiv zu gestalten. Insgesamt muss die EU umweltfreundlicher, digitaler, sozialer und robuster werden. Nur so kommen wir stärker, nachhaltiger und wettbewerbsfähiger aus der Krise.
Die vorliegenden Anträge fordern ja nun auch genau dies und finden daher auch unsere Unterstützung. Während der Jamaika-Antrag eher eine „allgemeine Beteiligung“ der Länder fordert, gehen die Forderungen und Hinweise der SPD-Anträge doch noch etwas konkreter ins Detail.
Gerade in Hinblick auf den Green Deal braucht es nun mehr Ambition. Selbstredend wird die Bewältigung der Corona-Pandemie vorerst auch weiterhin im Fokus stehen. Doch daneben dürfen andere, ebenso drängende zentrale Herausforderungen, wie bspw. der Klimawandel, eben nicht aus dem Blick geraten. Der „European Green Deal“ beinhaltet ja ein umfangreiches Maßnahmenpaket. Mit diesem müssen wir die sozialökologische Wende nun zeitnah und mit den Menschen umsetzen. Denn die Menschen wollen sehen, dass und wie sie individuell und konkret davon profitieren und dass der Green Deal eben keine leere Wortblase ist. Hier müssen wir nun zügig vorankommen. Denn wenn wir uns beispielsweise die nachhaltige Modernisierung der Landwirtschaft anschauen, dann müssen wir leider feststellen, dass diese bislang noch weit von den angedachten Zielen entfernt ist. Und dabei fließt der Löwenanteil der EU-Gelder ja nach wie vor in die auch für uns bedeutsame Agrarpolitik und die Strukturfonds. Hier müssen wir also besser werden. Und in puncto Energiewirtschaft ist es absolut sinnvoll, nicht nur den Kohlesektor anzugehen, sondern allumfassend und sektorübergreifend zu denken.
Wir hier in Schleswig-Holstein haben eigentlich die besten Voraussetzungen dafür, einen sozialökologisch nachhaltigen und bezahlbaren Wirtschaftsstandort aufzubauen. Natürlich sind wir noch mitten im Pandemie-Management, aber trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb können wir schon jetzt versuchen, den Weg der Reformen und damit auch den Weg der Verantwortung und des sozialen Zusammenhalts zu beschreiten. Strukturiert, vor Ort und gemeinsam mit den Menschen.