Rede · 21.05.2015 Gewährleistung der Versammlungsfreiheit und Wahrung des Anspruchs auf Gewaltfreiheit - eine gute Mischung

Lars Harms zu TOP 6 - Entwurf eines Gesetzes zum Versammlungsrecht

Die Föderalismusreform hat uns durch die Neuzuschneidung der Kompetenzen viel Arbeit ins Land gespült. Der SSW empfindet das allerdings nicht als Last, sondern als Chance, den besonderen Gegebenheiten und Strukturen Schleswig-Holsteins Rechnung zu tragen. Es ist richtig, dass wir uns nicht auf ein Versammlungsrecht verlassen, das vor mehr als 60 Jahren seinen Anfang nahm, sondern uns Gedanken über einen eigenen Gesetzentwurf machen. Die Versammlungsgesetze der einzelnen Bundesländer, von denen einige ja noch ausstehen, wurden als Insellösungen kritisiert. Dieser Vorwurf ist nicht haltbar, schließlich wollen wir ein Versammlungsrecht, das die Besonderheiten unseres Landes berücksichtigt. Die Formen der demokratischen Auseinandersetzung haben sich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt und die Vielfalt ist gewachsen. Wir haben uns nichts weniger vorgenommen als das Versammlungsrecht zu modernisieren.

Ich habe im Laufe der Beratungen viel gelernt. Die Anhörung hat dem Landtag einen guten Einblick in die Arbeit verschiedener Organisationen gegeben. Wir haben im Ausschuss im wahrsten Sinne des Wortes miteinander gerungen, weil es schließlich um das Grundrecht der Versammlungsfreiheit geht. Die Diskussionen waren sachlich und lösungsorientiert. Eigentlich waren wir uns weitgehend einig. Allerdings hatte der Entwurf der CDU-Fraktion überhaupt keine Chance; denn der Text ist ein Versammlungsverhinderungsentwurf. Damit ignoriert er die aktuelle politische Debatte und schürt die Angst vor gewalttätigen Demonstrationen. Tatsächlich sind Ausschreitungen bei Demonstrationen die absolute Ausnahme. Wir haben hier vor dem Landeshaus immer wieder Demonstrationen, die zwar laut sind, aber keineswegs gewalttätig. Die Bürgerinnen und Bürger sagen ihre Meinung. Und das ist auch gut so. Mit dem SSW wird es keine Einschränkungen des Versammlungsrechts geben! Auch die anderen Fraktionen stimmten gegen den CDU-Entwurf - quer über die Grenzen von Oppositions- und Regierungsfraktionen. 

Die Koalition wünscht eine lebendige Demokratie, an der sich möglichst alle Menschen in Schleswig-Holstein beteiligen. Demonstrationen sind keine Gefahr, auch wenn einem nicht immer zusagt, was die Demonstrantinnen und Demonstranten fordern. Sich außerhalb parlamentarischer Prozesse zu Wort melden zu können oder parlamentarische Diskussionen anzustoßen, ist das höchste Recht des Volkes. Dieses Recht muss gegen Gewalttäter und Extremisten geschützt werden. Allerdings möchte ich dieser Stelle ganz deutlich machen, dass über ein neues Versammlungsrecht die Ursachen von gewaltsamen Protesten nicht beseitigt werden können. Wir reden bei dem Gesetz eben nicht von sozialen und politischen Konflikten. Diese müssen parlamentarisch und gesellschaftlich thematisiert und bearbeitet werden. Polizei und Justiz können durch Kontrolle Gewalt einhegen, aber deren Ursachen nicht beseitigen. Eben mal eine Hundertschaft hinschicken und dann ist der Protest weg – das glaubt hoffentlich inzwischen keiner mehr. 

Dennoch müssen wir gegen Verletzungen des Grundrechts der Versammlungsfreiheit konsequent vorgehen. Darum ist im Gesetz ein Uniformierungsverbot auf Demonstrationen integriert. Extremisten wollen nämlich mit ihren Uniformen die Menschen einschüchtern. Dazu wird es auf Schleswig-Holsteins Straßen nicht mehr kommen. Die Regelung im neuen Gesetz ist entsprechend eindeutig.

Eindeutig geregelt ist auch das sehr umstrittene Vermummungsverbot. Demonstranten dürfen sich nicht vermummen. Sie müssen mit offenem Visier für ihr Recht eintreten. Allerdings wird zukünftig ein Verstoß dagegen als Ordnungswidrigkeit eingestuft, weil es kein Verbrechen ist, anonym bleiben zu wollen. Schließlich gibt es durchaus Demonstrationen, auf denen Demonstranten aus gutem Grund ihre Identität nicht preisgeben wollen. Im Internet kursieren Listen mit Namen und Adressen von Bürgerinnen und Bürgern, die gegen rechtsextremistische Umtriebe eintreten. Die Nazis verunglimpfen alle Journalisten und Kritiker als Zecken, die es zu vernichten gilt. Sie rufen offen zur Gewalt gegen Menschen auf, die sie systematisch auf Demonstrationen fotografieren. Dass sich vor diesem Hintergrund Bürgerinnen und Bürger auf Demonstrationen gegen rechtsextreme Aufmärsche nicht zu erkennen geben wollen, damit sie nicht auf solchen Listen landen, ist also durchaus nachvollziehbar.

Darum ist es richtig, das Vermummungsverbot als Ordnungswidrigkeit einzustufen. Nach der Anhörung haben wir die Höchstsätze von Bußgeldern bei mehreren Ordnungswidrigkeits-Delikten halbiert: von 3.000 auf 1.500 Euro. 

Abschließend möchte ich den Gesetzentwurf als einen gelungenen Kompromiss bezeichnen. Es geht um die Gewährleistung des Grundrechtes der Versammlungsfreiheit und  gleichzeitig um die Wahrung des Anspruchs auf Gewaltfreiheit und Schutz vor extremistischem Gedankengut. Das ist gelungen.

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