Rede · 23.02.2011 Gesetzentwurf über den Vollzug der Untersuchungshaft
Seit 2006 wartet Schleswig-Holstein auf ein eigenes Untersuchungshaftvollzugsgesetz. Nachdem der erste Entwurf im Herbst 2009 der Diskontinuität anheim gefallen ist, versuchen wir es heute erneut mit der ersten Lesung eines Entwurfs, der allerdings nur auf den ersten Blick genau so aussieht wie in der letzten Wahlperiode.
Zum einen steht im Gegenteil zum letzten Entwurf in der Einleitung und der Begründung dieses Gesetzes, dass die Landesregierung im Rahmen der Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen beschlossen hat, die JVAs Flensburg und Itzehoe aus Gründen der Wirtschaftlichkeit zu schließen. Damit setzt sich die Landesregierung über den Beschluss des Parlaments hinweg und gibt erneut die Schließung der kleinen JVAs bekannt. Aus Sicht des SSW kann ich dazu nur sagen, dass wir uns dies - angesichts der sorgfältigen Arbeit und Veränderungen aus dem Justizministerium - nicht als Versehen vorstellen können. Akribisch sind nämlich sonstige Veränderungen in diesem Gesetzentwurf aufgenommen worden.
Zum anderen trägt der neue Gesetzentwurf einen grundlegend anderen Tenor als der alte. Es geht nämlich nicht mehr um die Schaffung eines fortschrittlichen Untersuchungshaftvollzugsgesetzes, sondern um Einsparungen. In dem vorangegangenen Entwurf gab es Maßnahmen, die das Land etwas kosten, um den Menschen, die in Gefängnissen aufgrund eines Verdachtes und eines besonderem Haftgrundes sitzen, die Möglichkeit zur Weiterentwicklung zu geben oder ihnen bei der Bewältigung ihrer Probleme zu helfen. Davor schreckt das Land jetzt zurück und versucht wo es nur geht, die Situation der U-Häftlinge nicht zu verbessern.
Auf die Anpassung der Eckvergütung für die Ausübung einer Arbeit oder Teilnahme an einer Beschäftigungsmaßnahme auf das Niveau der Strafgefangenen wird aus haushälterischen Gründen verzichtet. Genau so, wie man im ersten Gesetzentwurf für eine solche Änderung argumentierte, argumentiert man jetzt für das Gegenteil. Das gleiche Bild sieht man beim Taschengeld. Die einstige Einführung des Taschengeldes ist für bedürftige U-Häftlinge auf ein Darlehen reduziert worden. Im ersten Entwurf war das Taschengeld noch wichtig, um die Entstehung subkultureller Abhängigkeiten zu verhindern. Im zweiten Entwurf wird das Taschengeld ebenfalls aus haushälterischen Gründen nur noch als Darlehen gewährt. Was für eine Farce! Wie sich die Gewährung von Taschengeld als Darlehen für insolvente U-Häftlinge gestalten soll oder wie das Angebot der Schuldnerberatung und die gleichzeitigen Kürzungen in diesem Bereich miteinander vereinbaren lassen - darauf gibt der Gesetzentwurf keine Antwort. Auch auf die damit verbundenen erhöhten Verwaltungskosten
wird nicht eingegangen.
Weitere Verschlechterungen für die U-Häftlinge gibt es bei den Besuchszeiten. Zukünftig werden bei zwei Stunden Besuchszeit pro Monat auch die Besuche der Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe und der Bewährungshilfe auf die reguläre Besuchszeit angerechnet. Und als wenn dies nicht schon schlimm genug ist, weil damit die Besuchszeiten für Familie und Freunde drastisch reduziert werden, werden auch noch Besuche in den Abendstunden und an den Wochenenden gestrichen. Im gleichen Atemzug will man die JVAs in Flensburg und Itzehoe schließen und macht es damit für viele Familien und Freunde komplett unmöglich, Besuchszeiten wahrzunehmen. Familie und Freunde müssen dann schon Urlaub nehmen oder gleich arbeitslos sein, aber dann können sie sich die Besuche aufgrund der hohen Anfahrtskosten auch nicht mehr leisten.
All dies sind Verschlechterungen, die aus haushälterischen Gründen vollzogen werden. Das alte Gesetz hatte einen Finanzierungsbedarf von 700.000 Euro pro Jahr. Der Finanzierungsbedarf des jetzt vorliegenden Gesetzes bleibt unklar. Der Mehrbedarf an Personal wird in Teilen durch die vorhandenen Haushaltsmittel abgedeckt, in Teilen wird nur der Bedarf genannt, aber keine Kosten. Insgesamt steht das Gesetz und die Umsetzung der darin genannten Maßnahmen – vor allem auch die Maßnahmen, die entwicklungsfördernde Hilfestellungen leisten – unter dem Vorbehalt der Haushaltssituation. Und was das heißt, wissen wir ja alle längst zu genüge.
Aus Sicht des SSW kann ich daher zu dem vorliegenden Entwurf nur sagen, dass wir einem derartigen Gesetz so nicht zustimmen. Heute ist die 1. Lesung und wir hoffen, dass im Rahmen der Ausschussberatung angemessene Veränderungen vorgenommen werden.