Rede · 27.09.2012 Gesetzentwurf zum Versammlungsrecht in Schleswig-Holstein

Wir haben schon Ende letzten Jahres zum fast gleichlautenden damaligen grünen Gesetzentwurf hier im hohen Hause debattiert. Die Bedenken beziehungsweise Fragestellungen sind seitdem nicht viel anders geworden. Nach der Föderalismusreform fällt das Versammlungsrecht in die Kompetenz der Länder, die allerdings ohne eigenes Gesetz einfach das Bundesgesetz weiter gelten lassen können. Das halten auch die allermeisten Bundesländer so, weil das Versammlungsgesetz es nämlich in sich hat. Die ersten Länder, die ein eigenes Versammlungsgesetz verabschiedeten, allen voran Bayern, holten sich vor Gericht eine blutige Nase.
Das Versammlungsrecht gehört zu den besonders schützenswerten Grundrechten. Darum sollten wir sorgfältig, ohne Zeitdruck und ohne ideologische Scheuklappen vorgehen. Der vorliegende Gesetzentwurf könnte Ausgangspunkt für ein schleswig-holsteinisches Versammlungsrecht sein. Es bedarf aber einer gründlichen Diskussion, weil der Schritt, ein eigenes Versammlungsrecht einzuführen, nur dann Sinn macht, wenn man wesentliche Änderungen zum bisher bundesweit geltenden Recht umsetzen will.
Nach unserer Ansicht sollte ein Gesetzentwurf zum Versammlungsrecht auch den Fokus auf dieses Recht richten. Es geht nämlich nicht mehr um den Schutz der Versammlungsfreiheit, sondern, um die Kontrolle der Polizei, der sehr detailliert vorgeschrieben werden soll, wie sie vorzugehen hat. Das widerspricht allen Erfahrungen, wonach sich Demonstrationen völlig unvorhersehbar entwickeln können. Mit dem bisherigen Bundesrecht ist man zumindest nicht schlecht gefahren und deshalb wird für uns ein Hauptkriterium sein, wie die fachliche Einschätzung von Seiten der Polizei sein wird. Es ist natürlich richtig, dass Neuerungen immer möglich sein müssen. Sie müssen aber auch praktikabel sein und hierzu hatten wir auch schon bei der Beratung zum grünen Original-Gesetzentwurf unsere Bedenken.
Ich habe am Anfang schon gesagt, dass ein Abgleich mit dem bestehenden Bundesgesetz bei der Entscheidung für oder wider eine Landesregelung notwendig ist. Betrachtet man den Paragrafen 1 der regelt, wer sich versammeln darf, dann fällt schon auf, dass verfassungswidrige Parteien, deren Unterstützer und Vereinigungen, die nach Art 9 Abs. 2 Grundgesetz verboten sind, im Vergleich zur Bundesregelung nicht erwähnt sind. Genannt sind dort, Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Denkbar ist, dass zum Beispiel solche Vereinigungen zu Versammlungen aufrufen können, selbst, wenn sie verboten sind. Auch kann dies durch Repräsentanten der verbotenen Vereinigung geschehen. Findet sich dann kein Passus im Versammlungsrecht, gibt es auch keine Handhabe, eine Versammlung auf diesem Wege zu verbieten. Auch dieses Beispiel zeigt, dass es zumindest noch einen Bedarf an Diskussionen gibt.
Alles in allem, macht es nach unserer Auffassung durchaus Sinn, über ein modernes Versammlungsrecht nachzudenken. Wichtig wäre für uns, dass man die diesbezüglichen Überlegungen mit dem bundesgesetzlichen Rahmen abgleicht, den wir jetzt schon haben. Deshalb ist es nicht nur wichtig, Demonstrationen und Versammlungen so weitestgehend wie möglich auch in Zukunft zuzulassen, sondern auch den Gedanken der wehrhaften Demokratie nicht aus den Augen zu verlieren. Beides sind in der Tat zwei Seiten derselben Medaille. Wird eine Demokratie von Verfassungsfeinden in Frage gestellt, ist die Versammlungsfreiheit und die Freiheit allgemein in Gefahr und gewähren wir möglichst viel Freiheit seine Meinung zu äußern, stärkt dies die Demokratie.
Wie dieser Spagat am besten zu bewerkstelligen ist, darüber besteht noch Beratungsbedarf.


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