Rede · 24.09.2025 Open Source-Umstellung: Alle Warnungen wurden offenbar ignoriert
„Auf allen Ebenen wurden Versäumnisse begangen. Es braucht daher eine sofortige Überprüfung aller Systeme, die in der Polizei- und Justizarbeit eingesetzt werden, klare Notfallpläne und Backup-Kommunikation, eine transparente Untersuchung der Verantwortlichkeiten, Schulungen und Unterstützung und die strikte Einhaltung der Datenschutzstandards.“
Sybilla Nitsch zu TOP 39A - Dringlichkeitsantrag: Die Verantwortung für die Open Source-Umstellung liegt bei der Landesregierung (Drs. 20/3611)
Geehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
wir stehen heute vor einer Situation, die nicht länger ignoriert werden darf. Die Umstellung der E-Mail-Systeme auf Open-Source-Software sollte ein Fortschritt sein – modern, flexibel und kosteneffizient.
Doch die Realität zeigt ein alarmierendes Bild:
Die Systeme funktionieren nicht zuverlässig und die Auswirkungen – vor allem auf die Polizei- und Justizarbeit – sind massiv. Herr Minister Schrödter, Sie können jetzt denken, ich habe mich doch entschuldigt und mehr Verantwortung versprochen, Thema vom Tisch. Auch die Koalitionskollegen lenkten ab durch gutgemeinte Vorträge über die digitale Souveränität, was aber gar nicht zur Debatte stand, auch heute nicht.
In der vergangenen Ausschusssitzung taten Sie, Herr Schrödter, vehement so, als ob es sich lediglich um einige Irritationsmomente handele. Der sogenannte Brandbrief der Gerichtspräsidenten und des Generalstaatsanwalts ließ Sie regelrecht kalt. Immerhin kündigten Sie an, dass Sie in Gespräche gehen würden, denn schließlich wollen Sie keine „Brieffreundschaft“ mit Menschen im Land führen.
Einen wirklichen Blick für die massiven Probleme haben Sie in meinen Augen nicht gezeigt. Wie sieht es nämlich aus?
Polizeidienststellen berichten von Nachrichten, die nicht zugestellt werden, verzögerten Informationsflüssen und technischen Störungen, die laufende Ermittlungen erheblich behindern. Fälle verzögern sich, Beweismittel werden verspätet weitergeleitet und Fristen werden nicht gehalten. Es geht hier nicht um kleine Unannehmlichkeiten – es geht um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und die Effektivität der Polizei- und Justizarbeit.
Hinzu kommt ein gravierendes Datenschutzproblem. Offizielle Berichte weisen darauf hin, dass E-Mails teilweise an falsche Postfächer gelangten. Sensible Informationen zu laufenden Ermittlungen könnten so in die falschen Hände geraten. Schon vor der Umstellung gab es offizielle Vorwarnungen von Gerichten und Justizbehörden, die auf die Risiken hinwiesen, und auch die Polizei hat auf mögliche Auswirkungen auf die Fallbearbeitung hingewiesen.
Auch die Datenschutzbeauftragte des Landes, Marit Hansen, hat diesbezüglich im Vornherein gemahnt – wie auch jetzt in den laufenden Umstellungsprozessen. „Noch mal durchatmen“, so wurde sie zitiert. Bei allem Vorbilddenken und dem Leuchtturmbild sollte die Landesregierung noch mal in sich gehen, gerade was die Kooperationen mit anderen Bundesländern und Staaten angeht. Viele dieser Warnungen wurden offenbar nicht ausreichend berücksichtigt. Wir sprechen von Bereichen, die äußerst sensibel sind.
Was uns sehr gewundert hat, waren Ihre Aussagen über die Mitarbeitenden. Sie hätten sich nicht ausreichend informiert über die Tools für die Vorbereitung. Hand aufs Herz, das ist kein moderner Führungsstil. Sie müssen sich Gedanken machen, wo es gehakt hat und die Fehler in der Kommunikation aufarbeiten. Das wäre ein Führungsstil, der in die Zeit passt. Spätestens in der Ausschusssitzung wäre eine Entschuldigung angebracht gewesen sowie ein angemessener Umgang mit dem Brandbrief, anstatt mit sprachlichen Bildern zu agieren, die in meinen Augen völlig unpassend waren.
Die Frage nach der Verantwortung ist zentral. Wo diese liegt, sollte klar sein. Aber wer trägt die Verantwortung, wenn durch Datenlücken und die massiven Probleme in der Umsetzung in der Landespolizei und in der Justiz Fälle nicht bearbeitet werden können?
Hier ist äußerste Obacht angebracht, denn eilige Ermittlungsmaßnahmen, die dann auch einen Sicherheitsaspekt für die Bevölkerung mit sich bringen, dürfen nicht runtergespielt werden.
Es ist deutlich: Auf allen Ebenen wurden Versäumnisse begangen. Unzureichende Tests, fehlende Schulungen und mangelhafte Notfallpläne haben die Polizei, die Justiz und den Datenschutz gleichermaßen gefährdet. Die Mitarbeitenden sind diejenigen, die den Schaden täglich ausbügeln – und das ist inakzeptabel.
Als SSW fordern wir deshalb eine sofortige Überprüfung aller Systeme, die in der Polizei- und Justizarbeit eingesetzt werden, klare Notfallpläne und Backup-Kommunikation, eine transparente Untersuchung der Verantwortlichkeiten, Schulungen und Unterstützung und die strikte Einhaltung der Datenschutzstandards!
Die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass ihre Polizei und die Justiz reagieren, ermitteln und schützen kann, ohne durch technische Fehlplanungen und Datenschutzverletzungen behindert zu werden. Die Warnungen vor der Umstellung waren klar, doch sie wurden offenbar ignoriert – das darf sich nicht wiederholen.
Wir alle wollen ja, dass die Open-Source-Strategie und -Umsetzung noch glückt. Von daher können wir in dem Alternativantrag der regierungstragenden Koalition einige sinnvolle Punkte sehen – aber nun müssen diesen Worten auch erfolgreiche Taten folgen. Und zwar zeitnah und planvoll. Daher werden wir uns enthalten.