Rede · 26.04.2012 Gesetz für die Bibliotheken
Es ist mittlerweile fast zwei Jahre her, dass der SSW den Entwurf eines Bibliotheksgesetzes für Schleswig-Holstein in den Landtag einbrachte. Die Debatte war damals konstruktiv, wie es so schön heißt, sie machte aber von Anfang an deutlich, dass es nicht einfach sein würde, für unseren Gesetzentwurf eine Mehrheit im Plenum zu bekommen. Danach gab es eine große schriftliche Anhörung und eine etwas kleinere mündliche. Das Ergebnis der Anhörungen war wenig überraschend: Von allen Fachleuten war zu hören, wie notwendig ein Bibliotheksgesetz ist, während nicht zuletzt die kommunale Familie Kostengründe ins Spiel brachte als Argument gegen ein Bibliotheksgesetz. Bemerkenswert fand ich die Aussage des Landesrechnungshofs, dass wir auch ohne ein Gesetz auskommen können, weil unser jetziges Bibliothekssystem ja schon mit Geld unterfüttert ist und es falsch sei, dieses Geld den Bibliotheken vorzuenthalten. Und das ist genau der springende Punkt für den SSW: Bibliotheken sind schon längst eine politische Pflichtaufgabe, das reicht aber für den Erhalt unserer Büchereien nicht aus! Nicht nachvollziehbar sind für mich daher die vom Bildungsministerium zusammengestellten Kosten, die ein Bibliotheksgesetz mit sich bringen würde. Dass ich mit dieser Einschätzung nicht allein stehe, zeigt die deutliche Reaktion des Büchereiverbandes.
Die Folgen dieses Entscheidungs-Vakuums sind heute deutlicher denn je: Bibliotheken werden geschlossen und überall im Land versuchen Kommunen aus Bibliotheken ehrenamtlich organisierte Büchersammlungen zu machen. Damit kein Missverständnis entsteht: Ich spreche mich nicht gegen Fördervereine und Freundeskreise für Bibliotheken aus, aber solche Initiativen sind nicht geeignet, den Bildungsauftrag von Bibliotheken umzusetzen.
Beispielhaft ist hier die Entwicklung im Kreis Schleswig-Flensburg, wo sich der Kreis Ende 2011 aus der Finanzierung der Bibliotheken verabschiedete – gut 150.000 Euro jährlich wollte man dadurch einsparen. Seitdem versuchen die Kommunen mehr schlecht als recht mit der Kürzung klarzukommen. Wo es gut läuft, geschieht eine Übernahme durch die Stadt oder die Gemeinde. Wo man sich nicht über die Kostenfrage einigen kann – wie zum Beispiel in Glücksburg – kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen. – Leider auch, weil nicht allen Kommunalpolitikern klar ist, was Bibliotheken leisten. Auch deshalb ist ein Gesetz notwendig!
Und daher noch einmal: Wissen ist eine zentrale Ressource in Schleswig-Holstein. Vermittlungsinstanzen für Wissen sind neben Schulen und Hochschulen auch die Bibliotheken. Sie gewähren ihren Nutzerinnen und Nutzern unabhängig von deren Bildungsgrad, Vorbildung oder Staatsangehörigkeit aktuelle Informationen zu allen Themen. Bibliotheken bereiten diese Themen auf, erschließen und vertiefen sie, weil sie von Fachleuten geführt werden. So sieht es das Gesetz vor. Auf diese Weise fungieren Bibliotheken im besten Sinne des Wortes als Pfadfinder in der modernen Datenwelt, die unerfahrene Nutzer schnell überfordern kann. Bibliotheken öffnen Horizonte.
Öffentliche Bibliotheken sind also Teil unserer Bildungsinfrastruktur. Der Zugang zu Informationen ist ohne öffentliche Bibliotheken nicht mehr allen Bürgerinnen und Bürgern in Schleswig-Holstein möglich. Spannende Lektüre, abwechslungsreiche Kinderbücher oder die Informationen aktueller Zeitungen und Zeitschriften und nicht zuletzt ein Internetzugang kosten Geld. Und das fehlt vielen Schleswig-Holsteinern: Aufstockern, Kleinverdienern oder Alleinerziehenden. Sie sind es, die durch die Abstriche an der Bibliothekversorgung am stärksten betroffen sind. Gutverdiener kaufen sich im Zweifelsfall ein Buch, eine CD oder eine Zeitung. Das können die anderen nicht; sie bleiben außen vor. Bibliothekskürzungen sind darum Sozialkürzungen. Unser Gesetz haben wir also auch zum Schutz der Nutzer eingebracht.
Hinzu kommt, dass Bibliotheken auch Teil des kulturellen Gedächtnisses sind. Sie bewahren und erschließen regionale Zeugnisse. Ich sage voraus, dass Bibliotheken in wenigen Jahren die einzigen Fundstellen sein werden, wenn es um elektronische Dokumente geht. Bereits jetzt sind beispielsweise die Musik-CD der ersten Generationen nicht mehr abspielbar. Die Musik ist weg. So wird es auch anderen elektronisch erfassten Inhalten ergehen, wenn die Bibliotheken keine Pflichtexemplare mehr archivieren.
Die Anhörung im Ausschuss hat uns noch einmal die enorme Bandbreite der Angebote der Bibliotheken im Land vor Augen geführt. Der SSW hat die entsprechenden Anregungen bezüglich der Klarheit und Eindeutigkeit des neuen Bibliotheksgesetzes berücksichtigt und eingearbeitet. Wir haben jetzt ein gutes, gereiftes Gesetz, das die notwendigen strukturellen Weichenstellungen vornimmt. Die Begrifflichkeiten sind klar definiert und die Zuständigkeiten auch.