Rede · 10.10.2007 Föderalismusreform II
Die Arbeit der ersten Föderalismuskommission, die im letzten Jahr zu einer kleineren Reform des bundesdeutschen Föderalismus geführt hat, konnte die hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllen. Diese angeblich größte Reform des Föderalismus seit Ende der 60´er Jahre sollte endlich den Reformstau beenden und unser Land moderner und effizienter machen. Im Kern ging es insbesondere darum, dass die über den Bundesrat zustimmungspflichtigen Gesetze stark reduziert werden sollten, um den Ländern im Gegenzug in einigen Bereichen mehr Zuständigkeiten zu geben.
Was dabei heraus kam, war einmal mehr ein typischer politischer Kuhhandel, wo das Ziel einer Stärkung der bundesdeutschen Ordnung etwas aus den Augen verloren wurde. Die große Koalition in Berlin hatte sich den Verzicht der Länder auf Mitbestimmung bei der Verabschiedung von Bundesgesetzen äußerst teuer erkauft hat. Nicht nur bei der Beamtenbesoldung oder im Umweltbereich, sondern auch in dem zentralen Politikfeld der Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Alles dies führte dazu, dass die großen Erwartungen an die Entscheidungsfähigkeit einer Großen Koalition sehr enttäuscht wurden.
Eine Stärkung der Länderparlamente war nicht einmal auf der Agenda der damaligen Föderalismusreform. Die Lübecker Erklärung der Landesparlamente zur Föderalismusreform von 2003 wurde im Entscheidungsprozess also nur wenig oder gar nicht beachtet. Ich glaube, dass es wichtig ist, sich diese Entwicklung noch einmal vor Augen zu halten, wenn wir heute über die Föderalismuskommission II sprechen und auch wieder feststellen müssen, dass die Landesparlamente bisher kaum Einfluss auf die Debatte genommen haben. Das gilt leider auch für den Schleswig-Holsteinischen Landtag, der sich heute im Plenum zum ersten Mal mit diesem wichtigen Thema befasst.
Dabei betrifft ja gerade die Finanzreform, die jetzt auf der Agenda der Föderalismuskommission II steht mehr als alles andere die Länderparlamente, weil es jetzt nicht zuletzt um Fragen des Budgetrechts geht. Dies geht auch aus der Berliner Erklärung der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente vom 31. August 2007 hervor. Wir sollten uns also noch mal an die eigene Nase fassen und schnellstens eigene Forderungen erarbeiten, denn ansonsten werden es wieder die Regierungen sein, die in diesen Fragen die Entscheidungen treffen werden.
Dabei ist eine Neuordnung der föderalen Finanzbeziehungen schon seit Jahren ein Thema und auch der SSW begrüßt es, dass sich der zweite Teil der Föderalismusreform endlich damit befasst. Aus unserer Sicht ist diese Neuordnung nicht nur mit der hohen Staatsverschuldung zu begründen, die mit fast 1,5 Billionen Schulden über 60% des Bruttoinlandsproduktes ausmacht, sondern es geht im hohen Maße auch darum, die vielfältigen finanziellen Verflechtungen von Bund, Ländern und Gemeinden aufzulösen oder zumindest transparenter zu gestalten, damit die Bürgerinnen und Bürger genau wissen, welche staatliche Ebene wofür finanziell verantwortlich ist. Eine Entflechtung der Mischfinanzierung ist bei dieser Finanzreform aus Sicht des SSW daher ein sehr wichtiger Punkt. - Genauso wie eine Neuregelung des Länderfinanzausgleiches, natürlich unter Beachtung der Solidarität der finanzstarken mit den finanzschwachen Ländern.
Die vorliegende Berliner Erklärung zur Modernisierung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen ist in der Formulierung ein sehr fein herausgearbeiteter Kompromiss, dem sich sicherlich die meisten politischen Parteien anschließen können. Wenn im Text davon die Rede ist, dass bei den anstehenden Reformen strikt darauf zu achten ist, dass die Länder in ihren finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten nicht entmündigt, sondern gestärkt und das fiskalische Gleichgewicht zwischen Bund und Ländern gewahrt werden soll, dann kann vermutlich jeder hier im Saal dies unterstützen.
Das gilt natürlich auch für den SSW, denn wir treten weiterhin für starke Länder ein, die auch die notwendigen finanziellen Spielräume haben, um eigene politische Akzente zu setzen. Es ist ja kein Geheimnis, dass dies in Schleswig-Holstein in den letzten Jahren kaum noch der Fall war und daher erhoffen wir uns von der Neuordnung der Finanzbeziehungen für die Zukunft schon mehr politischen Handlungsspielraum.
Aber der Teufel liegt wie so oft im Detail. Denn wenn man später in der Erklärung argumentiert, dass sich der konjunkturpolitische Ansatz in Art. 115. des Grundgesetzes und die entsprechenden Bestimmungen der Landesverfassungen nicht bewährt haben und die Präsidentinnen und Präsidenten sich gleichzeitig für ein transparentes und verbindliches Konzept zur wirksamen Begrenzung der staatlichen Kreditaufnahme aussprechen, dann hört sich dies zwar vernünftig an, aber angesichts einiger der konkreten Vorschläge läuten beim SSW dann doch die Alarmglocken.
Denn die Diskussion darüber, welche Regelungen zur Schuldenbegrenzung ergriffen werden sollen, nehmen von gewisser Seite schon etwas bizarre Züge an. Da gibt es Vorschläge, die allen Ernstes darauf hinauslaufen, dass durch Verfassungsänderung in Zukunft den staatlichen Organen verboten werden soll, überhaupt irgendwelche Schulden aufzunehmen. Auch Vorschläge, die prozentual genau festzulegen, wie viel Verschuldung sich der Bund oder die einzelnen Länder im jeweiligen Jahr leisten können, gehen aus unserer Sicht zu weit und schränken in Wirklichkeit das Budgetrecht von Bund, Ländern und Gemeindens so stark ein, dass es eigentlich ausgehöhlt wird.
Man darf bei der aktuellen Debatte über Schuldenbremsen und Schuldenbegrenzungsregelung auch nicht aus den Augen verlieren, dass der weitaus größte der Teil der Schulden immer noch eine Folge der deutschen Einheit ist. Auch politische Fehlentscheidungen - wie die rot-grünen Steuerreformen, die jährlich über 50 Mrd. Steuermindereinnahmen zur Folge hatten, haben die Verschuldung - nicht zuletzt die der Länder - erhöht.
Ich will mit diesen Beispiele die Verschuldungsprobleme der öffentlichen Hand in Deutschland nicht verniedlichen, aber wenn man sich die positive Konjunkturentwicklung und die damit verbundenen stark angestiegenen Steuereinnahmen ansieht, dann wird deutlich, dass die beste Finanzpolitik darin besteht, mit allen Mitteln die Arbeitslosigkeit zu senken. Nichts verbessert die Lage der öffentlichen Haushalte so sehr, als wenn die Menschen wieder in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung kommen. Auch das ist eine Lehre aus den letzten beiden Jahren; denn in diesem Jahr liegt die Verschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden ja nur noch bei 0,1% des Bruttoinlandproduktes.
Dennoch bleibt es richtig, dass wir gemeinsam angemessene Steuerungsinstrumente finden müssen, damit wir in konjunkturell guten Zeiten die Schulden abbauen und in schlechten Wirtschaftsphasen durch erhöhte Kreditaufnahmen die Konjunkturtalfahrt abmildern können. Das Ei des Kolumbus gibt es bei dieser Diskussion leider nicht, aber es bleibt zu hoffen, dass man in der Kommissionsarbeit zu einem vernünftigen Kompromiss findet, der den Ländern und den Länderparlamenten auch in Zukunft genügend Handlungsspielraum für eigene Politikansätze gibt.
Ein Wort noch zu den Vorschlägen der Landesregierung hinsichtlich der Altschulden. Der SSW unterstützt die Vorschläge, die darauf abzielen, alle Altschulden in einem gemeinsamen Fonds durch einen Anteil der Mehrwertsteuer der Länder zu tilgen. Ob dieser kreative Vorschlag auch eine Mehrheit bei den finanzstärkeren Ländern findet, ist sicherlich noch ungewiss, aber er zeigt zumindest einen Weg auf, der auch den hoch verschuldeten Ländern Perspektiven bieten.