Rede · 25.01.2024 Der Europaminister lässt viele Fragen offen
„Ich hätte mir eine Offensive der gesamten Landesregierung gewünscht; auch und gerade, was die deutsch-dänischen Beziehungen betrifft; sie sind sozusagen der Lackmustest der europäischen Idee. Aber bereits da hapert es.“
Jette Waldinger-Thiering zu TOP 25 - Beschlüsse der Europaministerkonferenz konsequent umsetzen (Drs. 20/1780)
In diesem Jahr wird das europäische Parlament gewählt. Bereits zum zehnten Mal sind die europäischen Bürgerinnen und Bürger dazu aufgerufen, die Zukunft Europas zu bestimmen; darunter viele zum ersten Mal; schließlich hat der Bundestag entschieden, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken; wie das auch in Belgien und Österreich der Fall ist. Diese bedeutende Premiere sollte gebührend gewürdigt werden; denn es sind bis zum 9. Juni nur noch wenige Monate.
Ich vermisse einen Fahrplan, die Werbekampagne an den Schulen; wo die Foren, wo sich die Schülerinnen und Schüler von allgemeinbildenden und beruflichen Schulen austauschen und informieren können? Wo sind die Materialien für die Lehrkräfte, die sie in der Vorbereitung zur Europawahl beim großen Infotag im März nutzen können? Alles das, und noch ein paar Sachen mehr, wurden im Europa-Ausschuss im Zuge des Vorsitzes Schleswig-Holsteins der Europaministerkonferenz thematisiert.
Mein Eindruck ist dabei, dass der Europa-Minister viele Antworten schuldig blieb. Europa und die europäische Union dürfen keine seltsam ungefüllte Leerformel der Landesregierung bleiben – da täuscht auch der aktuelle Antrag nicht drüber weg.
Die niedrige Wahlbeteiligung der letzten Jahre darf sich einfach nicht wiederholen. Das würde sicherlich den extremistischen Parteien in die Hände spielen, deren Mobilisierung dank sozialer Medien enorm ist.
Deshalb erwarte ich von der Landesregierung auch die Umsetzung des EMK Beschlusses die von der EU-Kommission gestartete Initiative Digitale Demokratie, die den Einsatz digitaler Technologien durch Akteure der demokratischen Zivilgesellschaft fördern soll. Wir müssen verhindern, dass durch fortschreitende Digitalisierung Menschen von Demokratieprozessen ausgeschlossen werden, weil der Zugang nicht barrierefrei ist.
Alle Entwicklungen in den letzten Jahren haben gezeigt, dass nationale Wege und Insel-Lösungen nicht weiterführen. Nur gemeinsam können die europäischen Staaten die Herausforderungen durch Klimawandel, Kriegsbedrohung und Energiekrise meistern. Dieses gemeinsame Vorgehen muss demokratisch unterfüttert werden; und das ist derzeit nur über das EU-Parlament möglich. Die Teilhabe am europäischen Zukunftsprogramm droht in Schleswig-Holstein aber zur Randnotiz zu werden. Das ist äußerst bedauernswert; auch weil noch vor einem Jahr der Europaminister in seinem Bericht im Landtag etwas ganz anderes angekündigt hatte; nämlich eine tatkräftige Politik als Vorsitzender der Europaministerkonferenz unter dem Leitmotiv gemeinsam für Europa. Als eine Bilanz kann ich nur sagen, dass das Leitmotiv nicht umgesetzt werden konnte.
Das Augenmerk auf eine attraktive Europa-Politik zu legen, ist zugegeben nicht leicht. Die Sachverhalte sind teilweise sehr komplex, unheimlich bürokratie-lastig und für Nicht-Eingeweihte oft nur schwer zu verstehen. Das belegt auch die Liste der Beschlüsse der Europaministerkonferenz. Viele Details sind so weit weg von der Lebenswelt der meisten Bürgerinnen und Bürger, dass sie deren Tragweite kaum ermessen können.
All das nährt ein Unbehagen und eine große Unzufriedenheit am gemeinsamen europäischen Projekt. Wir müssten uns also sehr viel Mühe geben und uns diesen Dingen stellen.
Ich hätte mir eine Offensive des Ministers gewünscht; auch und gerade, was die deutsch-dänische Beziehung betrifft; sie sind sozusagen der Lackmustest der europäischen Idee. Unsere Grenzregion wird immer als Vorbild im europäischen Zusammenhang gesehen, leider findet sich das nicht im EMK-Beschluss wieder.