Pressemitteilung · 14.01.2004 Gesetzentwurf für mehr Friesisch in Nordfriesland vorgelegt

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Wenn es nach dem Südschleswigschen Wählerverband geht, können die Bürger in Nordfriesland und auf Helgoland sich künftig auf Friesisch an die dortigen Behörden wenden. Außerdem sollen Gebäude und Ortsschilder zweisprachig beschriftet werden. Der SSW-Landtagsabge­ordnete Lars Harms hat einen entsprechenden Entwurf für ein „Friesisch-Gesetz“ vorgelegt, der in der kommenden Woche vom Schleswig-Holsteinischen Landtag beraten wird.

„Das Friesische ist nicht nur die Wurzel Nordfrieslands, es ist auch eine lebendige Sprache und Kultur, die dort heute noch von ungefähr 10.000 Menschen täglich gelebt wird. Deshalb müssen die Menschen dort in allen Bereichen des Alltags auch ihre Sprache nutzen können.

Das Land Schleswig-Holstein hat eine besondere Verantwortung für die kleine Sprach­gemein­schaft der Friesen, denn wir haben keinen ‚Mut­terstaat’, in dem unsere Sprache gesprochen wird. Deshalb ist das Friesische auf die Unter­stütz­ung des Lan­des angewiesen“, begründet Lars Harms den Vorschlag des SSW.

Der friesische Abgeordnete verweist darauf, dass zwei ostdeutsche Bundes­län­der schon 1994 und 1999 Gesetze zum Schutz der sorbischen Sprache be­schlossen haben: „Die Sorben-Gesetze in Brandenburg und Sachsen waren unsere Vorbilder für das Friesisch-Gesetz. Sie beweisen, dass ein solches Gesetz in der Praxis funktio­nie­ren kann und rechtlich haltbar ist.

Ein Friesisch-Gesetz ist ein weiterer Schritt in der europäischen Minderheitenpolitik. Ich bin mir sicher, dass dieser Schritt weit über die Grenzen Schleswig-Holsteins hinaus wahrgenommen wird.“


Das Friesisch-Gesetz regelt, dass in Formularen, Gesprächen und Schriftwechseln mit der Verwaltung auch die friesische Sprache angewendet werden kann. Außerdem sollen Ortschilder und die die Beschilderung öffentlicher Gebäude zukünftig zweisprachig sein. Während die Regelungen für Landesbehörden in Nordfriesland und auf Helgoland verbindlich sein sollen, steht es den Gemeinden und dem Kreis Nordfriesland offen, ob sie diese Option nutzen. Nach Möglichkeit sollen diese Institutionen auch künftig friesische Sprachkenntnisse bei Einstellungen in den öf­fent­li­chen Dienst berücksichtigen.



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Hintergrund:
Zusammenfassung der Regelungen des Friesisch-Gesetzes


· Das Gesetz beinhaltet eine Selbstverpflichtung des Landes und darüber hinaus die Eröffnung von Möglichkeiten zur Sprachförderung für die kommunale Ebene, ohne Verpflichtungen festzuschreiben. Daher entstehen auch keine Konnexitätspflichten für das Land und es werden keine zusätzlichen Verpflichtungen auf die kommunale Ebene übertragen.

· Vorbilder für den Gesetzentwurf sind die Sorbengesetze in Brandenburg und Sachsen, die dort von den Landtagen einstimmig verabschiedet worden sind.

· Der Gesetzentwurf ist vom wissenschaftlichen Dienst des Landtages geprüft worden. Etwaige Änderungsvorschläge sind aufgenommen worden, wodurch feststeht, dass der Gesetzesentwurf rechtlich in Ordnung ist. Die Stellungnahme des wissenschaftlichen Dienstes ist den anderen Fraktionen zur Verfügung gestellt worden.

· Die Regelungen beziehen sich auf Nordfriesland und die Insel Helgoland - nicht auf das ganze Land Schleswig-Holstein.


Friesische Sprache in Behörden (§ 1)

Die Bürgerinnen und Bürger können sich in friesischer Sprache an Behörden im Kreis Nordfriesland und auf der Insel Helgoland wenden. Die Verwaltungen können diesen Bürgern auf Friesisch antworten.

Die Nutzung der friesischen Sprache orientiert sich an den Regelungen des § 82 a Landesverwaltungsgesetz. Hiernach ist die Amtssprache Deutsch und die Nutzung von fremden Sprachen ist unter bestimmten Bedingungen gegenüber Behörden im Land formell erlaubt. Als fremde Sprachen gelten beispielsweise alle Staatssprachen anderer Länder (z.B. Dänisch, Englisch oder Russisch – und auch Kirgisisch, Thailändisch oder Malaiisch).
Für das Niederdeutsche besteht in Schleswig-Holstein bereits eine Ausnahmeregelung, in dem man in der europäischen Sprachencharta die Verpflichtung eingegangen ist, Niederdeutsch vor Verwaltungen zuzulassen und das Landesverwaltungsgesetz entsprechend gelten zu lassen. Für das Friesische, das weder Amtssprache noch eine fremde Sprache ist, fehlt eine solche Regelung bisher. Diese Lücke soll jetzt geschlossen werden.

Offizielle Formulare können zweisprachig abgefasst werden. Diese Möglichkeit ist in den meisten Minderheitengebieten in Europa gegeben.


Einstellungskriterium (§ 2)

Bei Einstellungen in den öffentlichen Dienst sollen das Land, der Kreis Nordfriesland und die dortigen Kommunen friesische Sprachkenntnisse berücksichtigen, „soweit es im Einzelfall bei der Wahrnehmung einer konkreten Tätigkeit als erforderlich erachtet wird“.

Hiermit wird die Chance eröffnet, durch die Anrechnung friesischer Sprachkenntnisse, die friesische Sprache in Verwaltungen zu fördern. Der Beschluss des Landtages betreffend Regional- und Minderheitensprachen vom 18.10.2000 wurde für das Friesische wortwörtlich übernommen.


Zweisprachige Beschilderung an Gebäuden (§ 3)

Bei der zweisprachigen Beschilderung in Deutsch und Friesisch geht es grundsätzlich nur um die Außenbeschilderung an den Gebäuden, nicht um Wegweiser und andere Beschilderungen im Gebäude. Dadurch werden die hiermit verbundenen Kosten sehr gering gehalten.

Das Land geht eine Selbstverpflichtung ein. Die Art der Ausführung der Beschilderung an den Verwaltungsgebäuden bleibt freigestellt, um hier eine möglichst einfach zu praktizierende Lösung zu schaffen. Den Kommunen werden gleichartige Beschilderungen erlaubt.

In anderen Minderheitengebieten Europas ist die mehrsprachige Beschilderung von öffentlichen Gebäuden bereits Standard.


Siegel und Briefköpfe (§ 4)

Hier gilt das zu § 3 gesagte entsprechend.


Friesische Farben und Wappen (§ 5)

Im Kreis Nordfriesland können die Farben (Gold-Rot-Blau) und das Wappen der Friesen neben den Landesfarben und dem Landeswappen verwendet werden.

Der Flaggenerlass der Landesregierung lässt es zu, besondere Fahnen mit Genehmigung des Innenministeriums offiziell zu hissen. Die Bestimmung dient daher der Klarstellung und vor allem der Anerkennung der Friesen als besondere heimische Gruppe in Schleswig-Holstein mit eigenständiger Sprache und Kultur und damit verbunden mit eigenständigen Symbolen.


Zweisprachige Ortstafeln (§ 6)

Die Ortstafeln können zweisprachig in Deutsch und Friesisch beschildert werden.

Bisher gibt es einen diesbezüglichen Erlass des Verkehrsministers. Die Bestimmung dient der Konkretisierung und der Schaffung eines landesgesetzlichen Rahmens. In vielen Orten Nordfrieslands sind schon zweisprachige Ortstafeln aufgestellt worden.

Durch diese Bestimmung werden Rahmenbedingungen formuliert, wie sie für andere Minderheiten in Europa in ähnlicher Art und Weise gelten (Sorben in Deutschland, Minderheiten in Österreich, Westfriesen in den Niederlanden).


Zweisprachige Verkündung (§ 7)

Die zweisprachige Verkündung des Gesetzes dient der Anerkennung der friesischen Sprache und setzt somit auch ein Zeichen im Rahmen der europäischen Bestrebungen, Minderheiten ohne Staat in besonderer Weise zu schützen und zu fördern. Auch die Sorbengesetze in Brandenburg und Sachsen sind zweisprachig verkündet worden.

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Den Wortlaut des Friesisch-Gesetzes finden Sie hier:
www.lvn.parlanet.de/infothek/wahl15/drucks/3100/drucksache-15-3150.pdf

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