Rede · 23.05.2025 Mehr Verbindlichkeit im Umgang mit dem Altenparlament
„Es ist nicht geregelt, was mit den Beschlüssen des Altenparlamentes passieren soll. Sie werden zur Stellungnahme herumgeschickt, viele Fraktionen beteiligen sich auch mit einzelnen Vertreterinnen und Vertretern an den Diskussionen – aber letztlich haben wir kein bindendes Verfahren festgelegt, was mit den Beschlüssen passiert. Das sollten wir schleunigst nachholen.“
Christian Dirschauer zu TOP 27 - Erarbeitung einer zukunftsweisenden und partizipativen Landesstrategie Seniorinnen- und Seniorenpolitik für Schleswig-Holstein (Drs. 20/3175)
Ich denke wir alle haben den Wunsch, bis ins hohe Alter möglichst lebenswert und selbstbestimmt zu leben. Das gilt selbstredend auch für die heutige Generation von Seniorinnen und Senioren. Wenn es um Themen wie gesundes Altern, altersgerechte Wohnformen oder eine menschenwürdige Pflege geht, hat die Landespolitik aus meiner Sicht einen klaren Auftrag. Und zwar den, hier nicht nur für gute Rahmenbedingungen, sondern auch für passgenaue Teilhabemöglichkeiten zu sorgen. Denn für uns ist völlig klar, dass Seniorinnen und Senioren als Experten in eigener Sache am besten wissen, welche spezifischen Bedarfe und Bedürfnisse ältere und hochbetagte Menschen haben.
Diese immer größer werdende Gruppe übt ihre politische Teilhabe bekanntlich auch über das so genannte Altenparlament aus, das hier im Haus seit 1989 jährlich zusammenkommt. Die Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände wollte vor einigen Monaten wissen, was die Fraktionen von den Initiativen, Vorschlägen und Forderungen des Vorjahres berücksichtigt haben und welche Pläne man generell für diese Legislatur in der Seniorenpolitik verfolge. Meines Wissens kam nur eine Antwort, und zwar aus der SSW-Fraktion. Wir verwiesen dabei unter anderem auf unsere Anträge gegen Altersarmut, die Begrenzung der Eigenanteile in der stationären Pflege oder die Einrichtung einer Landesstelle zur Suizidprävention. Ich will anderen Fraktionen nicht ihre Aktivitäten in diesem wichtigen Feld absprechen. Aber die Tatsache, dass die Landesarbeitsgemeinschaft überhaupt nachfragen muss, zeigt schon ein sehr geringes Maß an Verbindlichkeit. Denn es ist eben nicht geregelt, was mit den Beschlüssen des Altenparlamentes passieren soll. Sie werden zur Stellungnahme herumgeschickt, viele Fraktionen beteiligen sich auch mit einzelnen Vertreterinnen und Vertretern an den Diskussionen – aber letztlich haben wir kein bindendes Verfahren festgelegt, was mit den Beschlüssen passiert. In der Regel werden die Beschlüsse in den Ausschüssen zur Kenntnis genommen, aber bei selbstkritischer Draufschau passiert im Nachgang doch zu wenig. Das sollten wir schleunigst nachholen. Da bringt der Antrag hoffentlich etwas ins Rollen, denn die Arbeit, die im Altenparlament geleistet wird, ist inspirierend und aus diesem Gremium kommen viele gute Vorschläge.
Ungefähr jeder vierte bzw. jede vierte Schleswig-Holsteiner ist 65 Jahre alt oder älter. Diese Personen sind in der Regel nicht mehr erwerbstätig. Das ist aber meist die einzige Gemeinsamkeit. Unter den Seniorinnen und Senioren gibt es Menschen, denen es finanziell gut geht, und es gibt eine steigende Zahl von Menschen, die gar kein oder nur eine kleine Rente haben, so dass sie auf ergänzenden Sozialleistungen angewiesen sind. Es gibt Personen, die Hilfe brauchen und andere, die gleich mehrere Ehrenämter ausfüllen - also anderen helfen. All diese Menschen mit ihren unterschiedlichen Ressourcen in einen Topf zu schmeißen, halte ich gerade mit Blick auf ihre Teilhabemöglichkeiten nicht für zielführend. Wir müssen genauer hinschauen, damit die Angebote deutlich passgenauer sind und Teilhabe möglichst niedrigschwellig und damit für alle möglich wird.
Pflegebedürftigkeit macht Teilhabe schwieriger. Ich denke hier nicht nur an die Bewohnerinnen und Bewohner in den Einrichtungen, sondern auch an Schwellen und Barrieren für ältere Menschen mit einem Handicap. Schwerhörigkeit ist beispielsweise in der Flensburger Ratsversammlung ein großes Problem. Menschen mit Hörgerät können in der halligen Atmosphäre der Bürgerhalle kaum etwas verstehen. Sie werden also von der Teilhabe ausgeschlossen, wenn es um Projektvorstellungen und Beteiligungsformate geht. Würde beispielsweise in die Bürgerhalle eingeladen, um über eine Landesstrategie für Seniorinnen und Senioren zu sprechen, bleiben diese Personen außen vor. Noch dazu fühlen sich viele Seniorinnen und Senioren durch die Digitalisierung ausgeschlossen oder sogar diskriminiert, weil ihnen die Teilhabe verwehrt wird. Das ist besonders bei den Hochaltrigen der Fall, also Menschen, die 80 Jahre und älter sind. Sie hätten eigentlich von barrierefreien Angeboten besonderen Nutzen, kennen diese oft aber einfach nicht oder fürchten sich vor den nötigen technischen Schritten.
Natürlich kann man bezweifeln, ob eine Landesstrategie allein hier Abhilfe schaffen kann. Aber mit Blick auf unser Flächenland scheint zumindest mal sicher, dass wir die digitalen Knotenpunkte ausbauen und deren Zugänglichkeit durch den öffentlichen Nahverkehr sichern müssen. Die partizipative Entwicklung einer Landesstrategie ist aber auch vor dem Hintergrund solcher recht konkreter Aufgaben der erste richtige Schritt: denn wir müssen doch wissen, welche Bedarfe es wo gibt und wo wir insgesamt hinwollen. Gleichzeitig muss klar sein, dass uns verbesserte Rahmenbedingungen für ältere und hochaltrige Menschen auch etwas kosten werden. Daher ist es nur konsequent, wenn wir die nötigen finanziellen Mittel von vornherein im Rahmen einer solchen Strategie mitverabschieden. Andernfalls wird die Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände bei Fragen nach der konkreten Umsetzung wohl wieder keine Antworten erhalten.