Rede · 25.05.2011 Finanzielle Situation des Landes Schleswig-Holstein

Mit Blick auf die vorangegangene Debatte möchte ich für den SSW noch einmal folgendes deutlich machen: Trotz der zügigen konjunkturellen Erholung und der erfreulichen Entwicklung der Steuereinnahmen ist die finanzielle Situation des Landes aus unserer Sicht alles andere als rosig. Auch wir haben aus diesem Grund die Entscheidung für die Schuldenbremse mitgetragen. Die Rückführung des strukturellen Defizits ist und bleibt ein Kraftakt. Daran gibt es keinen Zweifel. Doch die vorliegende Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Grünen muss auch vor diesem Hintergrund als das gesehen werden, was sie ist: Nämlich nicht mehr und nicht weniger als eine Momentaufnahme. Sobald auch nur geringe steuerrechtliche Änderungen wirksam werden, sind diese Annahmen hinfällig.

Wir sind der Auffassung, dass bei der Beurteilung der finanziellen Lage - und vor allem bei Zukunftsprognosen - grundsätzlich Vorsicht geboten ist. Wir alle müssen uns darüber im Klaren sein, dass die Finanzielle Situation des Landes nicht nur von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, sondern dass es sich hierbei auch um einen sehr dynamischen Prozess handelt. Wer also behauptet, unser Land stünde heute und über Jahre hinaus am finanziellen Abgrund, der sagt höchstens die halbe Wahrheit.

Es ist ganz einfach Fakt, dass uns die konjunkturelle und steuerliche Entwicklung immer auch politische Gestaltungsspielräume für die Zukunft eröffnet. Zwar fließen die konjunkturell bedingten Mehreinnahmen aus gutem Grund in die Senkung der Neuverschuldung. Doch die aktuellen Zahlen der Steuerschätzung zeigen: Allein im Jahr 2012 liegen die Landeseinnahmen – die eben nicht gänzlich konjunkturell bedingt sind – rund 220 Millionen Euro über dem, was noch im November erwartet wurde. Das heißt wir haben 3,2 % mehr Steuereinnahmen als noch geplant. Bei einem geschätzten Wirtschaftswachstum von 1,8 %, die man für Personal- und Sachkostensteigerungen zugrunde legen könnte, blieben immerhin noch über 90 Millionen Euro über.

Für uns ist deshalb eindeutig: Trotz der schwierigen Situation darf nicht so getan werden, als wären uns in den kommenden Jahren durch die Vorgaben der Schuldenbremse alle Möglichkeiten genommen. Dies gilt im Übrigen auch vor dem Hintergrund der durch den Stabilitätsrat festgestellten „drohenden Haushaltsnotlage“ und der damit verbundenen Forderung nach einem Konzept zum Abbau der Neuverschuldung. Denn Grundlage hierfür ist eine Pro-Kopf-Berechnung bezogen auf den Gesamtschuldenberg. Der Schuldenberg und damit die formell festgestellte „drohende Haushaltsnotlage“ werden aber erst einmal bleiben und können nur durch einen Altschuldentilgungsfonds in den Griff bekommen werden. Was bleibt ist somit die Forderung nach einer Begrenzung der Neuverschuldung, wie sie ohnehin bei uns in der Verfassung steht. Somit hat sich hier inhaltlich nichts geändert.

Ich will damit sagen, dass uns nicht der finanzielle Spielraum, sondern vielmehr der politische Wille der Verantwortlichen fehlt, wenn es darum geht, Schleswig-Holstein weiterzuentwickeln. Was im Rahmen der Haushaltsberatungen bereits deutlich wurde, setzt sich heute mit der hier vorliegenden Antwort der Landesregierung fort: Es fehlen nicht nur tragfähige Konzepte für die nachhaltige Sicherung bewährter und unentbehrlicher Strukturen - beispielsweise im sozialen, kulturellen oder minderheitenpolitischen Bereich. Nein, in den Aussagen der Landesregierung sucht man auch vergebens nach Visionen, wie Schleswig-Holstein überhaupt weiterentwickelt werden soll. Im Erhalt der Zukunftsfähigkeit sieht der SSW aber eine ganz wesentliche Aufgabe der Landespolitik. Und was diese Zukunftsfähigkeit beinhaltet wird nach unserer Auffassung auch sehr deutlich in der Landesverfassung beschrieben. In den Artikeln 5 bis 9 können Sie es nachlesen. Da geht es um Minderheiten, Soziales, Umweltschutz, Schulen und Kultur. Das sind für uns die tragenden Pfeiler unseres Gemeinwesens, die nicht durch kurzsichtige Finanzbeschlüsse zum Einsturz gebracht werden dürfen.

Trotz der schwierigen finanziellen Situation dürfen wir die Weichen für unser Land nicht so stellen, dass ihm die Chancen in der Zukunft genommen werden. Ohne Zweifel müssen wir den Verpflichtungen der Schuldenbremse und den mitunter steigenden Ausgaben, wie etwa den Pensionen für Landesbedienstete, nachkommen. Letzteres sind übrigens aus meiner Sicht keine Belastungen, sondern völlig berechtigte Ansprüche, die meist über viele Jahre erworben wurden. Im Übrigen werden diese Zahlungen auch dazu beitragen, die Binnenkonjunktur zu stärken. Aber mit Augenmaß, mit sozial ausgewogenen Reformen des Steuersystems und dem nötigen Verhandlungsgeschick auf Bundesebene kann durchaus der nötige Freiraum erhalten werden, um dieses Land auch in Zukunft aktiv zu gestalten. Und das ist die eigentliche Aufgabe der Landesregierung.

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