Rede · 16.05.2002 Gesetz zur Errichtung des Universitätsklinikums

Durch die Vorlage des Gesetzentwurfs zur Errichtung eines Universitätsklinikums Schleswig-Holstein nehmen die Pläne der Landesregierung zur Zusammenführung der Universitätsklinika Konturen an. Konturen, die die Zukunft der Hochschulmedizin in diesem Lande maßgeblich verändern werden.

Ziel der Landesregierung ist es, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sicher zu stellen, dass sich die Hochschulmedizin Schleswig-Holsteins durch hochqualifizierte Krankenversorgung sowie exzellente Forschung und Lehre auszeichnet. Dieses Ziel ist nicht neu und wurde bereits im Jahre 1999 mit der rechtlichen und organisatorischen Verselbständigung der Klinika verfolgt. Auch dort wurden die Universitätsklinika bereits dazu aufgefordert, durch eine engere Zusammenarbeit sogenannte Synergieeffekte zu erzielen und somit die Zukunft zu sichern. Dieses ist scheinbar nicht in dem erhofften Umfang gelungen. Rückwärtsgewandt nach den Gründen zu suchen, ist sicher müßig - es sei denn, man lernt daraus.

Damals hatten die Klinika gewisse Freiheitsgrade bei der Entscheidung - ob, wann und wie sie zusammen arbeiten wollten. Durch die geplante Fusion wird ihnen nun die Zusammenarbeit vorgeschrieben, und das ist sicher gut so. Das heißt aber auch, dass man keine halbherzigen Lösungen betreiben sollte.

Doch jetzt entnehmen wir mit Erstaunen unter § 122 des Gesetzentwurfs, dass lediglich der Kaufmännische Vorstand des Klinikums seine Tätigkeit hauptberuflich ausüben muss. Die anderen Vorstandsmitglieder können dies, müssen aber nicht.
Man stelle sich das einmal vor. Ein Unternehmen mit mehr als 10.000 Beschäftigen, mehr als 500 Mio. Euro Jahresumsatz - ein Großklinikum mit mehr als 2.500 Betten wird unter Umständen in weiten Teilen von einem nebenamtlichen Vorstand geführt. Nebenamtlich geführt in den Bereichen, die ein Universitätsklinikum ausmachen - in der Krankenversorgung und im Bereich Forschung und Lehre.

Das zukünftige Universitätsklinikum Schleswig-Holstein wird aus mehr als 80 verschiedenen Kliniken und Instituten bestehen, auf die die zunehmend knappen Finanzmittel sinnvoll und zielgerichtet zu verteilen sein werden. Es sind also Strategien zu entwickeln und in Maßnahmen umzusetzen, die der Entwicklung des gesamten Klinikums dienen und die nicht einseitig Standortinteressen oder die Interessen einzelner medizinischer Bereiche bedienen sollten. – Mit anderen Worten: Kostspielige Konkurrenzen zwischen den Standorten Kiel und Lübeck müssen abgebaut werden. Und das geht nur, wenn Schwerpunkte gebildet, die standortübergreifende Zusammenarbeit insgesamt gefördert und - last but not least - Kulturen zusammengeführt werden.

Allein das von der Unternehmensberatung Roland Berger prognostizierte Einsparvolumen von mehr als 10 Mio. Euro durch einen gemeinsam betriebenen Einkauf kann nur erzielt werden, wenn ein starker unabhängiger Vorstand sich gegen die Interessen einzelner Einrichtungsleiter durchsetzt - z.B. in Fragen der Standardisierung oder gemeinsamen Nutzung von Großgeräten. Bei einem nebenamtlichen Vorstand für Krankenversorgung besteht durch enge Einbindung und sich daraus ergebende Abhängigkeiten immer die Gefahr, dass Entscheidungen eben nicht sachgerecht getroffen und durchgesetzt werden.

Außerdem ist laut Gesetzentwurf nicht vorgesehen, einen Vorstand für den Bereich Pflege zu benennen. Diese Aufgabe wurde bisher in beiden Klinika von hauptberuflichen Pflegedirektoren wahrgenommen. Daher wüssten wir gern, wie die Landesregierung sicherstellen möchte, dass diejenigen, um die es geht - nämlich die Patienten - ausreichend bei strategischen Entscheidungen berücksichtigt werden. Vor allem dann, wenn der zuständige Vorstand für Krankenversorgung für beide Bereiche - Pflege und Medizin - zuständig sein wird.

In den Erläuterungen zum § 122 des Gesetzesentwurfes ist von einer erweiterten Geschäftsführung die Rede. Demnach ist geplant, an jeden Standort eine Geschäftsführungsebene einzurichten, die sich aus Pflegedirektor, Ärztlichem Direktor, Dekan und Verwaltungsdirektor zusammen setzt. Der SSW hofft, dass es sich hierbei um einen Irrtum handelt, denn etwas anderes kann es ja wohl nicht sein. Ein gemeinsamer Vorstand zuzüglich zweier Verwaltungsdirektoren, zweier ärztlicher Direktoren, zweier Pflegedirektoren und zweier Dekane? Für uns stellt sich dabei gleich folgende Fragen: Wer hat in diesem Konstrukt welche Aufgaben, welche Kompetenzen, welche Verantwortlichkeiten? Wie sollen jemals die beiden doch sehr unterschiedlichen Klinika zu einem Uniklinikum Schleswig-Holstein zusammenwachsen? Wie soll unter diesen Bedingungen eine effiziente, qualitativ hochwertige Hochschulmedizin betrieben werden?

Der SSW begrüßt aber grundsätzlich, dass zukünftig mit den Leiterinnen und Leitern der Einrichtungen des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein privatrechtliche Verträge geschlossen werden und die Möglichkeit einer leistungsbezogenen Vergütung besteht. Auch dass den Leiterinnen und Leitern der Einrichtungen die volle Verantwortung für ihren Verwaltungsbereich übertragen wird, begrüßen wir. Aber gerade diese größere Selbständigkeit erfordert auf der anderen Seite klare strategische Vorgaben und eine starke übergeordnete Leitung, um zu verhindern, dass sich Teilbereiche auf Kosten anderer optimieren und somit das Gesamtklinikum in eine Schieflage gerät.
Wir alle wollen Hochschulmedizin auf hohem Niveau, um nicht nur national, sondern auch international mithalten zu können oder vielleicht sogar in einigen Bereichen Vorreiter zu sein. Dann müssen die Forschenden und Lehrenden aber auch die Kapazitäten haben, Forschung und Lehre zu betreiben. Das heißt, die wirtschaftliche Verantwortung für eine Einrichtung darf nicht dazu führen, dass sich hochbezahlte medizinische Kapazitäten einen großen Teil ihrer Zeit mit irgendwelchen Zahlenwerken beschäftigen. Professorinnen und Professoren müssen von diesen Tätigkeiten durch qualifiziertes Fachpersonal entlastet werden. Auch das gibt es nicht zum Nulltarif.
Auch darf eine leistungsgerechte Vergütung sich nicht nur am wirtschaftlichen Erfolg orientieren, nur weil dieser sich leicht beziffern lässt. Die Landesregierung sagt zwar, dass auch die Qualität ein Kriterium bei der Leistungsbewertung darstellt. Aber Qualität definieren, messen und bewerten ist ein aufwändiges Unterfangen. Der Aufbau eines umfassenden Qualitätsmanagements in einem Klinikum dieser Größenordnung ist nicht trivial und kostet Geld.

Der SSW warnt davor, einerseits den Landeszuschuss weiterhin zu kürzen und gleichzeitig Forderungen zu stellen, die nur mit einem erhöhten finanziellen Aufwand zu bewerkstelligen sind. Dass finanzielle Kürzungen erforderlich sind, darüber sind sich wohl alle einig. Dem zukünftigen Universitätsklinikum Schleswig-Holstein darf aber der Hahn nicht derart zugedreht werden, dass z.B. Rationalisierungsinvestitionen, die sich erst in mehreren Jahren rechnen, nicht getätigt werden können. Zunächst kostet die Fusion Geld, die Synergie- und Einspareffekte werden sich erst im Laufe der nächsten Jahre nach und nach einstellen. Die Quadratur des Kreises haben schon andere versucht und sind daran gescheitert.

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