Rede · 10.12.2003 Weiterentwicklung der Drogenpolitik

Als vier von fünf Fraktionen hier im Landtag vor gut zwei Jahren die erste Initiative zur Weiterentwicklung der Drogenpolitik ergriffen, hieß der Antrag „neue Wege in der Drogenpolitik“. Wir wollten erkunden, welche Alternativen zur heutigen Vorgehensweise bestehen. In der Folge haben Kolleginnen und Kollegen viel Zeit und Arbeit investiert - Wissenschaftler, Praktiker und Betroffene, die wir anhörten, ebenso. Ich finde, die Anhörung hat sich gelohnt, weil wir gemeinsam Erkenntnisse über das Funktionieren und die Defizite der gegenwärtigen Drogenpolitik gewonnen haben. Uns wurden neue Wege aufgezeigt, die wir gehen müssen, um die Drogenpolitik zu verbessern.

Was aus dieser Anhörung für die Fraktionen von SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und uns, vom SSW besonders wichtig war, spiegelt sich in dem Antrag „Weiterentwicklung der Drogenpolitik in Schleswig-Holstein“ wider. Er ist mit Sicherheit nicht erschöpfend, wenn es um die Handlungsbedarfe in der Drogenpolitik geht. Aber er benennt einige wichtige Bereiche, in denen unserer Meinung nach mehr oder anderes getan werden muss. Ich finde, es ist eine Leistung, dass es gelungen ist, vier von fünf Fraktionen bei einem so kontroversen Thema zusammenzubringen. Leider findet sich dieser breite Konsens für den Wandel nur bedingt in dem Bericht der Landesregierung wider. Der Bericht „Weiterentwicklung der Drogenpolitik“ – von uns eben auch als die Beschreitung „neuer Wege“ in der Drogenpolitik intendiert – entspricht kaum den Erwartungen. Die in dem Berichtsantrag vom Landtag ausdrücklich geforderte „konzeptionelle Weiterentwicklung“ ist jedenfalls schwer zu erkennen. Der Bericht ist im Wesentlichen eine Bestandsaufnahme, die einige Verbesserungen im Detail enthält.

Am deutlichsten wird dieses bei den strafrechtlichen Aspekten der Drogenpolitik. Mit ihren Aussagen zur Differenzierung in legale und illegale Drogen bleibt die Landesregierung hinter den Erwartungen zurück, die nicht nur wir im Landtag haben. Es scheint fast, als suche die Landesregierung in dieser Frage nach dem Rückwärtsgang. Der Leerlauf hat sie jedenfalls schon gefunden. Natürlich hat die Regierung Recht, wenn sie sagt dass eine deutlichere Betonung der Gefahren der legalen Drogen, Alkohol und Tabak, dringend erforderlich ist. Die stärkere Betonung dieser Rauschmittel im Rahmen der Prävention allein wird aber noch nicht dem Ziel gerecht, endlich eine konsistente rechtliche Bewertung der Substanzen herzustellen und diese zumindest Modellweise zu erproben. Auch wenn es eine Angleichung illegaler und legaler Drogen bei der Prävention gibt: die Konsumenten werden strafrechtlich ungleich behandelt, obwohl die Wirkungen und Nebenwirkungen der einzelnen Substanzen dieses nicht begründen können. Ich kann verstehen, dass die desaströsen Finanzen und die aktuelle politische Situation auf Bundesebene die Hoffnung auf eine deutliche Verbesserung der Drogenpolitik nicht gerade fördern. Das heißt aber nicht, dass man seine Ziele und Visionen aufgeben sollte. Das ist aber leider der Eindruck, der beim Lesen des Berichts hängen bleibt - und der ja auch schon entsprechend in der Presse referiert worden.

Jenseits der „großen“ rechtlichen Fragen der Drogenpolitik gibt es aber noch eine Reihe weiterer Bereiche, die schon in unserem gemeinsamen Antrag angesprochen wurden. Ein Aspekt der mir besonders am Herzen liegt, sind die Hilfen für drogengefährdete und -abhängige Kinder und Jugendliche und deren Eltern. Es geht insbesondere um die Zusammenarbeit und die Qualifizierung von Drogenhilfe und Jugendhilfe und zu diesem Punkt formuliert die Regierung ja auch Anforderungen. Es ist richtig, dass die Vernetzung regional und lokal stattfinden muss, wo die praktische Arbeit vor sich geht und wo auch die politische Kompetenz für die Jugendhilfe liegt. Trotzdem hätte ich mir von der Landesregierung deutlichere Anreize für die Verzahnung der Hilfen für Kinder und Jugendliche gewünscht, wie sie auch in unseren Anhörungen mehrfach gefordert wurden.

Eine andere Frage, die uns bewegt hat, ist die Situation in den Justizvollzugsanstalten des Landes. Ich kann einsehen, dass es angesichts der Folgeprobleme ein unlösbares Dilemma wäre, den Spritzentausch für Häftlinge anzubieten. Wenn dieses nicht geht, dann ist es allerdings das mindeste, dass andere Möglichkeiten - wie die Substitution - ausgereizt werden. Heute ist es leider so, dass die Budgets der Anstaltärzte in den JVAen zu gering sind, um die Möglichkeit der Substitution bei möglichst vielen Drogenabhängigen auszuschöpfen. Deshalb muss die Regierung andere Wege finden, die es z. B. ermöglichen würden, die Substitutionstherapie aus den Budgets herauszunehmen.

Ich könnte noch eine Reihe weiterer Punkte aufzählen, bei denen der Bericht der Landesregierung nicht dem Anspruch gerecht wird, die Handlungsbedürfnisse und Handlungsmöglichkeiten der Drogenpolitik im Sinne einer konzeptionellen Neuentwicklung aufzuzeigen. Die Landesregierung setzt - bis auf wenige rühmliche Ausnahmen wie der Tabakprävention - auch keine eigenen neuen Schwerpunkte, die über einen Ausbau des bestehenden hinausgehen. Aber wer in der Drogenpolitik keine Visionen mehr formuliert, der akzeptiert eine bestehende Drogenpolitik, die in vielen Feldern nicht optimal funktioniert und die teilweise unauflösliche Widersprüche enthält. Deshalb hoffe ich, dass wir uns im Ausschuss noch darauf verständigen können, zumindest einige kleine, konkrete Schritte auf dem Weg hin zu einer besseren Drogenpolitik zu fordern. Denn die neuen Wege in der Drogenpolitik, die der Landtag gesucht und gefordert hat, stehen offensichtlich noch nicht auf der Landkarte der Landesregierung.

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