Rede · 18.02.2015 Konsequenzen aus dem Ausbruch des multiresistenten gramnegativen Acinetobacter baumanii am UKSH, Campus Kiel

Landesregierung und Klinikleitung reagieren angemessen und ziehen die absolut richtigen Schlüsse

Ich denke, wir alle beobachten die aktuellen Ereignisse rund um den Ausbruch des multiresistenten Keims am UKSH mit Beunruhigung und sind mit unseren Gedanken bei den Betroffenen und ihren Angehörigen. Die Tatsache, dass Fälle dieser Art leider immer wieder vorkommen und jährlich tausende Menschen multiresistenten Erregern zum Opfer fallen, ist da wenig tröstlich. Und doch halte ich es für zwingend erforderlich, dass auch wir hier im Landtag diese besorgniserregende Situation mit der gebotenen Sachlichkeit begleiten. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die unmittelbaren Konsequenzen aus einem solchen Fall und um die nötigen Gegenmaßnahmen geht. 

Auch wenn es eigentlich klar sein dürfte, möchte ich gleich zu Beginn betonen, dass das Problem multiresistenter Keime viel zu komplex ist, um auf schnelle Patentlösungen zu hoffen. Ganz im Gegenteil: Wir müssen uns leider darauf einstellen, dass diese Erreger und die hiermit verbundenen Probleme immer wieder auftauchen. Experten bestätigen regelmäßig, dass man auch noch so viel screenen und noch so viel auf Hygiene in den Krankenhäusern achten kann. Einen hundert-prozentigen Schutz gegen den Ausbruch und vor allem gegen die Verbreitung eines Keims, wie jetzt am UKSH, wird kaum jemals möglich sein.

Wir alle sind also gut beraten, unsere Erwartungen in Richtung einer sofortigen und umfassenden Lösung dieses Problems herunterzuschrauben. Und doch heißt das natürlich nicht, dass man die Hände einfach in den Schoß legen kann. Der aktuelle Fall zeigt vielmehr, dass wir eine ganze Reihe von Maßnahmen auf den Weg bringen oder eben fortführen und intensivieren müssen, um bestehende Risiken zu minimieren. Keine Frage: Die derzeitige Situation am UKSH fordert Konsequenzen, und entsprechende Schritte wurden bereits eingeleitet. Der SSW begrüßt die Reaktion und das gesamte Bündel unserer Landesregierung, das nicht nur dringend nötige Sofortmaßnahmen, sondern auch mindestens genauso wichtige mittel- bis langfristige Zielvorgaben enthält.

Fakt ist, dass sämtliche Verantwortliche am UKSH vom ersten Tag an einen enormen Einsatz geleistet haben, um die Betroffenen bestmöglich zu versorgen und die Angehörigen wie auch die Öffentlichkeit umfassend zu informieren. Diese Arbeit verdient unsere größte Anerkennung. Und doch zeigt sich in einer solchen Extremsituation, dass auch das Universitätsklinikum als Maximalversorger mit seinen ausgewiesenen Experten an Grenzen stößt. Dies wurde gerade mit Blick auf die so dringend notwendige Isolierung der Patienten in Einzelzimmern deutlich. Deshalb ist der Schritt, hier so schnell wie möglich die Kapazitäten zu erweitern, absolut folgerichtig. Wie Sie wissen, stellen wir daher für diese wichtige Sofortmaßnahme rund 8 Millionen Euro aus dem laufenden Haushalt zur Verfügung. Geld, das aus meiner Sicht bestens investiert ist.

Doch selbstverständlich werden wir es nicht bei dieser Einzelmaßnahme belassen. Für uns liegt auf der Hand, dass auch präventive Ansätze und Strategien zur Früherkennung ausgebaut werden müssen. Neben noch verbindlicheren, und vor allem umfassenderen, Schulungs- und Fortbildungsprogrammen zum Thema Krankenhaushygiene werden wir daher auch die Landesverordnung über die Infektionsprävention evaluieren und hier gegebenenfalls nachbessern. Fakt ist, dass in der Fläche noch sehr viel stärker sensibilisiert und aufgeklärt werden kann, als bisher. 

Mit Blick auf das Screening, also im Bereich der Früherkennung, gibt es aus unserer Sicht nicht erst seit den aktuellen Erfahrungen am Kieler Campus konkreten Handlungsbedarf. Den entsprechenden Vorstoß unserer Gesundheitsministerin in Richtung Bund begrüßen wir ausdrücklich. Kein Zweifel: Wir brauchen ein durch die Kassen finanziertes Screening-Programm für den stationären Bereich. Aus Sicht des SSW darf das Wohl der Patienten auf keinen Fall hinter kurzfristigen Gewinninteressen zurückbleiben. Durch Früherkennung können Patienten schneller isoliert, Keime gezielter bekämpft und eine Ausbreitung effektiver verhindert werden. Dies ist nicht nur im Sinne der anderen Patienten oder der Besucher, sondern natürlich auch im Interesse des medizinischen Personals selbst. Und ganz nebenbei bemerkt, zeigen Untersuchungen im In- und Ausland immer wieder, dass der Ausbau von Screeningmaßnahmen langfristig sogar Geld spart.

Wenn wir das Problem multiresistenter Erreger wirklich spürbar eindämmen wollen, dann kommen wir nicht darum herum, neben diesen sinnvollen Maßnahmen auch die tiefer liegenden Ursachen anzupacken. Ich denke, nicht nur die Ärzte in den Krankenhäusern, sondern vor allem auch die Niedergelassenen sind hier in der Pflicht. Sie müssen ihr Verhalten mit Blick auf die Antibiotikavergabe kritisch hinterfragen und hier in Zukunft nach Möglichkeit deutlich restriktiver handeln. Auch in der Nutztierhaltung ist viel mehr Zurückhaltung beim Einsatz von Antibiotika erforderlich. Dass unsere Landesregierung dieses Ziel auf Bundesebene mit Nachdruck verfolgt, wird von uns uneingeschränkt unterstützt. 

In der personellen Ausstattung des Pflegebereichs liegt ein weiterer, wichtiger Schlüssel im Kampf gegen Krankenhauskeime. Es ist seit Jahrzehnten bekannt, dass das Verhältnis von Pflegekräften zu Patienten und die Zeit, die ihnen für den einzelnen Kranken zur Verfügung steht, maßgeblichen Einfluss auf die Infektionsrate haben. Im Klartext bedeutet das: Je weniger Patienten eine Pflegekraft versorgen muss, desto geringer ist die Ansteckungsgefahr mit Krankenhauskrankheiten. Das leuchtet sicher erst einmal jedem ein. 

Auch wenn unser Gesundheitssystem nun einmal sehr stark auf Wettbewerb ausgerichtet ist, und sich damit wenig Spielraum für einen höheren Personalschlüssel in der Pflege bietet, muss diese Tatsache aus Sicht des SSW stärker berücksichtigt werden. Wir alle wissen, dass nicht zuletzt das UKSH unter hohem wirtschaftlichem Druck steht. Trotzdem sagen wir klar und deutlich, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben darf. Wenn Veränderungen beim Personalbedarf geprüft werden, dann ausschließlich im Rahmen der durch die baulichen Maßnahmen erzielten Effizienzgewinne. Zu Lasten der Patientenversorgung ist das mit uns auf keinen Fall zu machen.

In meinen Augen ist mit dem Stichwort „bauliche Maßnahmen“ ein weiterer sehr wichtiger Punkt angesprochen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die umfassenden Investitionen und die Umsetzung des baulichen Masterplans nicht nur zu erheblichen Einsparungen und Effizienzgewinnen führen werden, sondern auch zu Verbesserungen in der Krankenversorgung. Schon allein die kürzeren Wege im Rahmen der alltäglichen Arbeitsabläufe bringen dem medizinischen Personal Zeit, die nicht zuletzt für die Pflege enorm wertvoll ist. Denn jede zusätzliche Minute am Patienten vermindert die Gefahr für den Ausbruch und die Verbreitung von Krankheiten. Und es ist davon auszugehen, dass sich solche Effekte nicht nur in Ausnahmesituationen, sondern eben auch im pflegerischen Alltag positiv bemerkbar machen. 

Die Auflösung des Sanierungsstaus und die Umsetzung des baulichen Masterplans sind ein wahrer Kraftakt für Uniklinikum und Land. Doch natürlich ist es damit nicht getan. Es ist kein Geheimnis, dass nicht nur die wirtschaftliche sondern häufig auch die bauliche Situation vieler Krankenhäuser hier in Schleswig-Holstein eher schlecht als recht ist. SSW, Grüne und SPD werden sich daher mit Nachdruck dafür einsetzen, dass in den kommenden Jahren trotz der Vorgaben der Schuldenbremse deutlich mehr in die Krankenhäuser im Land investiert wird. Es ist allgemein bekannt, dass ab 2018 unser 100-Millionen Euro schweres Infrastrukturprogramm greift, wovon nicht zuletzt unsere Kliniken profitieren sollen. Denn unser Ziel ist und bleibt es, hier nachhaltige Verbesserungen zu erreichen.

Im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Situation unserer Krankenhäuser muss ich wieder einmal auf die strukturelle Ungerechtigkeit bei der Vergütung ihrer Leistungen hinweisen. Es ist eine traurige Tatsache, dass wir uns hier in Schleswig-Holstein nahezu beide Beine rausreißen können, ohne auf einen grünen Zweig zu kommen. Wie Sie wissen, bringt ein und dieselbe Leistung, die natürlich einen absolut identischen personellen wie sachlichen Einsatz erfordert, einer Klinik im Süden Deutschlands immer noch deutlich mehr ein, als einer im Norden. Ich denke, an dieser Ungerechtigkeit muss sich wirklich dringend etwas ändern. 

                                                                      

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