Rede · 18.11.2015 Durch Minderheitenberichte entwickeln wir die kommunale Demokratie weiter
Lars Harms zu TOP 7, 10, 12 & 13 - Kommunalrechtliche Vorschriften
Angesichts der Fülle von Vorlagen und der Kürze der Zeit beschränke ich mich auf drei Punkte.
Erstens: Berichtspflicht der Kommunen zum Stand der Förderung der Minderheiten. Schleswig-Holstein setzt damit seinen erfolgreichen Weg zur Erfüllung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen fort, indem nun auch durch eindeutige, kommunalrechtlichen Regelungen der Schutz und die Förderung der Minderheiten gesichert werden. Am Wochenende lobte bereits der Vorsitzende der Expertenkommission, die die Einhaltung der Charta beobachtet, Prof. Stefan Oeter, diese Vorlagen. Auch die Minderheiten selbst haben gute Erfahrungen mit dem Berichtswesen gemacht; und zwar mit den freiwilligen Berichten aus Flensburg und Nordfriesland. So wie auch auf Landesebene erfüllen diese kommunalen Berichte zur aktuellen Situation der Minderheiten eine enorm wichtige Informationspflicht. Gerade die Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Bonn-Kopenhagener Erklärungen haben einmal mehr gezeigt, dass Minderheiten oft unter sich bleiben. Die Mehrheitsbevölkerung kennt die Minderheiten nicht; von deren Problemen zur Anerkennung und Förderung einmal ganz zu schweigen. Die Landesregierung hat in dieser Hinsicht, also bei der Sichtbarmachung der Minderheiten, viel geschafft; die kommunale Ebene, mit denen die Bürgerinnen und Bürger direkten Kontakt haben, zieht jetzt nach. Das Wissen um die Minderheiten in Schleswig-Holstein zu vermehren, ist so wie ein dickes Brett zu bohren. Nur wer etwas kennt, wird sich auch dafür einsetzen.
Doch über die Information hinaus geben die Berichte auch einen guten Überblick über die Lage, in der sich die Minderheiten aktuell befinden. Wo und wie werden ihre Sprache und Kultur gefördert, sind nur einige der Fragen, die so ein Bericht beantwortet. Damit bilden die Berichte, wenn sie regelmäßig wiederholt werden, eine hervorragende Grundlage für eine an Fakten orientierte Maßnahmenkontrolle der kommunalen Minderheitenpolitik. Greifen die Maßnahmen, oder laufen sie etwa ins Leere? Wenn letzteres der Fall ist, dann kann zeitnah gegengesteuert werden. Darum ist es gut, dass die Gemeindeordnung dementsprechend erweitert wird.
Zweitens: Verhältnisberechnung im Wahlrecht. Das Gemeinde- und Kreiswahlgesetz orientiert sich an der Saint-Laguë/Schepers-Methode. Dieses Divisor-Verfahren wird - bis auf Mecklenburg-Vorpommern – in allen norddeutschen Bundesländern angewendet. Dieses moderne Sitzzuteilungsverfahren setzt sich seit zwei Jahrzehnten langsam durch, weil es Wählerstimmen sehr gut in Abgeordnetenmandate umrechnet. Eine Benachteiligung bzw. Bevorzugung großer oder kleiner Parteien ist wesentlich unwahrscheinlicher. Das war jahrzehntelang unsere Kritik am Verfahren nach d’Hondt. Darum seinerzeit die Entscheidung auch für die kommunale Ebene die Sainte-Laguë/Schepers-Methode einzuführen. Mit deren Teilern wird das Wahlergebnis besser abgebildet. Der Divisor wird allerdings etwas an schleswig-holsteinische Verhältnisse angepasst. Er soll bei 0,7 liegen, so dass die Hürde für das erste Mandat bei ca. 0,7 Sitzen liegt und nicht bei einem halben Sitz, wie es der Divisor 0,5 vorsieht. Wir werden allerdings genau prüfen, ob die gewünschten Effekte eintreten. Unser Ziel muss bleiben, dass jede Stimme zum gleichen Ergebnis führt. Das neue Verfahren minimiert die Abweichung Sitz pro Stimme, so dass die Verhältnisausgleichberechnung aller teilnehmenden Parteien bzw. Wählergruppen noch gerechter wird.
Drittens: Mandatsverteilung. In § 10 des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes wird zukünftig allen Parteien, die mehr als 50% der Stimmen erhalten, aber durch die Verhältnisausgleichberechnung nicht die Hälfte der Mandate erhalten, ein Ausgleichssitz zugeteilt. Damit wird eine Ungerechtigkeit im Wahlrecht ausgebügelt. Ich möchte an dieser Stelle aber ausdrücklich hervorheben, dass diese Konstellation eine absolute Ausnahme darstellt. In seltenen Fällen kann es überhaupt dazu kommen, dass sich durch die Verhältnisausgleichberechnung nicht die Mehrheit der Mandate erhält. Nichtsdestotrotz gilt es, für diesen Fall vorzusorgen. Die nachlassende Bereitschaft, sich an Kommunalwahlen zu beteiligen, würde weiter befördert, wenn es weiter dazu kommen würde, dass eine Partei zwar die Mehrheit der Stimmen hat, aber trotzdem nicht die Mehrheit der Mandate. Dem Wählerwillen muss unbedingt entsprochen werden. Aus diesem Grund schlagen wir eine entsprechende Ergänzung des Wahlrechts vor, die zumindest die Sicherheit gibt, dass im Rat nichts gegen die Partei mit Stimmenzahl über 50% entschieden werden kann.
Mit den Regelungen zum Ausgleichsmandat bei mehr als 50% der Stimmen und mit dem Teiler, der auf 0,7 gesetzt wird, korrigieren wir Ungenauigkeiten in unserem Wahlrecht und machen es noch ein bisschen gerechter. Was die Regelungen zu den Minderheiten angeht, entwickeln wir die kommunale Demokratie weiter. Es wird in Zukunft noch deutlicher, dass Minderheitenschutz auch eine kommunale Aufgabe ist und wir schaffen ein Instrument, das diesen Minderheitenschutz auch kontrolliert.