Rede · 23.04.1997 Weiterentwicklung des Regionalprogramms

In diesem Frühjahr häufen sich die Hinweise aus der Landesregierung, daß das Regionalprogramm für strukturschwache ländliche Räume im Zuge der Haushaltskonsolidierung zur Disposition steht - oder sehr stark reduziert werden soll. Es ist also weder Panikmache noch eine Schreckensmeldung, die uns dazu gebracht hat, diesen Antrag einzubringen, sondern allein die Sorge um ein für die strukturschwachen Gebiete wichtiges Instrument zur wirtschaftlichen Entwicklung der Regionen.

Wir sehen die Notwendigkeit, das Programm fortzuführen. Das heißt nicht, daß wir uns Änderungen verschließen, vielmehr machen wir machen uns dafür stark, daß das Regionalprogramm für strukurschwache ländliche Räume längerfristig mit einem angemessenen Mittelzufluß weitergeführt wird. Angemessen, das heißt für uns eine Abwägung zwischen der schwierigen finanziellen Lage des Landes und der schwierigen wirtschaftlichen Situation der strukturschwachen Gebiete Schleswig-Holsteins. Uns geht es darum, daß die Landesregierung auch in diesen Sparzeiten ihre bisher aktive Regionalpolitik nicht nur weiterführt, sondern auch weiterentwickelt.

Ich möchte kurz auf die Geschichte des Regionalprogramms eingehen. Schon seit den 50´er Jahren hat der SSW Vorschläge für einen gezielten Einsatz für unseren strukturschwachen Landesteil vorgelegt. Es bedurfte aber des Regierungswechsels von 1988, damit 1989 mit den Stimmen von SSW und SPD die ersten Regionalprogramme „Landesteil Schleswig“ und „Westküste“ beschlossen werden konnten. Jeweils 25 Millionen DM sollten in den folgenden Jahren in diese Regionen investiert werden. Ziel war es, den wirtschaftlichen Abstand zwischen den besonders strukturschwachen Regionen im ländlichen Raum und den wirtschaftlich starken Gebieten, beispielsweise die Hamburger Randgebiete, zu mindern.

1995 wurden diese Programme zu einem Programm - dem „Regionalprogramm für strukturschwache ländliche Räume“ - zusammengefaßt. Gleichzeitig wurden das Förderkonzept geändert und die Fördergebiete erweitert - beispielsweise um Ostholstein/Plön. Trotz des erweiterten Fördergebiets wurden die Mittel nicht erhöht. Im Gegenteil: Die verschiedene Regionen sollten jetzt in einem Qualitätswettbewerb um die Fördermittel treten. Eine andere wichtige Erneuerung war, daß man durch diese Änderung erhoffte, mehr EU-Gelder für diese Projekte zu bekommen. Ende 1996 wurde die einzelbetriebliche Förderung abgeschafft - leider.

In den ersten Jahren der Regionalprogramme hat es erhebliche Kritik, beispielsweise vom Landesrechnungshof, an der Verwendung der Mittel gegeben. Ein typischer Kritikpunkt war, daß die Mittel von den Kommunen teilweise für den Ausbau von Radwegen mißbraucht worden waren. Nach Gesprächen vor Ort mit kommunalen Vertretern und Wirtschaftsexperten sind wir allerdings zur Auffassung gelangt, daß diese Kritik heute nicht mehr gerechtfertigt ist. Die Entscheidungsträger haben von dieser Kritik gelernt, und in den letzten Jahren sind durch den Einsatz der Mittel viele positive Ergebnisse für die strukturschwachen Gebiete erzielt worden.

Dazu beigetragen hat auf der einen Seite die Schaffung der regionalen Wirtschaftsförderungsgesellschaften, die WIREG und die Projektgesellschaft Westküste, die die Mittel im Landesteil Schleswig verwalten. Auf der anderen Seite hat sich eine bessere Steuerung des Programms durch die Interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) der Landesregierung positiv ausgewirkt.

Seit 1989 sind insgesamt 150 Projekte im Landesteil Schleswig durch das Regionalprogramm gefördert worden. Dazu gehören 20 Gewerbegebietserschließungen und viele Einzelprojekte darunter einige Technologiezentren, die Messehalle Husum und andere. Viele dieser Projekte haben effektiv zu Verbesserung der wirtschaftlichen Situation beigetragen. Auch die einzelbetriebliche Förderung hat mit 56 geförderten Projekten - hauptsächlich Betriebserweiterungen - und der Schaffung bzw. des Erhalts von 705 Dauerarbeitsplätzen positive Ergebnisse vorzuweisen.

Gegen die einzelbetriebliche Förderung ist ins Feld geführt worden, daß die Betriebe solche Mittel nur als Mitnahmeeffekte betrachten. Unserer Meinung nach hat sich das Regionalprogramms als ganzes als ein wichtiges Instrument der Unternehmenspflege und der Standortverbesserung der strukturschwachen Regionen erwiesen. Die Ergebnisse eines von der Landesregierung in Auftrag gegebenen Gutachtens des Deutschen Institut für Wirtschaftsförderung (DIW) bestätigen im großen und ganzen die positiven Effekte des Regionalprogramms, besonders beim Ausbau der wirtschaftsnahen Infrastruktur.

Das ursprüngliche Ziel der Regionalprogramme, die Schaffung von gleichwertigen Lebensbedingungen in ganz Schleswig-Holstein, ist aber bei weitem noch nicht erreicht. In Flensburg beträgt die Arbeitslosenquote über 17%. Auch die Westküste hat weiterhin eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit. Bei den Neuansiedlungen von Unternehmen war der Norden im letzten Jahr das Schlußlicht. Der weitere Abbau von öffentlichen Arbeitsplätzen und die erst jetzt wirksam werdenden Folgen der Truppenreduzierung in den strukturschwachen Gebieten lassen zusammen mit der allgemein schlechteren wirtschaftlichen Lage weitere Belastungen für die betroffenen Regionen erwarten. Auch durch den geplanten Wegfall des Duty-Free-Handels sind hier viele Arbeitsplätze in Gefahr. Eine starke Reduzierung oder gar die Abschaffung des Programms würde die Regionen also in einer ganz sensiblen Situation treffen.

1996 wurden einschließlich der EU-Mittel immerhin noch insgesamt über 50 Millionen DM über dieses Programm ausgezahlt. Davon kamen zirka 30 Millionen DM vom Land. Durch eine Reduzierung der Regionalprogrammittel würden viele EU-Gelder nicht mehr ausgezahlt werden. Bisher gewährt die EU 40 % für förderungswürdige Projekte. Land und Kommunen beteiligen sich mit jeweils 30% an den übrigen Kosten. Durch einen Wegfall der Landesmittel würden die Gebietskörperschaften bei ihrer eigenen schlechten finanziellen Situation nicht mehr in der Lage sein, die Ausfälle zu ersetzen.

Andere Kofinanzierungsmittel würden für die meisten EU-Programme nicht zur Verfügung stehen. Es gibt zwar noch die Möglichkeit, Mittel aus der GA-Förderung zu bekommen, aber diese Mittel stehen nur begrenzt für eine gezielte und besondere Förderung der strukturschwachen ländlichen Räume zur Verfügung.

Wir fordern also den Erhalt des Regionalprogramms und eine Weiterentwicklung auf der Grundlage der Ergebnisse des DIW-Gutachtens. Dabei tritt der SSW für eine neue Gewichtung der Mittelverteilung ein. Unseren Informationen zufolge ist es bisher so gewesen, daß 90% der Projekte im Bereich der Gewerbegebietserschließung oder anderer Projekte der wirtschaftsnahen Infrastrukturverbesserung geflossen sind.

Die bisherige Schwerpunktsetzung in diesen Bereichen ist gut begründet gewesen. Es war in unserer Region ein großer Nachholbedarf bezüglich wirtschaftsnaher Infrastruktur vorhanden. Heute haben wir eine etwas andere Situation. Der Bedarf an Gewerbegebieten beispielsweise ist nicht mehr ganz so groß und viele der noch geplanten Projekte könnten bei Deckungsgleichheit der Fördergebietskulissen auch durch andere Mittel aus der GA-Förderung finanziert werden.

Deshalb will der SSW erreichen, daß in den nächsten Jahren der Schwerpunkt für das Regionalprogramm etwas verschoben wird. Wir meinen, daß mehr Mittel als bisher in indirekte Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstandorte - wie kulturelle Projekte, Um- und Ausbau von Ausbildungseinrichtungen oder der Förderung des Fremdenverkehrs - investiert werden sollten.

Solche Projekte - ich möchte hier beispielhaft die „Phänomenta“ in Flensburg oder „artefact“ in Glücksburg nennen - können maßgeblich dazu beitragen die Attraktivität der strukturschwachen Gebiete zu erhöhen, und somit zur Standortverbesserung dieser Regionen beitragen. Denn gerade Faktoren wie gute Kultur- und Ausbildungs- und Freizeitangebote für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Wirtschaft werden in Zukunft bei Neuansiedlungen oder auch bei der Entscheidung der Unternehmen in der Region zu bleiben eine wichtige Rolle spielen.

Ein letztes Wort zur Regionalisierung der Strukturpolitik: Die Möglichkeiten die durch die Etablierung der regionalen Wirtschaftsförderungsgesellschaften eröffnet worden sind, sollten bei der zukünftigen Regionalpolitik mehr genutzt werden. Beispielsweise hat sich die WIREG - die gemeinsame Gesellschaft des Kreis Schleswig-Flensburg und der Stadt Flensburg - als Bindeglied zwischen der Landesregierung und den Gebietskörperschaften sowie den ansässigen Unternehmen bewährt.

Ohne das Instrument des Regionalprogramms können auch diese nur wenig ausrichten. Das gilt übrigens auch für den neuen Landesbeauftragten des Landesteil Schleswig, der ohne diese Mittel wie ein „Kaiser ohne Kleider“ durch die Gegend laufen würde.

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