Rede · 11.10.2002 Forschung mit adulten Stammzellen in Schleswig-Holstein

Der Bericht der Landesregierung zeigt uns auf, wie der heutige Stand der Forschung mit adulten, menschlichen Stammzellen in Schleswig-Holstein ist. Der Bericht kommt kaum über das Niveau eines Zeitungsartikels nach dem Motto „Amerikanische Forscher haben jüngst entdeckt, dass...“ hinaus – gepaart mit einen Schulaufsatz zum Thema „Hoffnungen und Träume der Stammzellforschung“. Das ist aber nicht die Schuld der Landesregierung. Sie antwortet lediglich auf die Fragen, die ihr gestellt werden, und kann dabei auch lediglich nur auf den derzeitigen Stand der Erkenntnisse zurückgreifen.

Letztlich reduzieren sich die Fragen in Verbindung mit den Stammzellen auf die Themen, die wir bereits im letzten Sommer bei der Debatte über die embryonale Stammzellforschung erörtert haben:

• Besteht eine ausreichende Wahrscheinlichkeit, dass eine Therapie wirklich Erfolg haben kann?
• Besteht die Chance, Nebenwirkungen in den Griff zu bekommen?
• Ist es ethisch vertretbar, menschliche Zellen als Medizin für andere zu züchten?
• Was sind die möglichen technischen Folgen einer Stammzellmanipulation?
• Wie stellen sich die Eigentumsverhältnisse an den Technologien dar und wer darf sie nutzen?

Diese Fragen können nach dem „Stand der Technik“ noch nicht befriedigend beantwortet werden.
Die möglichen Erfolge mit adulten Stammzellen, die Hoffnungen und Träume die damit verbunden werden, sind natürlich eine verlockende Perspektive. Die Verheißung, Krankheiten zu heilen, die bisher als nicht heilbar gelten, ist für alle und insbesondere für die Betroffenen kranken Menschen ein Silberstreif am Horizont. Angesichts des ungesicherten Wissens darf es aber als sehr fraglich gelten, ob diese Erwartungen überhaupt eingelöst werden können.

Die Anwendung von adulten Stammzellen ist bis heute sehr eingeschränkt. Man befindet sich im Experimentierstadium und in einigen Bereichen immerhin schon bei der Tierforschung. Ob die hier gewonnenen Erkenntnisse überhaupt auf Menschen übertragbar sind, bleibt fraglich. Denn eben so komplex und differenziert wie Zellen, wie Krankheiten und deren Ursachen, ja wie Menschen sind, sind auch die Lösungen für die Heilung zu suchen. Die bereits bestehenden, Techniken in diesem Bereich werden überwiegend zur Lebensrettung eingesetzt, wie bei der Zelltransplantation für Krebspatienten. Die angestrebte Anwendung von Stammzellen ist aber ungleich komplizierter als diese Methoden. Der Wunsch mit Hilfe dieser Zellen zu Krankheiten wirklich zu heilen, steht noch in weiter Ferne. Oder um es mit den Worten des Berichts zu sagen: Nach Ansicht der Wissenschaft werden neue Anwendungen innerhalb von 5 Jahren bei Therapieversuchen Eingang finden und in den nächsten 10 bis 20 Jahren zur Routine werden.

Deshalb kommen wir wie die Landesregierung zu dem Schluss, dass die gesellschaftliche Bedeutung der heutigen Forschung in erster Linie in den Hoffnungen auf Heilung schwerer Erkrankungen liegt. Wirtschaftlichen Zielen ist ein schwächeres Gewicht beizumessen. Die möglichen Folgen und die Reichweite der jetzt gewonnen Erkenntnisse sind weiterhin an Recht und Ethik zu messen. Es muss auch Grenzen der Forschung geben. Der Bundespräsident hat darauf hingewiesen, dass auch fast alle in den 50er Jahren die friedliche Nutzung der Atomenergie wollten und dem zustimmten. Heute stehen wir auch vor den Problemen, dass nur an die Vorteile gedacht wird, ohne die Nebenwirkungen zu sehen oder diese in die Überlegungen einzubeziehen. Auch vor dem Hintergrund großer Verheißungen hat die Politik die Verpflichtung „nachhaltig“ zu denken und zu handeln, wie man es wohl heute ausdrücken würde. Allein wirtschaftlichen Erwägungen den Vorzug zu geben wäre eine verantwortungslose Reduktion der komplexen Materie. Denn es gibt kein Instrument, um den Geist wieder in die Flasche zu zwingen.

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