Rede · 19.07.2024 Die Situation der Vertretungslehrkräfte gehört auf die Tagesordnung
„Vertretungslehrkräfte brauchen Vertrauen, was ihnen an den Schulen und aus dem Umfeld entgegengebracht wird. Daher ist es wichtig, sich der Bedingungen anzunehmen und die Probleme zu benennen, aber unser bestehendes Ausbildungssystem bietet viele Möglichkeiten. Ein Neues brauchen wir nicht.“
Sybilla Nitsch zu TOP 25 - Ein neuer Umgang mit Vertretungslehrkräften und dem Fachkräftemangel an den Schulen (Drs 20/2233)
Gut, dass die Situation der Vertretungslehrkräfte angesprochen wird. Ich höre immer wieder aus den Schulen, dass sich die Vertretungslehrkräfte wie ein fünftes Rad am Wagen fühlen: irgendwie gehören sie nicht zu 100 Prozent zum Kollegium und leisten doch wichtige Arbeit. Das ist eine sehr unbefriedigende Ausgangssituation, die dringend geändert werden muss. Von daher mein ausdrückliches Lob an die antragstellende SPD-Fraktion, dass sie ein heißes Eisen anpackt.
Im Übereifer sollten wir aber kein zweites System für die Vertretungslehrkräfte errichten. Das kenne ich aus dem Schulalltag allzu gut: gibt es eine Lösung für ein Problem, wird diese in der Regel ans bestehende System angeschraubt. Damit wird verhindert, dass eingefahrene Routinen infrage gestellt werden müssen. Der Nachteil liegt aber darin, dass inzwischen ein System gewachsen ist, dass immer verkrusteter wird. Darum werde ich auf keinem Fall der Etablierung einer neuen, zusätzlichen Aus- und Weiterbildungsstruktur ausschließlich für Vertretungslehrkräfte zustimmen. Nach meinem Dafürhalten müssen wir dringend die Integration der Vertretungskräfte vorantreiben und nicht deren Absonderung!
Dazu gehört auch, dass Vertretungen wirklich nur Vertretungen sein sollen und nicht schleichend zu langfristigen Angestelltenverhältnissen werden. Dann haben die Vertretungen nämlich das Nachsehen: sie haben alle Nachteile einer Vertretungskraft, müssen aber wie eine Vollkraft arbeiten, ohne davon zu profitieren. Es muss sichergestellt werden, dass die Vertretung die Ausnahme bleibt. Da benötigen wir bessere und transparente Regeln. Zwei Jahre Vertretung? Ich weiß, dass es das gibt, finde das aber nicht richtig. Diesem Wildwuchs müssen wir entschlossen entgegentreten, auch um das Ausbrennen der Betroffenen zu verhindern.
Es ist sinnvoll, wie der Antrag vorschlägt, den Schulleitungen in Sachen Vertretungen mehr Möglichkeiten einzuräumen, indem diese die Weiterbildung für die Vertretungslehrkräfte anstoßen können. Vor Ort weiß man in der Regel besser, was nützt und was völlig überflüssig ist. Ich denke es ist sinnvoll, so niedrigschwellig wie möglich Weiterbildungskurse über z.B. das IQSH anzubieten, damit wenigstens die Möglichkeit besteht, sich ggf. für einen Seiten- oder Quereinstieg vorzubereiten. Leider sagt meine Erfahrung, dass solche Dinge immer sehr lange auf eine Umsetzung warten. Ich hoffe von Herzen, dass ich in diesem Fall eines Besseren belehrt werde.
In Sachen Ein-Fach-Lehrkraft habe ich durchaus eine ambivalente Haltung. Ich kenne gute Lösungen, wenn der Sportunterricht von einer Physiotherapeutin übernommen wird, bin aber gleichzeitig entsetzt über die niedrigen Löhne. Die Ein-Fach-Lehrkraftsind keine Spardosen, sondern sichern den Stundenplan und damit das gute pädagogische Angebot der Schule. Ein Zwei-Klassensystem von Beamten auf der einen Seite und und angestellten Lehrkräften auf der anderen, entmutigt auf lange Sicht die Seiten- und Quereinsteiger. Und das in einer Zeit, wo wir auf diese Kräfte dringend angewiesen sind.
Zum Abschluss möchte ich noch einen letzten Punkt anreißen: das Mentoring der Vertretungslehrkräfte. Aus dem Schulalltag weiß ich, dass bereits die Betreuung der Referendare eine echte Herausforderung sein kann. Eine fundierte fachliche Begleitung und ein gutes Mentoring macht man eben nicht so nebenbei. Wenn das bei den Weiterbildungskräften gelingen soll, müssen die betreffenden Lehrkräfte die Ressourcen dazu haben. Einfach eine neue Aufgabe per Landtagsantrag den Lehrerinnen und Lehrern aufzustülpen, geht meines Erachtens gar nicht. Ein ganz einfacher Punkt, wäre schon, dass Vertretungslehrkräfte eine Person an der Schule haben, die ihnen hilft die ganz banalen Dinge eines Schulablaufes zu erklären, da hat nämlich jede Schule ihre eigenen Gepflogenheiten.
Lassen Sie mich am Ende noch einen Punkt anbringen, den wir nicht mit einem System oder Weiterbildungskursen lösen können.
Das Vertrauen. Vertretungslehrkräfte brauchen Vertrauen, was ihnen an den Schulen und aus dem Umfeld entgegengebracht wird. Daher ist es wichtig, sich der Bedingungen anzunehmen und die Probleme zu benennen, aber unser bestehendes Ausbildungssystem bietet viele Möglichkeiten. Ein Neues brauchen wir nicht.