Rede · 13.12.2007 Entwicklung der Alters- und Personalstruktur der Landespolizei


Passend zur Großen Anfrage der FDP läuft die Gewerkschaft der Polizei gegen die Überalterung der Polizei in Schleswig-Holstein Sturm. Da ein Bild bekanntlich mehr als tausende Worte sagt, hat sie kurzerhand einen 60Jährigen in die Uniform eines Bereitschaftspolizisten gesteckt und fragt auf ihren Plakaten: „Ist das die Zukunft?“ Die Antwort lautet wenig überraschend eindeutig: Nein.

Jedem, ob nun Polizeiexperte oder nicht, ist klar, dass ein 60Jähriger zwar in Sachen geistiger Fitness durchaus mit einem jüngeren Polizeikollegen mithalten kann; das Erlebte wahrscheinlich aufgrund seiner Besonnenheit und Erfahrung sogar besser verarbeiten kann, aber körperlich ist er seinen jüngeren Kollegen unterlegen. - Unterlegen ist er damit auch gewaltbereiten Fußballfans, die auf Krawall gebürstet sind. Diesen Hooligans kann man keine Oldies in Uniform entgegenstellen. Die Altersgrenzen für Sondereinsatzkommando und Mobiles Einsatzkommando liegen nicht ohne Grund bei 45 bzw. 48 Jahren.
Sieht aber die Zukunft der Polizei wirklich so aus, wie eben beschrieben, also massenweise überalterte Polizisten, die zu Aufgaben herangezogen werden, von denen sie überfordert werden? Die ausführliche Antwort auf die Große Anfrage belegt, dass wir derzeit in Schleswig-Holstein eine Altersstruktur haben, die zumindest mittelfristig nicht Besorgnis erregend ist. Darüber hinaus zeigen die einzelnen Antworten, dass man sich in der Polizei durchaus bewusst ist, dass potenziell eine Überalterung droht.

Die Zugangsjahrgänge werden kleiner, so dass sich die Altersstruktur in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren verändern wird. Erste Gegenmaßnahmen sind bereits getroffen. Dazu gehören unter anderem die gezielte Anwerbung von Frauen und der Umbau der Schichtstruktur, um  in gewissem Maße eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten. Davon profitieren im Übrigen nicht nur die Polizistinnen, sondern auch deren Kollegen.

Die Probleme der Wasserschutzpolizei, die auf dem Arbeitsmarkt der ausgebildeten Seeleute gegen starke Konkurrenz allzu oft das Nachsehen hat, zeigen, dass man auch bei der Polizei frühzeitig neue Rekrutierungsmuster entwickeln muss. Ob diese dann im Einzelfall erfolgreich sind, zeigt sich erst im Laufe der Jahre, wenn die Neueingestellten wirklich bei der Stange geblieben sind.

Für viele Polizisten ist das sicherlich ein ganz neues Gefühl: bislang galt der Beruf des Polizisten als durchaus attraktiv. Die Werbetrommel musste erst in den letzten Jahren zum Einsatz kommen. Die Zahlen deuten darauf hin, dass die Konkurrenz zunehmen wird, was sich meines Erachtens allerdings positiv auf die Arbeitsbedingungen auswirken könnte.

In Schleswig-Holstein ist derzeit jeder siebte Polizist im mittleren Dienst 50 Jahre alt und älter. Da steht die schleswig-holsteinische Polizei im Vergleich zu anderen Bundesländern gar nicht so schlecht dar, dennoch lässt sich absehen, dass sich das Verhältnis weiter verschlechtern wird; der Anteil der Älteren also weiter wachsen wird.
Ein zu großer Anteil älterer Kollegen ist für die Polizei nicht empfehlenswert, weil die älteren Kollegen die Laufbahn ihrer jüngeren Kollegen blockieren. Das ist ein schlechtes Signal: Wenn man sich als junger Polizist anstrengen kann, wie man will, und sich das überhaupt nicht in Form einer Beförderung niederschlägt, kann das Engagement schnell in Frust umschlagen. Bereits vor diesem Hintergrund müssen wir einerseits über flexible Konzepte sprechen, die die Polizeibeamten immer wieder neu fordern. Also eben keine stupiden Routinen, sondern ein anspruchsvoller Arbeitsalltag, der niemanden anödet. Das bedeutet aber auch, dass die Schichtmodelle nicht endlos ausgereizt werden sollten. Überforderte Polizisten, die einen riesigen Berg Überstunden vor sich herschieben, sind in der Regel unzufriedene Polizisten.
Personalmanagement heißt natürlich auch, für die Älteren angemessene Jobs zu schaffen, in denen sie ihre Erfahrungen weitergeben können. Das ist allerdings ein Thema, das wir im Beamtenrecht bislang noch viel zu wenig berücksichtigt haben.

Wir müssen anerkennen, dass die starren Beamtenlaufbahnen angesichts der wachsenden Aufgaben nicht mehr den Anforderungen eines modernen Personalmanagements entsprechen. Nicht nur die Interessenvertreter der Polizisten fordern bereits seit langem eine leistungsgerechte Besoldung, die baldmöglichst die bisher starre Form der Stellenbewirtschaftung ersetzt. Das fordern auch diejenigen, die eine größere Durchlässigkeit im Polizeidienst propagieren. Letztlich geht es darum, die Wahlmöglichkeiten zu verbessern. Die Antwort der Landesregierung zeigt, dass die Zahlen der Kündigungen, um in der freien Wirtschaft zu arbeiten, vernachlässigbar klein sind. Ich war zumindest überrascht darüber, dass jahrelang überhaupt kein einziger schleswig-holsteinischer Polizist in die Wirtschaft wechselte.  Es bleibt aber die Frage, welche Motivationen hinter dieser extrem hohen Verweiltendenz stehen.

Nicht erst an dieser Stelle zeigt sich, dass die Große Anfrage in erster Linie Zahlen zugänglich macht. So lobenswert die Große Anfrage ist, und wir damit erstmals einen genauen Blick auf die Altersstruktur der Polizei gewinnen konnten, desto größer wird die Neugier darauf, wie die Polizisten ihre Situation selbst interpretieren. Die GdP hat bereits die Ergebnisse der Anfrage kommentiert. Ich frage mich, was das Gros der Polizisten davon hält.

Letztlich wollen die Bürgerinnen und Bürger engagierte Polizeibeamte, die sich vor Ort auskennen und die ausgeruht und motiviert ihre Arbeit erledigen. Sie wollen bürgernahe Beamte, die sich unbürokratisch als Experten für ihr Viertel verstehen und darüber hinaus ein gern gesehener Sicherheitspartner für Schulen und Kindergärten sind. Beamte, die sich auch für die Ursachen der Probleme interessieren, mit denen sie tagtäglich konfrontiert sind.
Diese Traumbeamten fallen nicht vom Himmel. Es bedarf dauernder Anstrengungen, Qualifizierungen und auch Motivierung, um den guten Standard, den wir im Land haben, zu behalten.

Ein Damoklesschwert von 5.000 zu streichenden Stellen ist sicherlich der völlig verkehrte Weg.

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