Rede · 16.05.2019 Wenn die Löhne sinken, obwohl die Branche boomt, ist etwas faul!

Im Jahr 2007 haben die Vollzeitbeschäftigten in dieser Branche noch über 10 Prozent mehr verdient, als das Durchschnittsgehalt in der Gesamtwirtschaft. 2017 lagen sie über 30 Prozent darunter. Das ist eine enorme Absenkung des Lohnniveaus.

Flemming Meyer zu TOP 27 - Missstände in der Paketbranche beseitigen (Drs. 19/1444)

Über das, was bisher zu den Zuständen in der Paketbranche berichtet wurde, kann man wirklich nur den Kopf schütteln: Gefälschte Pässe, Fahren ohne Führerschein oder Lohndumping gehören hier offenbar zur Tagesordnung. Der Druck auf viele Beschäftigte muss enorm sein. Leider sprechen wir hier auch nicht nur über einige schwarze Schafe. Denn Ermittlungen haben gezeigt, dass jede dritte Zustellfirma gegen das Arbeitsrecht verstößt. Ich denke, wer in diesem Zusammenhang von mafiösen Strukturen spricht, liegt gar nicht mal so falsch. Man kann zumindest nicht leugnen, dass wir es mit einem strukturellen Problem zu tun haben. Und deshalb ist es nur konsequent, wenn die SPD dieses Thema auch bei uns im Land auf die Tagesordnung setzt. 

Bekanntlich werden immer mehr Waren über das Internet vertrieben. Damit wächst auch der Paketmarkt immer weiter. Mittlerweile sind fast eine halbe Million Menschen in der Post-, Kurier-, und Expressbranche als Auslieferer beschäftigt. Leider weist die SPD aber völlig zu Recht darauf hin, dass dieses Wachstum überwiegend über prekäre Beschäftigung stattfindet. Im Jahr 2007 haben die Vollzeitbeschäftigten in dieser Branche noch über 10 Prozent mehr verdient, als das Durchschnittsgehalt in der Gesamtwirtschaft. 2017 lagen sie über 30 Prozent darunter. Das ist eine enorme Absenkung des Lohnniveaus. Tarifliche Bezahlung ist damit also eher die Ausnahme und nicht die Regel. Im Ergebnis verdienen manche Paketboten heute unter 5 Euro pro Stunde. Und dass bei Arbeitszeiten von bis zu 16 Stunden am Tag. Aus Sicht des SSW ist das einfach nur beschämend. So eine Praxis können und wollen wir nicht dulden. 

Eigentlich steht den Fahrern seit diesem Jahr ein Stundenlohn von 9,19 Euro zu. Eigentlich. Denn auch aktuelle Kontrollen zeigen, dass sich Unternehmen häufig nicht daran halten. Rein theoretisch können die Auftrag gebenden Unternehmen schon für ihre Vergehen belangt werden. Aber es fehlt ganz offensichtlich an den nötigen Kontrollen. Oder die entsprechenden Strafen werden einkalkuliert. Wie auch immer: Ausbaden müssen das letztlich die Fahrerinnen und Fahrer. Vor allem diejenigen, die bei einem der vielen Subunternehmen angestellt sind, haben mitunter erschreckende Arbeitsbedingungen. Es ist und bleibt also hochaktuell, die Arbeitnehmerrechte für Paketbotinnen und Boten zu sichern. 

Dass ein Minister Altmaier monatelang mauert und darauf verweist, dass man der Wirtschaft keine weiteren „Belastungen“ aufbürden darf, halte ich für wirklich befremdlich. Wenn die Löhne immer weiter sinken, obwohl die Branche boomt, dann ist doch ganz offensichtlich was faul. Und wenn Fahrerinnen und Fahrer mitunter in ihren Transportern übernachten müssen sowieso. Für uns ist deshalb klar, dass wir dringend die gesetzlichen Voraussetzungen für die so genannte Nachunternehmerhaftung brauchen. So wie es jetzt läuft, kann es jedenfalls nicht bleiben.

Wenn wir uns diese Zustände vor Augen führen, ist es doch völlig logisch, dass Versandunternehmen verpflichtet werden müssen, Sozialbeiträge für säumige Subunternehmer nachzuzahlen. Viele Paketdienste arbeiten nun mal nicht mit fest angestellten Zustellern, sondern mit solchen Subunternehmern. Laut Medienberichten liefert das Unternehmen Hermes zum Beispiel gerade noch 10 Prozent seiner Pakete selbst aus. Die angeheuerten Unternehmen zahlen dann aber leider oft Niedriglöhne und mitunter auch keine Sozialbeiträge. Und die Auftraggeber sind aus der Verantwortung raus. Wir gehen davon aus, dass nur eine gesetzliche Verpflichtung endlich zu flächendeckenden Verbesserungen führt. Deshalb halten wir es für wichtig, dass die Nachunternehmerhaftung auch in der Zustellbranche eingeführt wird.

Auch wenn es eigentlich eine sozialpolitische Selbstverständlichkeit ist, möchte ich eins klar sagen: Es ist aus Sicht des SSW erfreulich, dass sich die Koalitionspartner in Berlin nun endlich auf diesen Weg machen. Bekanntlich haben sich CDU, CSU und SPD auf einen entsprechenden Gesetzesplan verständigt. Hier werden wir trotzdem sehr genau hinschauen. Denn wir wollen, dass die Beschäftigten in der Zustellbranche endlich wirkungsvoll vor Ausbeutung geschützt werden.

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