Rede · 14.07.2023 Kleine und mittelständische Betriebe nicht vergessen

„Der Antrag verliert sich in recht vielen Details. Was wir brauchen und endlich nachdrücklich einfordern müssen, sind Reformen, die die Produktion und den Verbrauch von erneuerbaren Energien vor Ort würdigen und nicht bestrafen. Die Schlagworte lauten: einheitliche Netzentgelte, Strompreiszonen sowie ein konkurrenzfähiger Industriestrompreis.“

Sybilla Nitsch zu TOP 37 - Wettbewerbsfähigkeit der Industrie stärken (Drs. 20/1192)

Der SSW hat diese Argumentation bereits mehrfach zu diesem Thema angeführt: Ja, wir wollen ein möglichst klimaneutraler Wirtschaftsstandort werden, aber eben mit Augenmaß. Mit einem ehrlichen Blick dafür, was unsere Natur, die Landwirtschaft, der Tourismus und die Menschen als Privatpersonen vertragen. Und mit der Anerkennung dafür, wie unser Wirtschaftsstandort gestrickt ist: Denn ja, natürlich ist die Chemiewirtschaft in Brunsbüttel ein bedeutender Arbeitgeber und Wertschöpfungsfaktor. Und ja, auch wir wollen selbstverständlich die Ansiedlung von Northvolt. Aber in der großen Breite – zu mehr als 98 Prozent – ist Schleswig-Holstein nun einmal mittelständisch geprägt. Diese kleinen und mittleren Unternehmen wollen wir auch weiterhin hier im Land halten, für diese KMUs müssen wir die besten Rahmenbedingungen zum Ansiedeln und nachhaltigen Wirtschaften schaffen! Und auf diese müssen wir schauen, wenn es um konkurrenzfähige Energiepreise geht.

Wir müssen und wir wollen die Erneuerbaren Energien und die Industrie zum Vorteil aller zusammenbringen; dann ist nachhaltiges Wirtschaften möglich. Dazu gehört aber auch, dass wir die Realität unserer Wirtschaftsstruktur im Land berücksichtigen: Wir müssen dafür sorgen, dass vor allem die kleinen und mittelständischen Betriebe und die Mittelschicht unterstützt werden – und sich die Energiewende auch leisten können.

In dem vorliegenden Antrag geht es im Grunde um Instrumente zur Strompreisgestaltung für wirklich große Ansiedlungs- und Industrieprojekte. Dazu finden sich beachtliche Detailüberlegungen, wie man was regeln könnte. Bei einigen Schlagworten sind wir ganz bei Ihnen: „Bürokratiearme“ Lösungen fänden auch wir immer gut. 
Aber mal konkret: Was wir brauchen und endlich nachdrücklich einfordern müssen, sind Reformen, die die Produktion und den Verbrauch von erneuerbaren Energien vor Ort würdigen und nicht bestrafen. Die Schlagworte lauten: einheitliche Netzentgelte, Strompreiszonen sowie ein konkurrenzfähiger Industriestrompreis. Gerade letzteres müssen wir endlich bald anpacken, sonst wandert die Industrie aus Deutschland ab – und ist dann wirklich weg wie weg. Wenn wir uns international umsehen, dann arbeiten fast alle anderen Staaten bereits mit teils sehr hohen Subventionen – gerade die USA, aber beispielsweise auch Frankreich. Europa, Deutschland und in letzter Konsequenz dann ja auch Schleswig-Holstein drohen hier, den Anschluss langfristig zu verpassen. Hier müssen wir also zusehen, dass wir ein geeignetes Industriestrommodell erarbeiten und zügig umsetzen. Dabei wäre es natürlich klug, ein Anreizmodell zu schaffen, bei dem der überwiegende Verbrauch von günstigem Grünstrom vor Ort honoriert wird; denn da wollen wir doch hin. 

Vieles in dem vorliegenden Antrag beschreibt die aktuelle Sachlage – zum Thema „Strom“. Aber die Industrie arbeitet ja nicht nur mit Strom. Zur erweiterten Diskussion zu dieser Thematik – also zu den Kosten für die Unternehmen bzw. zu einem Ausblick auf konkrete Förderinstrumente, zur konkreten Teilhabe, den Ausbau der Infrastruktur oder beispielsweise auch den parallel notwendigen Umgang mit CO2 und die weiteren Entwicklungen zur CO2-Bepreisung in der Industrie – dazu gibt es hier kein Wort zu lesen. Dabei müssen wir doch gerade, wenn wir uns den Themenkomplex Industrie vornehmen, stets alle wirtschafts-, klima- und sozialpolitischen Facetten mitberücksichtigen, durchspielen und entsprechende Forderungen und Handlungsempfehlungen ableiten. 

Zusammenfassend kann ich also festhalten: In Hinblick auf unsere Industriepolitik dürfen wir natürlich sehr gern, aber eben nicht nur auf unsere Großprojekte hier im Land schauen, sondern müssen vor allem dafür sorgen, dass unsere KMUs bestmöglich unterstützt werden. Insofern greift der vorliegende Antrag also leider zu kurz, auch wenn er sich durchaus richtigen Fragestellungen zuwendet; diese könnten wir sehr gern noch einmal näher im Ausschuss beraten. Denn ja, auch wir wollen eine klimaneutrale Wirtschaft, bezahlbare Erneuerbare Energien, faire Netzentgelte und ein Bekenntnis zu den Unternehmen in unserem Land.

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