Rede · 17.12.2010 Für eine menschenwürdige und diskriminierungsfreie soziale und medizinische Versorgung u.a. von Asylsuchenden

Das Bundesverfassungsgericht hat am 09. Februar dieses Jahres mehr als deutlich gemacht, dass Menschen nicht nur existieren, sondern leben. Dazu gehört mehr als die Gewährleistung der physischen Existenz, dazu gehört auch die Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Um zu berechnen, was eine Person braucht, um diese Teilhabe wahr zu nehmen, werden verschiedenste Daten benötigt, weil sowohl die Bedarfe als auch der Verbrauch sehr variieren. Da ist es verständlich, dass die Berechnung schwierig ist. Trotzdem und gerade deshalb, ist aber eine transparente und nachvollziehbare Berechnung notwendig.

Nachdem festgestellt wurde, dass die Berechnung der Hartz IV-Sätze für Kinder verfassungswidrig ist, muss die logische Schlussfolgerung sein, dass die Berechnung der Leistungen im Asylbewerberleistungsgesetz erst Recht nicht nachvollziehbar ist. Zwar liegt die Entscheidung darüber noch beim Gericht, dies ändert aber nichts daran, dass hier wohl noch mehr Fehler als bei den Hartz IV-Sätzen gemacht wurden.

Das Asylbewerberleistungsgesetz steht schon seit seiner Einführung 1993 in der Kritik. Diese Kritik wurde nicht weiter verfolgt, obwohl Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und Flüchtlingsorganisationen protestierten. Mittlerweile ist die Politik in der Berechnung von Leistungen aber etwas weiter, so dass hier aus Sicht des SSW dringender Handlungsbedarf besteht.

Die Leistungen für Asylsuchende und Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus sollten abschreckend sein und das sind sie auch. Das Existenzminimum wird nicht gesichert, Schmerzen und Krankheiten nur im Notfall behandelt, das monatliche Taschengeld von 40 Euro für alle persönlichen Bedürfnisse ist nicht ausreichend und weitere Einschränkungen wie die Residenzpflicht oder das Arbeitsverbot machen den Menschen das Leben schwerer als es ohnehin schon ist. Wir müssen uns an dieser Stelle einmal vergegenwärtigen, welche Personen betroffen sind.
Hier geht es nicht um Sie oder mich, sondern um Menschen, die auf der Flucht sind, die Krieg, Zerstörung und Vertreibung mitgemacht haben und die nicht nach Deutschland gekommen sind, weil sie gerade Lust und Laune dazu hatten.

Die Bundesregierung hatte 1993 mit dem Asylbewerberleistungsgesetz beschlossen, dass sie für die Menschen, die ohnehin in einer Notlage sind, die Notlage zum Teil aufrecht zu erhalten. Mir ist allerdings neu, dass dies eine sinnvolle Argumentation in der Flüchtlingspolitik sei.

Die heutige Bundesregierung kann keine Angaben dazu machen, wie sich die Leistungen für Asylsuchende zusammensetzen. Klar ist nur, dass sie mit 225 Euro pro Monat bummelig 30% unter den heutigen Hartz IV-Bezügen liegen und dass die 1,34 Euro Taschengeld pro Tag noch nicht einmal für das Allernötigste ausreichen. Es ist völlig unklar, wieso die Leistungen 17 Jahre lang nicht den Preissteigerungen angepasst wurden oder wie man sich zurecht reden konnte, dass Integrationsbedürfnisse erst nach einem Jahr und mittlerweile nach vier Jahren existieren. Diese Fakten sind haarsträubend, so dass man sich wirklich wundern kann, dass das Gesetz noch nicht einmal überarbeitet wurde.

Aus Sicht des SSW ist durchaus zu begrüßen, dass hier im Land kaum noch Sachleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz verteilt werden und dass die meisten Leistungen als Geld ausbezahlt werden. Auch sehen wir die Dezentralisierung bei der Unterbringung positiv an. Gemeinschaftsunterkünfte mögen als vorübergehende Lösung praktikabel sein, sie sind aber auf die Dauer nicht geeignet, Menschen über Jahre hinweg eine würdige Unterbringung zu garantieren. Obwohl das Gesetz in Schleswig-Holstein bereits anders als zum Beispiel in Bayern oder Baden-Württemberg angewandt wird, spricht sich der SSW dafür aus, das Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen oder zumindest zu überarbeiten. Wir brauchen ein transparentes und sachgerechtes Verfahren, dass nicht von politischen Vorgaben bestimmt ist oder der Abschreckung dient, sondern sich an den Bedarfen der Menschen misst. Komplizierte Sach- und Rechtsfragen müssen zügig gelöst werden, 17 Jahre Stillstand sind schon lange genug!


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