Rede · 22.01.2014 Verlust der Staatsangehörigkeit infolge des Optionszwang

„Die doppelte Staatsbürgerschaft ist normal!“

Die doppelte Staatsbürgerschaft ist normal! Kinder von EU-Bürgern können bereits zwei Staatsangehörigkeiten haben, wenn sie in Deutschland leben. Allerdings tut sich Deutschland immer noch schwer damit, diese neuen gesellschaftlichen Realitäten auch für die Bürger anzuerkennen, deren Eltern aus einem Staat außerhalb der EU kommen. Immer mehr deutsch-türkische oder andere bi-nationale Familien leben allerdings schon vor, dass man durchaus mit zwei nationalen Wurzeln verbunden sein kann. Und dass müssen wir immer wieder erklären. Was wir brauchen, sind mehr Gesichter von Zweitgenerationsmigranten, die in Wirtschaft, Forschung, Sport und nicht zuletzt in den Parlamenten zeigen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Die Wahrnehmung muss sich ändern; und ich bin mir sicher, das wird sie auch. Eine bunte, lebendige und bewegliche Gesellschaft ist einfach die bessere Gesellschaft. Sie kann mehr leisten als eine unbewegliche und homogene Gesellschaft. Auf die globalen Herausforderungen benötigen wir ein regelrechtes Arsenal an Antworten. Gut, wenn wir die gemeinsam finden können. Wer sich allerdings als Neu-Deutscher in solche Debatten mit seinen Ideen einbringt, der möchte auch die Anerkennung seiner Herkunft. Das passende Symbol dazu ist die doppelte Staatsbürgerschaft. Das ist die Anerkennung, die wir als Staat vergeben können, weil sie mit umfangreichen Rechten verbunden ist. Vorranging zu nennen sind das aktive und passive Wahlrecht, das mit der Staatsbürgerschaft verbunden ist, oder das Recht, sich im Ausland durch die deutsche Botschaft unterstützen lassen zu können. Der Vollständigkeit nenne ich aber auch noch die Pflichten, zu denen bei den meisten Staaten die Wehrpflicht gehört oder die Pflicht, auch bei ausländischem Wohnsitz Steuern zu bezahlen.
Eigentlich kann man angesichts dieser technischen Konsequenzen nicht verstehen, warum Fragen der Staatsbürgerschaft in Deutschland so erbittert geführt werden. Deutschland als Nationalstaat hat in der Geschichte über die Staatsbürgerschaft ethnische und politische Grenzziehung betrieben. Und das wirkt nach.
Darum doktern wir immer noch an mit diesem vermaledeiten Optionsmodell aus dem Jahr 2000 herum. Ein typischer Wiedergänger hier im Parlament. Seit seiner Einführung fordert der SSW nämlich immer wieder, in jeder Debatte aufs Neue, die Ablehnung dieses unsinnigen und demütigenden Verfahrens. In Deutschland geborene Kinder von Eltern aus Nicht-EU-Staaten sollten sich nicht länger bis um 23. Geburtstag für die deutsche Staatsangehörigkeit oder für die Staatsangehörigkeit der Eltern entscheiden müssen. Die Abschaffung des Optionsmodells führt weder zur Masseneinwanderung noch zur Unterhöhlung unserer Gesellschaft. Also: Keines der Argumente, die gegen die Doppelte Staatsbürgerschaft bislang vorgebracht wurden, kann wirklich überzeugen. Sie muten vielmehr wie Rückzugsgefechte Ewiggestriger an, die sich schwer tun mit neuen gesellschaftlichen Realitäten.
Darum war immer klar: Weg mit dieser unsinnigen Regelung!
So haben es CDU und SPD im Koalitionsvertrag auch vereinbart. Ich zitiere: „Zuwanderer sollen Staatsbürger werden. Wer in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, soll seinen deutschen Pass nicht verlieren und keiner Optionspflicht unterliegen.“ Diese klaren, eindeutigen Worte waren überfällig und hinken der gesellschaftlichen Veränderung hinterher. Nichtsdestotrotz sind sie richtig und leiten hoffentlich einen Perspektivwechsel an!
Allerdings folgen diesen Worten keine Taten. Im Gegenteil, die Große Koalition hat einen entsprechenden Antrag der Opposition, bis zum offiziellen Ende des Optionsmodells eine Übergangsregelung zu ermöglichen, letzte Woche abgelehnt. Aufgrund einer nicht nachvollziehbaren Regierungs-Logik haben wir immer noch dieses falsche Optionsmodell. Die neue Mehrheit hat im Bundestag eine historische Chance vertan. Schätzungsweise 5.400 junge Menschen werden also im Laufe des Jahres Post bekommen, damit sie sich aufgrund des Optionsmodells für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Sie erhalten mit dem Schreiben nicht den Antrag auf Beibehaltungsgenehmigung, wie es die GRÜNEN vorgeschlagen hatten. Die Beibehaltungsgenehmigung nach dem Staatsbürgergesetz ist zu erteilen, „wenn die Aufgabe oder der Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit nicht möglich oder nicht zumutbar ist oder bei einer Einbürgerung nach Maßgabe von § 12 Mehrstaatigkeit hinzunehmen wäre.“ Soweit das Gesetz, auf das sich nicht nur schleswig-holsteinische Bürgerinnen und Bürger beziehen können.
Im Gegensatz zu Bürgern in anderen Ländern, finden sie aber bei uns Gehör. Innenminister Breitner regt gegenüber unseren kommunalen Einbürgerungsbehörden an, das Optionsverfahren nicht anzuwenden und das neue Bundesgesetz abzuwarten. Damit folgt er seinem Hamburger Amtskollegen.
Das ist vorbildlich und das richtige Signal. Viele Menschen aus Ländern außerhalb der EU leben bei uns und viele junge Menschen stünden normalerweise jetzt vor der Wahl, welche Staatsbürgerschaft sie behalten wollen. Wir hoffen, dass die Behörden hier jetzt schon der zukünftigen Gesetzeslage unbürokratisch vorauseilen und den Menschen diese Wahl ersparen. Das wünsche ich mir im Übrigen nicht nur für Schleswig-Holstein, sondern für die gesamte Bundesrepublik.

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