Rede · 12.12.2007 Keine Zwangsverrentung bei Hartz IV-Empfängern


Die Rentenpolitik der Großen Koalition ist aus sozialpolitischer Sicht eine Katastrophe für breite Schichten der Bevölkerung. Nicht nur, dass man im Frühjahr beschlossen hat, das Rentenalter generell in mehreren Phasen auf 67 Jahre zu erhöhen. Sondern dazu kommt auch noch, dass ein zukünftiger Durchschnittsrentner - obwohl er also jetzt länger für seine Rente einzahlen muss – im Verhältnis zum Nettoeinkommen eine kleinere Rente haben wird als die heutigen Rentner. Diese Beschlüsse sind allein schon ein Armutszeugnis in einer Situation, wo immer noch viele über 50-jährige es sehr schwer haben, eine Beschäftigung in Deutschland zu finden.

Dazu kommt jetzt also noch der abenteuerliche Versuch, Menschen die Arbeitslosgeld II beziehen, früher in die Rente zu zwingen – also quasi eine Zwangsverrentung. Ursprünglich wolle die Bundesregierung zum 1. Januar 2008 eine Änderung des SGB II durchführen, die es den Behörden erlaubt hätte, ALG II-Bezieher zum frühest möglichen Zeitpunkt mit einer um Abschläge geminderten Rente in den Ruhestand zu zwingen. Bei den ersten Plänen ging man davon aus, dass dies bereits mit 60 Jahren möglich sein sollte. Dies hätte dazu geführt, dass es für diese Personengruppe zu einer Rentenkürzung von bis zu 18% hätte kommen können. Diese Zwangsverrentung sollte für Personen gelten, die nicht mehr vermittelt werden können.

Wenn man bedenkt, dass schon heute die Zahl der Menschen, die in Deutschland auf eine Grundsicherung im Alter angewiesen sind von 2003 auf 2006 um 30 % angestiegen sind und durch prekäre, schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse in Zukunft weitere Altersarmut droht, dann sind diese Vorschläge der Regierung zur Zwangsverrentung ein weiterer Schritt in die verkehrte Richtung.

Natürlich begrüßt auch der SSW, dass die Große Koalition nach massivem Druck von Gewerkschaften und Sozialverbänden jetzt ihre Pläne geändert hat und den frühest möglichen Renteneintritt für ältere Arbeitslose nun auf 63 Jahre festgelegt hat. Auch, dass die so genannte 58er-Regelung weitergeführt wird, ist ein positiver Ansatz. Dennoch bleibt ein fader Nachgeschmack. Denn die Verschiebung um drei Jahre bedeutet, dass damit immer noch Rentenabzüge von über 7% für diese Menschen drohen.

Wer also in Zukunft mit 63 Jahren mit dieser Regelung in den Ruhestand geschickt wird, dem droht Armut im Alter. Denn die ALG II-Bezieher, die von dieser Regelung umfasst werden, gehören ja schon heute überwiegend zu einer Gruppe, die oft nicht so gut verdient haben und in diesem Fall können 7% Rentenkürzung schon viel ausmachen. Zumal es ja nicht freiwillig geschieht, sondern sozusagen von Staats wegen angeordnet wird. 

Die bisher geltende Regelung, nach der Ältere selbst bestimmen können, ob sie zum regulären Zeitpunkt mit der vollen Rente oder zu einem früheren Zeitpunkt mit einer um Abschläge geminderten Rente in den Ruhestand gehen, ist ja vernünftig, weil es sich dann um echte Wahlfreiheit handelt. Das heißt Arbeitnehmer, die es sich leisten können oder die bereit sind weniger Rente zu bekommen, aber dafür früher in Rente gehen können, sollten auch aus SSW-Sicht weiterhin diese Wahlfreiheit behalten können. Das ist eine gute Regelung.

Aber eine Zwangsverrentung von ALG-II-Beziehern, die angeblich nicht vermittelt werden können, lehnen wir weiterhin ab. Auch der jetzt gefundene Kompromiss würde nur akzeptabel sein, wenn dadurch den Betroffenen keine Abschläge bei der Altersversorgung drohen. Denn es drängt sich ja der Verdacht auf, dass es der Großen Koalition bei dieser Regelung insbesondere darum geht, die ALG-II-Bezieher aus der Arbeitslosenstatistik herausfallen zu lassen. Wenn das der Fall ist, sollte man diese Menschen aber nicht noch zusätzlich mit einer Rentenkürzung bestrafen.

Statt weitere Rentenkürzungen umzusetzen, muss es aus Sicht des SSW es vor allem darum gehen, dass wir alles dafür tun, ältere Arbeitslose wieder in Arbeit zu bringen, so dass sie dann auch bis 67 Jahre wirklich arbeiten können. Dazu gehört, dass auch die Wirtschaft im größeren Umfang als heute einsieht, dass ältere Arbeitnehmer für ihre Unternehmen unheimlich wertvoll sein können. Man kann nicht auf der einen Seite über Facharbeitermangel klagen und auf der anderen Seite immer noch sich so schwer damit tun, ältere Arbeitnehmer zu beschäftigen und weiterzubilden. Das hängt weder hinten noch vorne zusammen.

Natürlich ist auch dem SSW nicht entgangen, dass sich die Situation der über 50-jährigen im letzten Jahr sowohl auf Bundesebene als auch in Schleswig-Holstein verbessert hat. So sind die Arbeitslosenzahlen bei dieser Personengruppe gesunken. Auch die Beschäftigungsquote der über 50-jährigen ist angestiegen. Allerdings sind immer noch knapp 45% der über 50-jährigen ohne Beschäftigung. 

Dazu kommt, dass wir schon genau hinsehen sollten, unter welchen Bedingungen viele dieser Menschen wieder in Lohn und Arbeit gekommen sind. Und da stimmt es nicht optimistisch, wenn wir hören, dass Arbeitsminister Döring davon ausgeht, dass über 40.000 Menschen in Schleswig-Holstein – davon sicherlich viele ältere Arbeitnehmer – trotz einer Beschäftigung zusätzlich auf ALG II- Hilfe angewiesen sind.

Im Klartext bedeutet dies, dass diese Menschen zu Dumpinglöhnen arbeiten, die der Staat finanziell aufstockt, damit sie überhaupt über die Runden kommen können. Das kann aber nicht unser Ziel sein. Zumal diese Arbeitnehmer durch die geringe Bezahlung auch wieder bei der zukünftigen Rente ein Problem bekommen werden. Mindestlöhne bleiben daher auch für den SSW ein Thema in dieser Debatte, um das wir in den nächsten Jahren nicht herum kommen werden.

Aktuell geht es uns aber darum, dass die zusätzliche Absenkung der Altersrenten bzw. die Zwangsverrentung der Hartz IV-Empfänger verhindert wird, weil dadurch auch jetzt immer noch die Gefahr besteht, dass die Ausweitung und Vertiefung der Altersarmut zunimmt.  Wir bitten deshalb um Zustimmung zu unseren Antrag.

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