Rede · 07.07.2010 Erhalt der freiberuflichen wohnortnahen Geburtshilfe

Ich denke kaum einer kann ernsthaft ein Interesse daran haben, die Möglichkeit, Geburten auch weiterhin wohnortnah und von freiberuflichen Hebammen begleiten zu lassen, zu verhindern. Auch die Tatsache, dass hier akuter Handlungsbedarf besteht dürfte jedem von uns klar sein. Die Rahmenbedingungen für die Arbeit freiberuflicher Hebammen haben sich in den vergangenen Jahren leider immer weiter verschlechtert. Dies ist hinlänglich bekannt. Auch die Hauptursache für dieses Problem dürfte allen hier Anwesenden klar sein. Denn durch eine wahre Explosion der Versicherungsprämien werden die freiberuflichen Hebammen mittelfristig ihre Dienste nicht mehr aufrechterhalten können. Und der erneute Anstieg der Haftpflichtprämien Anfang dieses Monats wird trotz der gerade beschlossenen Kompensationsregelung der Schiedsstelle dazu führen, dass weitere freiberufliche Hebammen die Geburtshilfe aufgeben müssen. Es ist sehr bedauerlich, dass bisher so wenig geschehen ist um die Bedingungen zu verbessern. Allein schon aus diesem Grund müssen wir die bestehende Möglichkeit, hier gegenzusteuern unbedingt zügig nutzen.
Die Bedeutung der von den Hebammen geleisteten Arbeit kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. In vielen Fällen übernehmen sie im Rahmen ihrer Hausbesuche die komplette Mütterberatung. Daher ist ihre Arbeit eine wichtige Säule der ambulanten Versorgung und sie helfen durch ihre Dienste vor Ort jede Menge Geld zu sparen. Dass sie die Gebühren für die Geburt fast vollständig für die Versicherungsprämien aufbringen müssen, ist ganz einfach nicht länger hinnehmbar und zeugt letztlich nicht gerade von großer Wertschätzung für diesen Berufsstand.

Den im Antrag gestellten Forderungen an die Landesregierung, geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen zu erarbeiten, schließt sich der SSW daher ausdrücklich an. Darüber hinaus halten wir es für dringend erforderlich, dass diese auch zeitnah vorgelegt und vor allem umgesetzt werden. Denn gerade in ländlichen Gebieten, so zum Beispiel auf den nordfriesischen Inseln, kann die Versorgung schon heute nicht mehr aufrechterhalten werden. Die Alternative Geburt im Krankenhaus scheint vielen werdenden Müttern aber allein aufgrund der schlechten personellen Besetzung in den Kreissälen wenig attraktiv. Da eine Hebamme hier im Regelfall für die gleichzeitige Betreuung mehrerer Frauen zuständig ist, scheint die sichere Geburt in Ruhe und Würde kaum noch möglich. Durch den Wegfall der wohnortnahe Versorgung kann also auch die Wahlfreiheit des Geburtsortes nicht mehr sichergestellt werden, die für viele werdende Mütter aber von großer Bedeutung ist.

Wesentliche Punkte zur Verbesserung hat der Deutsche Hebammenverband in seiner Petition zur Hebammenhilfe genannt: Auf der einen Seite sind Sofortmaßnahmen wie die Anhebung der Vergütung für Hebammenleistungen nötig, um ihre geburtshilfliche Tätigkeit auch in naher Zukunft zu erhalten. Zum anderen müssen tiefgreifende strukturelle und gesetzliche Änderungen erfolgen, um auch weiterhin eine verlässliche geburtshilfliche Betreuung garantieren zu können. Hier muss vor allem die längst überfällige Überführung des Anspruchs auf Hebammenleistungen in das Sozialgesetzbuch erfolgen. Darauf muss die Landesregierung im Bundesrat hinwirken. An der Notwendigkeit, politisch zu handeln, ändert auch das gerade erzielte Ergebnis des Schiedsverfahrens zur Vergütung und Abrechnung der Hebammen nichts. Denn wie wir alle wissen, ist die Zahl der freiberuflichen Hebammen schon heute zu niedrig, um wirklich jeder werdenden Mutter eine echte Wahlfreiheit bezüglich des Geburtsorts bieten zu können.

Wie auch im Antrag der Kollegen von der SPD erwähnt, ist die Gesellschaft aber auf eine hohe Zahl von qualifizierten Geburten angewiesen. Ich möchte deshalb noch einmal klarstellen, dass diese auch in Zukunft weiterhin durch freiberuflich arbeitende Hebammen möglich bleiben muss. Denn nur durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Arbeit freiberuflicher Hebammen lässt sich die fachlich qualifizierte Betreuung vor und nach der Geburt erhalten, und die Entwicklung des Kaiserschnitts als Regelversorgung verhindern.

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