Rede · 15.05.2002 Bürgerbegehren und Bürgerentscheide

Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Schleswig-Holstein sind eine Erfolgs­geschich­te. Seit der Einführung im Jahr 1990 haben Bürgerinnen und Bürger intensiv Einfluss auf konkrete poli­ti­sche Fragen in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld genommen. Über 200 Bürger­begeh­ren und 100 Bür­ger­entscheide zu den verschie­den­­­sten Themenkreisen belegen das demokratische Engagement im Land. Die Menschen in Schleswig-Hol­stein haben in nur 12 Jahren ebenso häufig erfolgreich die Initiative ergriffen, wie die Menschen in Baden-Württemberg seit 1956. Dafür schulden wir den Menschen Dank, die viel Zeit und Kraft in Bürgerinitiativen investieren.

Bürgerschaftliche Beteiligungsrechte sind eine positive Weiterentwicklung der Demokratie. Die Zahlen machen erfreu­licher­weise deut­lich, dass die Menschen in Schleswig-Holstein an politi­schen Ent­schei­dun­gen teilhaben wollen. Ange­sichts sinkender Beteiligungen an den re­gu­lä­ren Wah­­­len und der gerade­zu haar­sträuben­d niedrigen Teilnahme an Direktwahlen ist dies ein wich­tiges Signal. Der direkte Ein­fluss in konkreten Fragen kann ein Mittel sein, um die Menschen wieder für demokra­tische Teilhabe zu gewinnen. Wir brauchen mehr solche direkte Demokratie.

Ein Weg, die direkte Demokratie zu erweitern, ist der Ausbau der Regelungen für Bürger­be­gehren und Bürgerentscheide. Es ist zum Beispiel nicht einsich­tig, weshalb die Bürgerinnen und Bürger bei der Bauleitplanung auf andere Formen der Bürgerbeteiligung verwiesen wer­den, oder weshalb die Hauptsatzungen grundsätzlich unantastbar sind. Hier brauchen wir einfachere und klarere Regelungen.

Eines können wir allerdings nicht unterstützen: Wir meinen nicht, dass die Quoren herabgesetzt werden sollen. Denn auch die direkte Demo­­­kratie braucht eine demokratische Legitimation. Als Argu­ment für das Absenken der Quoren wird darauf verwiesen, dass es in den Städten nicht ge­lingt, genug Menschen zu mobilisieren. Die Zahlen deuten auch darauf hin, dass die direkte Demo­kratie besser in klei­nen Gemeinschaften gedeiht.

Allerdings nutzen die Bürger auch in „schwie­­­­rigen“ Gebieten sehr wohl ihre Stimme, wenn es um wichtige Fragen geht. Dafür gibt es zumindest zwei aktuelle Beispiele: In der Stadt Flensburg hat die Bürger­initia­tive gegen die Südermarkt-Passage erfolgreich die Quoren für ein Bürgerbegehren erfüllt. Auch der erfolg­reiche Bürger­ent­scheid gegen die Privatisierung der nord­frie­si­schen Kreiskrankenhäuser belegt, dass direk­te Demokratie auch unter den schwierigen Bedin­gungen eines Landkreises funktioniert.

Zur Demokratie gehört auch das Werben um Mehr­heiten. Es wäre die falsche Antwort auf die zu niedrigen Wahl­betei­ligungen, die Quoren einfach daran anzupassen. Wir müssen im Ge­gen­­teil erreichen, dass die Menschen wieder mehr mit­bestimmen wollen.

Der Weg zu einer lebendigen Demokratie führt über die Vereinfachung der bürgerschaftlichen Ini­­tia­­tive und über eine Öffnung der öffentlichen Hand. In Zukunft wird es vor allem darum gehen müssen, dass Politik und Verwaltungen von sich aus die Bürgerinnen und Bürger miteinbeziehen. Dazu ge­hört die verstärkte Nutzung von Beteiligungsformen wie die projektbezo­gene Mit­sprache. Dazu gehört aber auch, dass die Mög­lichkeiten des Infor­ma­­ti­ons­freiheits­geset­zes stär­ker genutzt wer­den.

Eine offene, transparente Verwaltung ist die Grundlage einer bürger­na­hen Demokratie. Wir brauchen eine neue Informationspolitik der Verwal­tungen - zum Beispiel durch offe­ne Post­listen im Internet. Aber leider ist in deutschen Rathäusern die Angst vor Querulanten immer noch größer als die Lust an der Demokratie.

Der SSW unterstützt jede Weiterentwicklung der direkten Demokratie. Wir werden uns auch gern und konstruktiv an Beratungen zur Verbesserung des Volksabstimmungsgesetzes betei­ligen. Das schulden wir unseren Bürgern nicht zuletzt angesichts der schwierigen Situation mit der Recht­schreibreform.

Allerdings sind wir in Schleswig-Holstein trotz allem ganz gut davor. Gegen­wärtig sind zuerst die Parteien im Bun­des­tag – vor allem die CDU/CSU – aufgerufen: Sie müssen end­lich Macht an die Bürgerinnen und Bürger zurückgeben. Bisher warten wir leider vergebens auf Volksentscheide und Informa­tions­freiheit auf Bundesebene.

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