Rede · 14.11.2019 Mit aller Kraft gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus

Wir müssen verstehen, dass wir schon längst da sind, wo wir nicht sein wollen.

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 36 - Gemeinsam für ein starkes und geschütztes jüdisches Leben in  Schleswig-Holstein einsetzen (Drs. 19/1798)

Meine Damen und Herren, so wie der Kern des SSW die Minderheitenpolitik ist, ist der Kern der AFD der Täuschungsversuch. Vielleicht sogar der Selbstbetrug. Meine Herren. Niemand glaubt Ihnen die Anteilnahme. Sie bekennen sich in erster Linie dann zum Judentum, wenn Sie gegen den Islam aufwiegeln wollen. Wenn Sie ein „wir“ und ein „die“ schaffen wollen. 

Sie arbeiten hier im Landtag so stark an Ihrem bürgerlichen Anstrich, reden mehrheitlich mit sanfter Stimme und leise. Ihr ausfallender Fraktionsvorsitzender ist davon natürlich ausgenommen. Aber meine Herren, ihr Rechtsextremismus liegt nicht in Ihrem Auftreten. Er liegt in Ihren Inhalten. 
Es widerstrebt mir, die Auswürfe Ihrer Partei zu wiederholen. In Ihrem Grundsatzprogramm fordern Sie, weniger an den Nationalsozialismus zu erinnern. Ihre höchstrangigen Vertreter brechen in regelmäßigen Abständen Tabus.

Im dritten Punkt Ihres Antrags meinen Sie, die Wurzeln des Antisemitismus in verschiedenen Ideologien oder politischen Einstellungen zu finden. 
Allerdings auch im völkisch-rechtsradikalen. Und da frage ich mich dann schon, ob Ihnen bisher entgangen ist, dass ihre Partei einen mächtigen völkisch-nationalistischen Flügel hat. 
Ihre Landesmitglieder haben Frau Sayn-Wittgenstein erneut zur Vorsitzenden gewählt, nachdem sie klipp und klar gesagt hat, sie wolle einen – Zitat – „Kampf für mein Volk, seine angestammte Kultur und seine Bräuche - kurz: für unsere Identität.“ führen. Was auch immer das sein soll. Und für „das Recht auf Selbstbestimmung als deutsches Volk“ kämpfen. Man könnte Abhandlungen darüber schreiben, wie viel rechtsradikale Verschwörungstheorie da drin steckt. 
Aber ich habe Ihnen schon viel zu viel Zeit gewidmet. 

Der Anschlag auf die Synagoge in Halle hat uns getroffen. Menschen sind willkürlich ausgewählt, schwer verletzt und getötet worden. Die Deutsche Welle hat einen sehr einfühlsamen Artikel über die Opfer des Anschlags veröffentlicht. 
Über Jana L., die als fröhlicher Mensch beschrieben wird. Schlagerfan, voller Lebensfreude. Und über Kevin S., glühender Fan des Fußball-Drittligisten Hallescher FC und erst 20 Jahre alt. Sie starben am 09. Oktober 2019. 

Das Ehepaar Jens und Dagmar Z. überlebten die Schüsse des Täters schwer verletzt, als sie sich weigerten, ihm ihr Auto zu überlassen. 
Das Attentat in Halle war der Versuch eines Massenmordes. Und er wurde nur verhindert, weil die Tür der Synagoge einem Sprengsatz standhielt. 

Dieser Anschlag ist nun einen Monat her. Wir gedenken der Opfer. 
Und wir sprechen den Angehörigen der Opfer unser Beileid aus.  
Wir stehen an der Seite unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. 
Und um das zu tun, müssen wir darüber sprechen, welche Konsequenzen wir aus dieser Tat ziehen. 
Denn was die Berichterstattung zu dem Anschlag bitter vereint hat, war, dass die jüdischen Gemeinden sich nicht überrascht gezeigt haben. Jüdische Menschen warnen seit Jahren davor, dass Antisemitismus wieder salonfähig geworden ist oder auch nie weg war. Sie sind Bedrohungen gewohnt, sie sind polizeiliche Schutzmaßnahmen gewohnt. Juden verlassen Deutschland aufgrund des wachsenden Antisemitismus. 
Wir müssen verstehen, dass wir schon längst da sind, wo wir nicht sein wollen! 
Dass es nicht reicht, bestürzt zu sein, sondern dass wir mit viel mehr Anstrengung hier gegen an arbeiten müssen. 

Dass die Liberale Jüdische Gemeinde in Kiel nun endlich eine Synagoge gefunden hat, hat unsere Fraktion daher wirklich besonders gefreut. Genau wie die gerade von uns beschlossene Stelle für Bildungsarbeit gegen Antisemitismus. Und dass eine Beauftragung gegen Antisemitismus geben muss, darüber sind wir uns ja auch schon mal einig. Im Land müssen wir im Dialog mit den Jüdischen Gemeinden weitere Möglichkeiten finden, das Jüdische Leben zu wahren und zu stärken. 
Im Großen wie im Kleinen ist das eine Aufgabe für uns alle.

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