Rede · 19.11.2025 Die Arbeit gegen rechtsextreme Kampagnen muss beim Staat liegen
„Natürlich sollte die jeweilige Bundesregierung die Möglichkeit haben, die Förderrichtlinien an neue Entwicklungen anzupassen. Ich unterstütze ausdrücklich die anvisierte Verstärkung der Arbeit im Netz. Andererseits ist es nicht hinnehmbar, dass die Projektfinanzierung das Vehikel ist, um die Projektträger an die Kette zu legen.“
Sybilla Nitsch zu TOP 32 - „Demokratie leben!“ stärken und sichern (Drs. 20/3788)
Unsere Demokratie steht unter Beschuss. Der Rechtsextremismus ist die größte Gefahr aus dem Inneren.
Das ist leider nichts Neues. Neu ist allerdings, dass die Angriffe und Kampagnen der Rechtsextremismus in der politischen Mitte in einem beachtlichen Maße verfangen. Inzwischen ist ein Muster erkennbar, das wie eine Art Fahrplan von anti-demokratischen Akteuren und selbsterklärten Meinungsmachern genutzt wird. Am Beginn steht ein Post in den sozialen Medien, der wie ein Infotext gemacht ist, aber keine belastbaren Infos enthält. Das ist das Signal zum Losschlagen! Fleißig teilen User und tausende, automatisierte Bots den Post und erzeugen damit eine Relevanz, die die etablierten Medien dann mehr ignorieren wollen. Das Internet-Gerücht wird daraufhin auf die traditionellen News-Seiten gehievt und erzeugt dabei weitere Wirkung. Das Perfide dabei ist, dass Viele dem auf den Leim gehen und dem Geraune die Möglichkeit geben, Wirkkraft zu entwickeln.
Wie dieses Verfahren inzwischen ans Ziel kommt, konnten wir unter anderem an der Kampagne gegen eine Verfassungsrechtlerin beobachten. Im Laufe weniger Tage wurde aus einem Nius-Post eine Meldung in allen deutschen Medien.
Genau das passiert offenbar auch mit der Initiative „Demokratie leben“, der zuerst im NIUS-Portal massive Steuergeldverschwendung vorgeworfen worden ist.
Ich empfehle, sich einmal durch die entsprechenden Kommentare durchzuwühlen. Dann kann man gut sehen, dass viele echte Bürgerinnen und Bürger wirklich besorgt sind, dass auch aber auch auffällig viele aus dem rechtsextremen Umfeld die Meldungen zum Vorwand nehmen, Kritik an ihrem Tun am liebsten völlig aus der Welt zu schaffen. Inzwischen ist aus den ersten Vorwürfen ein Generalverdacht gegen alle Projekte des Bundesprogramms erwachsen, der sogar regierungsseitig erhoben wurde.
Das ist eine fatale Entwicklung, der wir schleunigst Einhalt gebieten müssen. Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ hat in Schleswig-Holstein ein sehr gutes Informations- und Beratungsnetzwerk aufgebaut, das vor Ort präsent ist, und das von Institutionen zur Unterstützung für Workshops oder Vorträge angefordert werden kann. Die Beratung ist mobil, was im Flächenland Schleswig-Holstein optimal ist. Diese gute Arbeit der Aufklärung an Schulen und in den Betrieben wird aber derzeit mit der zuerst in der Presse veröffentlichten Förder-Kürzung konfrontiert.
Ministerin Prien kündigte an, bundesweit alle 3.000 Projekte auf Verfassungsgemäßheit überprüfen zu lassen, bevor es in die nächste Förderperiode geht. Ich fürchte, dass dieses Geraune um Steuerverschwendung, Parteilichkeit und dem Generalverdacht nur einer Seite dient: den rechtextremen Verfassungsfeinden. Die lachen sich ins Fäustchen.
Wir Demokratinnen und Demokraten müssen dafür Sorge tragen, dass die freiheitlich demokratische Grundordnung mit Leben erfüllt wird; wir müssen Teilhabechancen eröffnen und das vielfältige Miteinander fördern. Alles das sind übrigens auch die Grundprinzipien des Bundesprogramms.
Natürlich sollte die jeweilige Bundesregierung die Möglichkeit haben, die Förderrichtlinien an neue Entwicklungen anzupassen. Ich unterstütze ausdrücklich die anvisierte Verstärkung der Arbeit im Netz. Andererseits ist es nicht hinnehmbar, dass die Projektfinanzierung das Vehikel ist, um die Projektträger an die Kette zu legen.
Eine Kürzung von 5 Mio Euro auf 186,5 Mio. mag dem einen oder anderen angemessen vorkommen. Die Projektträger werden an die Kette gelegt und die Projekte in der Fläche geschwächt. Für unsere Kommunen heißt das, die Reduzierung von Förderbeträgen, die jetzt schon „nur“ bei höchsten 140.000 Euro liegen. Ich hätte Frau Prien mehr Fingerspitzengefühl zugetraut.
Das eigentliche Versagen besteht darin, dass die wichtige Arbeit gegen rechtextreme Kampagnen im Netz überhaupt den Nicht-Regierungsorganisationen aufgebürdet wird. Die Regelungsgeber, also Bundesregierung und Bundestag, kapitulieren offenbar vor Desinformation und Spaltung. Der Fokus wird stattdessen auf die Initiativen gerichtet. Das ist fatal.