Rede · 13.07.2001 Keine Verdrängung regulärer Arbeitplätze

Die Regierungsparteien im Bundestag haben Ende Mai eine Reform der Arbeitsförderung angekündigt: sie heißt Job-AQTIV. Wer sich heute das entsprechende Papier ansieht, kann sich einige Tage nach den Äußerungen des Bundeskanzlers zu den Arbeitslosenzahlen das Lächeln nicht verkneifen: die positive Situationsbeschreibung im Arbeitspapier stimmt einfach nicht mehr. Das Ziel, die Zahl der Arbeitslosen unter die 3,5 Mio-Marke zu drücken, hat der Bundeskanzler inzwischen weitgehend aufgegeben. Die Arbeitsförderung ist also notwendiger denn je. 3,5 Millionen Menschen sind 3,5 Millionen Schicksale. Wir dürfen nicht vergessen, was sich hinter der dürren Statistik verbirgt: Menschen, die durch lange Arbeitslosigkeit finanziell unter die Räder kommen können und deren Selbstwertgefühl mit jedem Tag der Arbeitslosigkeit geringer wird. Wir müssen also alles tun, damit die Zahl der Arbeitslosen reduziert wird; und zwar deutlich reduziert wird.

Wer die Realität in unseren Arbeitsämtern kennt, weiß, dass Reformen dringend notwendig sind. Der SSW begrüßt ausdrücklich, dass die Regierungsfraktionen endlich Nägel mit Köpfen machen und die Arbeitsförderung verbessern wollen, indem der Schwerpunkt auf aktive Maßnahmen gelegt wird. Diese Wende in der Arbeitsförderung wird sicherlich von allen Fraktionen gut geheißen.

Mit dem neuen Programm Job-AQTIV soll statt endloser und teurer Reaktionsmaßnahmen Arbeitslosigkeit von vornherein vermieden werden. Arbeitnehmer, die von Kündigung bedroht sind, haben beispielsweise zukünftig Anspruch auf Qualifizierung, damit sie ihren Arbeitsplatz behalten oder gleich auf einen neuen wechseln können. Zu der Arbeitsförderung neuen Typs gehört ausdrücklich auch der Erwerb von Sprachkenntnissen und Auslandserfahrungen. Ein entsprechender Gesetzes-Antrag des Saarlandes im Bun­des­rat wurde noch vor einigen Monaten seitens der Bundesregierung abgelehnt.

Nicht zuletzt für uns im Grenzland ist dieser Sinneswandel sehr gut. Er ist überfällig, denn in Dänemark sind viele interessante Stellen auch für Deutsche vorhanden. Solange aber entsprechende Vorbereitungskurse in Dänemark von deutschen Arbeitsämtern nur in Ausnahmenfällen genehmigt werden, werden nur wenige Arbeitnehmer diese guten Chancen auch wirklich nutzen.

Aber der vorliegende Antrag betrifft einen anderen Punkt des neuen Gesetzes: Es geht um den geplanten Wegfall des sogenannten „Zusätzlichkeitskriteriums“. Dieses Kriterium soll garantieren, dass öffentliche Arbeitsbeschaffung privaten Unternehmen nicht das Wasser abgräbt. Es kann nicht sein dass Privatfirmen in die Knie gehen, weil sie bei den indirekt subventionierten Preisen nicht mithalten können.

Aber man sollte das rot-grüne Papier schon genauer lesen: Die Regierungsfraktionen wollen nur dann Ausnahmen vom Zusätzlichkeitskriterium zulassen, wenn der Verwaltungsausschuss des Arbeitsamtes dem zustimmt. Der Verwaltungsausschuss ist mit Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenvertretern und Vertretern der Arbeitgeber besetzt. Wenn also der Verwaltungsausschuss eine Ausnahme vom Zusätzlichkeitskriterium ermöglicht, dann kann man sicher sein, dass dieses Gremium den regionalen Markt kennt und sich der Konsequenzen seiner Entscheidung bewusst ist. Traut die CDU-Fraktion diesen Entscheidern nicht über den Weg? Dieser Eindruck drängt sich auf. Wenn also ein Wirtschaftsunternehmen - wohl gemerkt, es geht hier nicht um öffentliche Arbeitgeber - Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen anbietet, dann entscheidet der Verwaltungs­ausschuss. Was wir bemängeln, ist der große Abstand der Sitzungen der Verwaltungsausschüsse, die in der Regel nur ein paar Mal im Jahr tagen. Das muss unbedingt verbessert werden, damit schnelle Reaktionen erfolgen können.

In der Begründung des CDU-Antrages wird noch einmal auf die Priorität des ersten Arbeitsmarktes hingewiesen. Jeder Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt ist besser als ein subventionierter Arbeitsplatz, aber ich mochte an dieser Stelle noch einmal klarstellen: ein subventionierter Arbeitsplatz ist immer noch sehr viel besser als gar keiner.

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