Rede · 25.01.2024 Nie wieder ist jetzt!
„Es ist doch klar, worum es geht. Ausländer raus; Menschen mit der ausländischen Oma oder dem ausländischen Opa raus; Menschen mit einer demokratischen Grundhaltung raus! So hat es schon einmal angefangen. Das Resultat war, das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte! Und das darf sich nicht wiederholen!“
Lars Harms zu TOP 41 - Dringlichkeitsantrag (Drs. 20/1021, 20/1795, 20/1826)
Wir hörten in den letzten Wochen durch die Correctiv-Recherchen von „Geheimtreffen“. Treffen, bei denen sich Funktionäre der AfD, Identitärer Bewegung und weitere Rechtsextreme organisierten, vernetzten, und planten, was sie tun würden, wenn sie an die Macht kämen. Es gibt viele Punkte, die man in diesem Rahmen ansprechen könnte. Ich möchte einen herausgreifen. Im ersten Vortrag der Tagung widmete Martin Sellner, ein Vordenker der identitären Bewegung, sich der Frage der sogenannten Remigration. Ein Kampfbegriff der Neuen Rechten, der hoffentlich nicht in unseren Wortschatz übergehen wird, denn es geht hier faktisch um Deportationen. Der Gedanke wird im Laufe der Tagung immer wieder aufgegriffen. Die Idee, die dahinter steckt, ist die eines „Mustertstaates in Nordafrika“ für Millionen Menschen. Wer dort hin soll, sind vorerst insbesondere drei Gruppen: Asylbewerber, Menschen anderer Staatsangehörigkeit mit Bleiberecht und diejenigen, die Sellner als „nicht assimilierte Staatsbürger“ umschreibt. Später wird laut überlegt, Menschen, die doppelte Staatsbürgerschaften besitzen, und alle, die sich für Geflüchtete einsetzen, könnten womöglich auch deportiert werden. Es geht im Kern darum: Menschen, die nicht in das Weltbild der Rechtsextremen passen, sollen vertrieben werden.
Ist währenddessen ein Aufschrei durch die AfD gegangen? Nein! Haben sich AfD’ler gegenseitig dazu aufgefordert, sich zu distanzieren, sich klar abzugrenzen? Nein! Gab es massenweise Austritte aus der Partei? Nein!
Die Reaktionen waren stattdessen so: Der parlamentarische Geschäftsführer der Afd-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, behauptete, Martin Sellner nicht zu kennen. Björn Höcke hat über die Demonstrationen gegen Rechtsextreme gesagt: „Es sah so ein bisschen aus, wie 1933 die Fackelmärsche der Nazis.“ Ein Faschist versucht, Demonstrationen gegen Faschismus als faschistisch zu bezeichnen. Und es wird geleugnet, gelogen, abgelenkt, Schuld woanders gesucht und letztlich versucht, Tatsachen zu verdrehen und die Opferperspektive für sich einzunehmen. Es ist absurd und so offensichtlich falsch.
1940 planten die Nationalsozialisten, vier Millionen Juden auf die Insel Madagaskar zu deportieren. Der Tagungsort heute ist etwa acht Kilometer entfernt vom Haus der damaligen Wannseekonferenz, auf der die Nazis die systematische Vernichtung der Juden koordinierten. Es ist doch klar, worum es geht. Ausländer raus; Menschen mit der ausländischen Oma oder dem ausländischen Opa raus; Menschen mit einer demokratischen Grundhaltung raus! So hat es schon einmal angefangen. Das Resultat war, das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte! Und das darf sich nicht wiederholen!
Über eine Million Menschen haben auf den Demonstrationen der letzten Tage gezeigt: Wir wissen, was ihr Rechtsextremisten meint. Wir verstehen die Anspielungen. Wir wissen, was euer Plan ist. Und wir hier in diesem Parlament wissen es auch. Im Internet las ich folgenden Kommentar: „Jetzt können die Menschen zeigen, was sie 1933 getan hätten!“ Ein Satz der wirklich nachdenklich macht. Wir sind wieder so weit!
Ich möchte deshalb Martin Niemöller und Erich Kästner zitieren, denn ich musste in letzter Zeit immer wieder an ihre Worte denken.
Martin Niemöller:
„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
Damit niemand geholt wird, gehen wir gemeinsam auf die Straße. Nie wieder ist jetzt!
Erich Kästner:
„Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat.“
Damit die Lawine gar nicht ins Rollen kommt, gehen wir gemeinsam auf die Straße. Nie wieder ist jetzt!