Rede · 25.04.2018 Wir brauchen ein transparentes Finanzierungssystem aber auch mehr Qualität

Flemming Meyer zu TOP 26+50 - Reform der Kitagesetzgebung

Nur weil es schnell wie eine Floskel klingt, ist es ja nicht weniger richtig: Kinder sind unsere Zukunft. Natürlich brauchen sie unsere Unterstützung. Und ich kann sagen, dass dem SSW genau diese Unterstützung immer unheimlich wichtig war. Egal ob in der Regierungs- oder Oppositionsrolle. Wir haben uns immer für den fairen Zugang zu allen Bildungsangeboten eingesetzt. Aber auch die Frage der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen und ihr Zugang zu Hilfen beispielsweise im Rahmen der Kinder- und Jugendarbeit sind und bleiben uns wichtig. Genau wie vermeintlich banale Dinge, wie etwa die Möglichkeit zu geben, mal mit der Familie Urlaub machen zu können. Und zwar auch dann, wenn hierfür das nötige Geld fehlt. 

Auch die Debatten zu Kinderrechten in Landes- und Bundesverfassung machen eins sehr deutlich: Kinder brauchen nicht nur Schutz und Fürsorge. Sie sind auch Träger eigener Rechte. Dass verlangt viel mehr, als den bloßen Schutz vor Armut, Gewalt und Vernachlässigung. Kinder sind eigenständige rechtsfähige Menschen. Gleichzeitig sind sie aber auch auf Unterstützung durch andere angewiesen, um zu ihren Rechten zu kommen. Ihre Entwicklung und die Frage, wie sie sich entfalten können, liegt in der Hand ihrer Erziehungsberechtigten. Aber auch wir Politiker tragen unmittelbar Verantwortung: Denn es ist unsere Aufgabe, möglichst gute Rahmenbedingungen für diese Entwicklung und Entfaltung zu schaffen. Und wir müssen diese Rahmenbedingungen natürlich auch weiterentwickeln und verbessern. 

Bei all dem kommt der frühkindlichen Bildung natürlich eine herausragende Rolle zu. Eine ganze Reihe von Langzeitstudien zeigt eindrucksvoll, wie wichtig gerade diese frühen Bildungsangebote für die Entwicklung der Kinder sind. Viele Defizite gegenüber Gleichaltrigen können ausgeglichen werden. Und das, was den Kleinen an Grundlagen vermittelt wird, geht im Idealfall weit über die klassischen Lerninhalte der Schule hinaus. Denn es geht hier ja nicht zuletzt um grundlegende soziale Kompetenzen, wie etwa Empathie oder die Fähigkeit zur Kommunikation oder Kooperation. Alles Dinge, die über Erfolg oder Misserfolg im späteren Leben - in der Schule, in der Ausbildung und in der Arbeitswelt entscheiden. 

Die Notwendigkeit, hier zu investieren, wird in Bund und Ländern zum Glück schon lange gesehen. Auch wir haben damals die frühkindliche Bildung schnell zum Schwerpunkt der Arbeit in der Küstenkoalition gemacht. In den 5 Jahren Regierungszeit haben wir die Gesamtsumme der Förderprogramme im Bereich Kita mehr als verdoppelt. Wir haben fast 10.000 zusätzliche Kita-Plätze für Schleswig-Holstein geschaffen. Und auch für weiteres Fachpersonal, für Maßnahmen der Qualitätssicherung und für Bau und Betrieb von Kitas haben wir viele weitere Millionen Euro investiert. Gerade weil auch die aktuelle Landesregierung von einem weiter steigenden Bedarf ausgeht, ist diese solide Grundlage sehr wichtig. 

Der SSW begrüßt ausdrücklich, dass die Jamaika-Koalition diesen Weg fortsetzen und die frühkindliche Bildung weiter stärken will. Und uns freut, dass wir uns über einen sehr wichtigen Grundsatz einig sind. Und zwar darüber, dass die Voraussetzung für eine gute und letztlich auch kostenfreie frühkindliche Bildung ein faires und transparentes Finanzierungssystem ist. Gleichzeitig wissen alle, die sich mit dem Thema beschäftigen, dass die Kita-Finanzierung aber vergleichsweise kompliziert ist. Das liegt vor allem am historisch gewachsenen System der Zuwendungsfinanzierung. Wir zahlen an die Kreise und kreisfreien Städte und diese wiederum an die Gemeinden oder Kita-Träger. Insgesamt sind also sowohl Land, als auch Kreise, Standortgemeinden, Träger und Eltern an der Finanzierung beteiligt. Das macht das Ganze bekanntlich nicht gerade einfacher.

Noch dazu weist die SPD in ihrem Antrag darauf hin, dass wir neben rein finanziellen Fragen auch noch ganz andere Reformbedarfe haben. Wir brauchen vor allem weitere Fortschritte bei der Qualität. Hier sind mit der dringend nötigen Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels, mit der wichtigen Aufgabe Inklusion oder mit dem Ausbau von Familienzentren große Herausforderungen genannt. Aber eine Sache ist für mich besonders wichtig: Die Ausbildungs- aber auch Arbeitsbedingungen für Erzieherinnen und Erzieher müssen deutlich attraktiver werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass sie oft sehr belastet und mitunter auch überlastet sind. Wir müssen sie stärker unterstützen. Und zwar durch mehr Personal und weniger Bürokratie. So können wir auch langfristig die nötigen Fachkräfte gewinnen und binden. 

Doch auch dem vorliegenden Bericht entnehme ich, dass die Landesregierung auf Qualitätsverbesserungen hinarbeitet. Zu diesem Zweck sollen sogar „alle derzeitigen Rechtsgrundlagen“ überarbeitet oder neu gefasst werden. Schon 2020 soll ein neues Gesetz in Kraft treten. Ziel ist, ich zitiere: „eine vereinheitlichte, transparente und dynamisierte Kita-Finanzierung anhand einheitlicher definierter Qualitätsstandards und mit einer verlässlichen, gedeckelten Elternbeteiligung.“ Auch wenn hier manchem vielleicht die eierlegende Wollmilchsau in den Sinn kommt, will ich gerne die volle Unterstützung des SSW zusichern. Denn auch wenn dieses Vorhaben sowohl zeitlich wie inhaltlich sehr ambitioniert wirkt, teilen wir die grundsätzliche Richtung. 

Wir sind uns also weitgehend darüber einig, dass wir in Sachen Kita zu mehr Effizienz und zu mehr Qualität kommen müssen. Über die unterschiedlichen Ansätze einer Reform haben wir schon öfter diskutiert. Denkbar ist zum Beispiel eine Finanzierung analog zu unseren Schülerkostensätzen oder aber eine Fondslösung. Unabhängig vom gewählten Ansatz, muss am Ende aber vor allem eine echte Entlastung der Eltern herauskommen. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass alle am Ziel festhalten, Bildung grundsätzlich kostenfrei zu gestalten. Doch gerade für den Übergang bis zur beitragsfreien Kita ist ein einheitliches Recht der sozialen Ermäßigung wichtig. Denn gerade für Eltern mit mittleren und geringen Einkommen stellen die Beiträge heute oft eine große Belastung dar.

Bis heute zahlen Kitaeltern mitunter leider sehr viel für die vorschulische Betreuung. Je nach Wohnort kann ein Platz gerne mal 5 oder sogar 6000 Euro im Jahr kosten. Nicht nur in den benachbarten Bundesländern sondern auch in manch anderer Gemeinde in Schleswig-Holstein ist die Betreuung wieder deutlich günstiger. Damit stehen viele Eltern vor der ganz konkreten Frage, ob sie sich frühkindliche Bildung für ihr Kind überhaupt leisten wollen oder auch leisten können. Und die Entscheidung gegen die Kita kann auch eine Entscheidung gegen gute Startbedingungen und gegen gleichwertige Bildungschancen sein. Aus Sicht des SSW dürfen Eltern nicht vor dieser Frage stehen. Wir brauchen gute Bildung für alle. Und deshalb müssen wir unbedingt am Ziel festhalten, sie kostenfrei anzubieten. 

Ich sehe keine Alternative zur Stärkung unserer Kitas und zur Neuordnung der Gesetzgebung in diesem Bereich. Doch gerade im Zusammenhang mit der angestrebten und sinnvollen Vereinheitlichung in der Finanzierung, ist mir ein weiterer Punkt wichtig: Wir brauchen eine Vielfalt der Förderung in unseren Kitas. Auch Angebote der allgemeinen Sprachförderung oder im Bereich der Minderheiten- und Regionalsprachen müssen förderfähig bleiben. Wir sehen den Reformbedarf. Aber wir sehen nicht, warum wir auf diese wichtigen Einzelmaßnahmen verzichten sollten. Ich gehe allerdings auch davon aus, dass diese Möglichkeiten bestehen bleiben. Und ganz übergeordnet hoffe ich, dass auch wirklich alle Betroffenen an diesem Reformprozess beteiligt werden. Der SSW wird dieses Verfahren in jedem Fall konstruktiv begleiten.

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