Rede · 09.09.2010 Grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Schleswig-Holstein und der Region Syddanmark

In seiner Länge und Ausführlichkeit ist dieser Bericht bemerkenswert. Man merkt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesregierung an, dass sie sich Mühe gegeben haben. Dafür einen herzlichen Dank. Allerdings ist bedauerlich, dass genau die Punkte aus unserem Berichtsantrag nicht beantwortet werden, die zu Reflexionen über Zielsetzungen und Umsetzungsprozesse einladen. Hier ist zwar von der Pflege guter Beziehungen, von Absichtserklärungen sowie Informations- und Erfahrungsaustausch die Rede; unbeantwortet bleibt dagegen, wie die Landesregierung die Träger der Zusammenarbeit konkret berät und unterstützt oder wie die lange angekündigte Dänemark-Strategie im Detail aussieht.

Deutlich macht der vorliegende Bericht, dass - und hier gebe ich der Landesregierung Recht - das Aktivitätsniveau der deutsch-dänischen Zusammenarbeit in den letzten Jahren intensiviert und gesteigert wurde. Sie hat auch Recht, wenn im Bericht behauptet wird, dass das INTERREG IV A-Programm vorrangig das Ziel hat, einen direkten Nutzen für die gemeinsame wirtschaftliche und regionale Entwicklung der Grenzregion zu schaffen. Dass den Akteuren trotzdem oft die Lust vergeht, sich an INTERREG-Projekten zu beteiligen, ist leider die andere Seite dieser Medaille. Nicht nur das Antragswesen ist umständlich und bürokratisch, das Zuwendungsverfahren ist es auch. Dazu hatte der SSW Anfang des Jahres einen Bericht im Europa-Ausschuss erbeten, der – so ist mir gesagt – dann auch zu einigen Verbesserungen bei den Abläufen geführt hat. Aber anders herum ist doch genau dies eine Barriere in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, die die Landesregierung von sich aus unter ständiger Beobachtung hat. Es sollte auch klar und deutlich gesagt werden, dass es die EU ist, die den Hauptteil der deutsch-dänischen Zusammenarbeit finanziert. - Und es sind die Akteure vor Ort, die die Co-Finanzierung leisten. Sie arbeiten erfolgreich in den Bereichen Tourismus, Umwelt, Justiz, Arbeitsmarkt oder Bildung zusammen, und sie stecken auch sehr viel unbezahlte Arbeitskraft in diese Zusammenarbeit. Die Landesregierung ist vor diesem Hintergrund häufig nur die Tante, die Klavier spielt, und nicht der Onkel, der Gutes mitbringt. Das Scheitern des Projektes Collegium Mare Balticum lässt grüßen!

Es ist wegen der Kürze meiner Redezeit unmöglich, auf Einzelheiten des Berichts einzugehen. Dazu wird die Ausschussberatung hoffentlich Gelegenheit geben. Dort werden wir sicherlich auch - genauer als im Bericht dargelegt - erfahren, wie weit man ist, wenn es darum geht, Gesundheitsleistungen grenzüberschreitend anzubieten. Denn auch in diesem Bereich gilt letztlich die Devise, dass Zusammenarbeit keine Einbahnstraße sein darf. - Oder wie die Landesregierung gedenkt, in der nunmehr beschlossenen deutsch-dänischen Verkehrskommission zu agieren. Zu sagen, jede Seite listet seine Infrastrukturprojekte auf und koordinieren will man erst einmal gar nichts, ist wenig ambitiös und nicht im Sinne einer verstärkten Zusammenarbeit.

Fast wie Hohn klingt es, wenn die Landesregierung den konstruktiven Austausch und die positiven Ergebnisse der Kompetenzanalyse zum Mehrwert der Minderheiten in der Grenzregion hervorhebt. Denn hier scheint die eine Hand nun wirklich nicht zu wissen, was die andere tut. Hinzu kommt – und das ist wirklich abenteuerlich – wenn beim Thema „Förderung der dänischen Sprachkenntnisse“ aus dem Bericht der Landesregierung hervor geht, wie wichtig die Rolle der Dänischen Zentralbibliothek in diesem Zusammenhang ist. Gleichwohl schlägt die Landesregierung im gestern debattierten Haushaltsentwurf für 2011-2012 vor, den Landeszuschuss für Dansk Centralbibliotek von gut 90.000 € auf gut 60.000 € zu reduzieren. Oder anders ausgedrückt: Man findet es anscheinend völlig in Ordnung, dass man „für ’n Appel und ’n Ei“ alles haben kann: eine Minderheitenpolitik für schöne Sonntagsreden und ein Sprachangebot zum 0-Tarif für Menschen, die ohne einen grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt, keine Chance auf einen Arbeitsplatz hätten. Für beides zahlt die dänische Seite: Partnerschaft und Wertschätzung sieht anders aus.

Wenn man sich vor Augen führt, dass die Landesregierung diesen Bericht - bevor er überhaupt im Landtag debattiert wurde - bereits dem Sachverständigenausschuss des Europarates überreicht hat, der anlässlich der Fortschreibung des Staatenberichts zur Sprachencharta vor kurzem in Kiel tagte, dann bekommt man den Eindruck, dass es der Landesregierung mehr um den Symbolgehalt geht als um Inhalte. Denn die oft angekündigte neue Dänemark-Strategie liegt immer noch nicht vor - auch wenn die Landesregierung schon einmal die Richtung andeutet. Sie soll ganz Dänemark umfassen, heißt es, und verstärkt die Fehmarnbelt-Region umfassen. Aus anderen Zusammenhängen wissen wir, dass der Landesregierung dabei in erster Linie ein Bild von einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen der Öresundregion und der Metropolregion Hamburg vorschwebt. Weitere Stichworte lauten: Einbindung in die Makroregion Ostsee und Umsetzung der EU-Ostseestrategie. Daher sage ich für den SSW: Wir werden nicht hinnehmen, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im deutsch-dänischen Grenzland auf die lokalen Akteure abgewälzt wird, damit sich die Landesregierung auf schöner gebohnerten Fluren ausleben kann , denn für den nördlichen Landesteil ist diese Kooperation nicht „nice to have“, sie ist eine wichtige strategische Perspektive.

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