Rede · 16.07.2009 Gesetzentwurf über die Einrichtung einer Anstalt öffentlichen Rechts „Einheitlicher Ansprechpartner Schleswig-Holstein“

Im ungünstigsten Fall muss ein Existenzgründer bis zu 46 verschiedene Genehmigungsverfahren durchlaufen, wie die Kollegen aus Mecklenburg-Vorpommern errechnet haben. Auch ein Verwaltungsfuchs tut sich mit der richtigen Reihenfolge und Einhaltung der Verfahren schwer; von der Suche nach den jeweils richtigen Ansprechpartner ganz zu schweigen. Viele Gründer kapitulieren vor diesem Verwaltungsdschungel und so entsteht der Volkswirtschaft ein nicht zu kalkulierbarer Schaden.
Die Errichtung einer einzigen Stelle für alle Anträge und Verfahren ist ein lang gehegter Traum, der mittels der EU-Dienstleistungsrichtlinie zumindest für Existenzgründer und Gewerbeanmelder erfüllt werden soll.
Eine sachkundige Lotsenstelle würde eines der größten Hemmnisse im Wirtschaftsleben beseitigen und wäre für grenzüberschreitende Wirtschaftskontakte eine echte Erleichterung. Wenn wir bedenken, dass Schleswig-Holsteins Wirtschaft vor allem von den kleinen und mittelgroßen Unternehmen profitiert, ist es höchste Zeit, diese Verfahrenshürden abzubauen.

Wir verschenken allerdings eine Chance, wenn wir die Ansprechstelle nicht gleichzeitig auch für andere Belange öffnen. Nicht zufällig fällt mir dabei der gemeinsame Arbeitsmarkt im deutsch-dänischen Grenzland ein. Dort zeigt das Regionskontor, wie unbürokratische Beratung und Information funktioniert. Ob man eine Immobilie beim Nachbarn erwerben möchte oder einen Nebenjob anstrebt: die Berater vom Regionskontor beraten und nennen die wichtigsten Ansprechpartner. In einigen Belangen gibt es sogar Laufzettel, deren konsequente Abarbeitung doppelte Wege vermeiden helfen. Es würde also Sinn machen diese Institution in die Arbeit mit einzubeziehen und vielleicht sogar an der einheitlichen Ansprechstelle zu beteiligen.

Eine Einbeziehung der Gewerkschaften bzw. des Deutschen Gewerkschaftsbundes ist darüber hinaus für den SSW unverzichtbar. Die Aufnahme von zum Beispiel Gewerkschaften als Träger erst zum 1. Januar 2015 zuzulassen, wie in § 1 des vorliegenden Entwurfes vorgesehen, ist nicht akzeptabel. Aus leidvoller Erfahrung wissen wir alle, dass einmal etablierte Strukturen nur schwer zu ändern sind. Darum ist es besser, die Trägerstruktur bereits von Beginn an auf eine breitere Basis zu stellen.
Ich möchte hier nur an die hervorragende Arbeit des EURES-Netzwerkes erinnern, in dem Arbeitsverwaltung, Arbeitgeberverbände und eben die Gewerkschaften den gemeinsamen Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein und dem südlichen Dänemark etablierten. Dabei geht es dann auch darum, nicht nur immer Außenstehenden mitzuteilen, welches die Mindeststandards in unserem Land sind. Sondern es muss auch dargestellt werden, welche Möglichkeiten man hat, Mitarbeiter und Beschäftigte zu motivieren, in dem man besondere Leistungen für das Personal bietet. Hierfür könnten insbesondere die Gewerkschaften stehen.

Diese Erfahrungen sind es auch, die es dringend angeraten erscheinen lassen, die Experten, die täglich mit ausländischen Gründern zu tun haben, in der neuen Stelle zu berücksichtigen. Die lange Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war in der Vergangenheit das Hauptproblem vieler Projekte: Bis alle wussten, wie die Abläufe und Verfahren sind, wen sie am besten ansprechen können und sich eine gemeinsame Arbeitsgrundlage herausgebildet hatte, nahm oftmals einen Großteil der Projektlaufzeit in Anspruch. Statt also immer neues Personal einzuarbeiten, sollten wir das bestehende Knowhow nutzen.
Damit sind wir bei einem wichtigen Kritikpunkt: die Neueinstellung - also Schaffung neuer Stellen - auch wenn es zum Beispiel die des Geschäftsführers des Einheitlichen Ansprechpartners ist, kommt in Zeiten massiver Personaleinsparung nicht infrage. Wenn das Land sich beteiligt, dann dürfen Steuergelder nicht für Neueinstellungen ausgegeben werden, sondern der Landesanteil an den Kosten sollte durch die Abordnung von Fachpersonal aus den Ministerien erfolgen. Alle anderen Beteiligten müssten eigentlich das gleiche Interesse haben. Deshalb müssten Neueinstellungen für diese Tätigkeit explizit im Gesetzentwurf ausgeschlossen sein.

Eine ernsthafte Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie bedeutet, dass bundesweit ein kohärentes Netz Einheitlicher Ansprechpartner geschaffen wird. Das bedeutet natürlich auch, dass die Bundesländer ihr Vorgehen miteinander abstimmen. Ansonsten wird der Einheitliche Ansprechpartner schnell zum 16-fachen Ansprechpartner. Leider geht aus dem vorliegenden Entwurf nicht hervor, inwieweit diese Abstimmungen zwischen den Ländern erfolgt sind. Die gemeinsamen Bund-Länder-Papiere, die das Anforderungsprofil der Einheitlichen Ansprechpartner, zumindest in groben Zügen, festlegen, haben in den Verwaltungen der Länder ganz unterschiedlichen Widerhall gefunden. So hat Hessen gleich drei Stellen eingerichtet, bei jedem der Regierungspräsidien eine; Brandenburg hat dagegen im nachgeordneten Bereich des Wirtschaftsministeriums eine entsprechende Stelle eingerichtet und ist nun vollends damit beschäftigt, eine grundlegende IT-Lösung zu erarbeiten.

Man sieht also, dass noch vieles in Bewegung ist. Wir können für uns aber feststellen, dass das Ziel – eine Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle - richtig ist. Einige mögliche Beteiligte – wie die Gewerkschaften - fehlen aber noch und müssen noch im Gesetz abgesichert werden. Und wir sollten darauf achten, dass nicht neue Dienstverhältnisses geschaffen werden, sondern auf das schon jetzt vorhandene gute Personal zurückgegriffen wird. Berücksichtigt man diese Anregungen, kann der einheitliche Ansprechpartner ein Erfolgsmodell werden. Lässt man allerdings wichtige Partner außen vor, erhalten wir mit Sicherheit keine Lösung aus einem Guss.

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