Rede · 26.01.2023 Einsatzkräfte müssen in Sicherheit arbeiten können

„Wir wissen noch nicht, woran es gelegen hat. Wir wissen, dass einige Stadtteile betroffener sind als andere. Und wir wissen bereits jetzt, dass Prävention die beste Maßnahme gegen Gewaltkriminalität ist.“

Lars Harms zu TOP 26 - Mehr Respekt für unsere Einsatzkräfte – Akzeptanz und Wertschätzung für die Arbeit unserer Einsatzkräfte stärken (Drs. 20/584)  

Wir als SSW unterstützen alle unsere Einsatzkräfte. Es fühlt sich eigentlich überflüssig an, aber man muss es leider doch sagen: Wir verurteilen es grundsätzlich, wenn Feuerwehren, Rettungsdienste, Polizei oder andere Hilfsorganisationen gefährdet werden. Sie müssen in Sicherheit arbeiten können. 
Wir haben aus Sicht des SSW auch schon viel zu lange ein Problem mit Menschen, die Rettungsgassen behindern oder gar nicht erst bilden und alkoholisierten Menschen, die gegenüber Rettungsdiensten aggressiv werden. 

Ich finde es aber ehrlich gesagt nicht wirklich angebracht, die Debatte auf die Art zu führen, die der FDP-Antrag hier anstößt. Am 05.01.23 eine Kleine Anfrage zu stellen, allerdings am 12.01.23 - und bisher scheinbar ohne Antworten auf die Kleine Anfrage - einen Antrag zu stellen, indem festgestellt werden soll, dass es Probleme mit jungen männlichen Migranten gibt, finde ich mindestens schwierig. 
Denn auch die anfangs von der Polizei veröffentlichten Zahlen, die aufgrund von Angriffen auf Polizei und Rettungskräfte 145 Festnahmen mit 18 Nationalitäten suggerierten, mussten deutlich nach unten korrigiert werden Nun wissen wir, 38 Personen sind in Berlin nach solchen Angriffen festgenommen worden – zwei Drittel davon übrigens Deutsche und ein Großteil minderjährig. 
Eine Umfrage des Tagesspiegel unter allen 16 Innenministerien der Länder hat ergeben, dass es deutschlandweit zu mindestens 282 Angriffen auf Polizei und Feuerwehr kam. Verhältnisse wie in Berlin habe es aber nirgendwo anders gegeben. 
Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheint es mir merkwürdig, dass wir im Schleswig-Holsteinischen Landtag eine Silvesterdebatte führen sollen. 

Wie dem auch sei, die Pandemie-Jahreswechsel haben uns vielleicht vergessen lassen, dass wir eigentlich seit ein paar Jahren sehr ähnliche Debatten nach Silvester führen. 
Am 01.01.2013 titelte die Bild: „Tote, Krawalle, Brände. Die blutige Silvester-Bilanz 2012/13“.
Ich erinnere mich an die Debatten, die 2019 nach Ausschreitungen im Leipziger Viertel Connewitz geführt wurden. Oder, suchen Sie es sich aus, etwa 2009 in Hamburg, 2010 in Frankfurt und so weiter und so fort. Das ist alles nicht gut und das ist alles auch nicht egal. 
Es ist aber auch einfach nicht neu. 

Dabei würde ich niemals in Abrede stellen, dass da, wo Kriminalität herrscht und wo Gewalt ausgeübt wird, unsere staatlichen Instrumente, also Polizei und Justiz, durchgreifen müssen und auch ausgestattet sein müssen, das tun zu können. 
Aber dass die Debatte immer noch in dieser Schärfe geführt wird, ist weder angebracht noch zielführend. 
Es mag an dem Wahlkampf zur Wiederholungswahl des Berliner Abgeordnetenhauses liegen. Oder an einzelnen Politikerinnen und Politikern, die die Aufmerksamkeit in Talkshows genießen und unmögliche Sachen von sich geben, während sie unverhohlen über Vornamen und Hautfarbe spekulieren. 

Ich habe schon die unterschiedlichsten Erklärungsversuche von Menschen gehört, die als Expertinnen und Experten gelten. 
Die einen meinen, wir müssten wieder mehr über Integration sprechen, die anderen sagen, wir sehen hier Symptome männlicher Gewalt und Gruppendynamiken, wieder andere sehen die sozialen Medien in der Verantwortung, sogar Computerspiele sollen an den Ausschreitungen schuld gewesen sein. 
Sinnvoll erschien mir vor allem eine Schlussfolgerung der Berichterstattung: Wir wissen noch nicht, woran es gelegen hat. Wir wissen, dass einige Stadtteile betroffener sind als andere. Und wir wissen bereits jetzt, dass Prävention die beste Maßnahme gegen Gewaltkriminalität ist. Das bedeutet klassische Sozialarbeit, gute Bildungschancen, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. 

Die Forderungen, die jetzt von den Berufsvertretungen im Raum stehen, sind teils altbekannt und teils neu. Die Feuerwehrgewerkschaft sähe ihre Löschfahrzeuge gerne mit Dashcams ausgerüstet. Darüber kann man nachdenken. Aus Polizei und Justiz hören wir Forderungen nach schneller und konsequenter Strafverfolgung im Sinne des „Neuköllner Modells“. Das bleibt sinnvoll. 
Und die GDP fordert bereits seit Jahren ein Böllerverbot.
Dabei gilt ja grundsätzlich jetzt schon bundesweit, dass in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie besonders brandgefährdeten Gebäuden keine Böller und Raketen gezündet werden dürfen. Weitere Feuerwerkverbotszonen existieren von Kommune zu Kommune in unterschiedlich ausgeprägter Art und Weise.  

Aber während wir hier noch diskutieren, wird in den betroffenen Stadtteilen schon gehandelt. In den Schulen diskutieren Jugendliche und reden in Medien öffentlich kritisch darüber, wie sie selbst Silvester erlebt haben. In Neukölln setzt die Gastronomie gerade ein Zeichen; Polizei und Feuerwehrleute bekommen dort für einen Euro ein sogenanntes „Helden-Menü“. Das eingenommene Geld wird an eine Einrichtung für Jugendliche in Neukölln gespendet.
Und das lässt mich doch hoffnungsvoll ins neue Jahr blicken.

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